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Fatale Liebe zum Metzger: Gloria (Gillian Keith) wird ihrem Schicksal zum Glück entgehen.

Foto: APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Bregenz - Im Anfang war die Kuh, am Ende das Schwein. Gleich im ersten Jahr seiner Intendanz startete David Pountney das so ehrgeizige wie interessante Projekt, im Vorarlberger Landestheater ein zweites, kleineres Musiktheaterwerk des jeweiligen Schwerpunktkomponisten zu präsentieren - quasi die bunte Beilage zur Hauptspeise im Festspielhaus.

Mit Kurt Weills Operette Der Kuhhandel wurde diese Schiene 2004 eröffnet; es folgten teils grausig schlechte Werke wie Judith Weirs Der blonde Eckbert (2011), aber auch handwerklich beeindruckende Opern wie Mieczyslaw Weinbergs Das Portrait (2010) oder Detlev Glanerts Nijinskys Tagebuch (2012).

Im ehemaligen Theater am Kornmarkt kann man nun HK Grubers satirische Oper Gloria von Jaxtberg erleben. Hierbei lässt der gern als Spaßvogel der Neuen Musik beschriebene Komponist die Sau raus: Die Titelheldin der 1994 uraufgeführten Kurzoper ist ein Schwein - nicht im moralischen Sinn, sondern in echt. Glorias Heim ist ein Saustall, ihrer goldenen Lockenpracht wegen wird die Schöne von ihren Artgenossen beneidet und aus dem Stall geschmissen. (Die Transparente einer FPÖ, der Freischweinlichen Partei Österreichs, die hierbei entrollt werden, wirken allerdings etwas aufgesetzt.)

Zwei Ochsen prophezeien Gloria, dass sie ihre große Liebe treffen wird. Und in der Tat ist Wildschwein Rodrigo nicht weit, der Kraftkerl bewundert sie von fern. Doch da kommt der Bauer mit dem Metzger in den Stall, und Gloria von Jaxtberg - eine große Naive der Bühnenliteratur - verliebt sich in ihren Schlächter. Zum Glück ist kurz vor der Verwurstung der Liebesblinde Rodrigo zur Stelle und rettet seine Angebetete. In der letzten Szene bricht unerwartet Realismus in die Fabelwelt ein. Mit drei Kindern gesegnet, singt Rodrigo mit zitroniger Miene sein Resümee zum Thema Ehe: "Trapped for life, man and wife".

Womit wir bei einem Negativum dieser in Summe bezaubernden, mit der Londoner Mahagony Group koproduzierten Satire wären: Gesungen wird auf Englisch, Übertitel gibt's keine. Der Großteil des Witzes von Rudolf Herfurtners Libretto (Übersetzung von Amanda Holden) geht so mangels Verständnis flöten. Die auf Deutsch gesungenen Geschichten aus dem Wiener Wald mit Übertiteln zu versehen, die englische Version von Gloria von Jaxtberg aber nicht: weird.

So ist es hauptsächlich die skurril-vergnügliche Bildersprache der zwischen Travestie- und Muppet-Show angesiedelten Inszenierung, die im Publikum Resonanz findet (Regie: Frederic Wake-Walker, Ausstattung: Mamoru Iguchi). Zum Glück sind Gillian Keith als kulleräugige Gloria, Sion Goronwy als Rodrigo, Andrew Dickinson als Metzger Gerhard, Jessica Walker (Soloschwein) und Charles Rice (Bauer) nicht nur tolle Sänger, sondern auch erstklassige Comedians.

HK Gruber steuert von musikalischer Seite leichtfüßige, pointierte Bizarrerie bei - allerdings in etwas gleichförmiger Weise: Eine klein besetzte Bigband (plus Harfe) unterlegt die achterbahnhaften Kantilenen der Sänger permanent mit kleingehäckselten Ton- und Harmoniesplittern. Das von Geoffrey Paterson souverän geleitete Ensemble Chroma präsentiert diese präzise sowie mit britischer Distinguiertheit. Am Ende große Freude und eine Erkenntnis, die allen Vegetariern dieser Welt schmecken wird: Das Gegenteil von Wurst ist Liebe. Oink! (Stefan Ender, DER STANDARD, 2.8.2014)