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Die Hugenotten (Les Huguenots)

Opéra in fünf Akten
Text von Eugène Scribe
Musik von Giacomo Meyerbeer

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 50' (zwei Pausen)

Koproduktion mit der Opéra de Nice

Premiere im Opernhaus Nürnberg am 15. Juni 2014
(rezensierte Aufführung: 20.07.2014)




Staatstheater Nürnberg
(Homepage)

Bartholomäusnacht im Maler-Atelier 

Von Thomas Molke / Fotos von Jutta Missbach


Giacomo Meyerbeers Grand Opéra Les Huguenots zählt zu den erfolgreichsten und bedeutendsten Werken dieser Gattung und konnte nach der Uraufführung 1836 allein in Paris in den folgenden Jahren über
mehr als 1.000 Aufführungen verbuchen. Dennoch hat sich das Werk, das als erste Oper das grausame Massaker an den französischen Hugenotten in der sogenannten "Bartholomäusnacht" vom 23. auf den 24. August 1572 vertonte, zumindest auf den deutschsprachigen Bühnen nicht im gängigen Repertoire halten können, was zum einen vielleicht den zahlreichen anspruchsvollen Partien zuzuschreiben ist, deren Besetzung viele Opernhäuser an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bringen dürfte, zum anderen aber auch einem in Deutschland weit verbreiteten Desinteresse an der französischen Grand Opéra geschuldet sein dürfte. So datiert die letzte Inszenierung dieser Oper auf einer deutschen Bühne aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Peter Theiler, der schon seit Beginn seiner Intendanz dem Staatstheater Nürnberg mit zahlreichen vergessenen Belcanto-Perlen und Raritäten der französischen Oper ein neues Profil gegeben hat, hat nun im Jahr des 150. Todestages von Giacomo Meyerbeer zum ersten Mal in diesem Jahrtausend dieses Werk auf einer deutschen Bühne auf den Spielplan gestellt.

Meyerbeer überträgt mit seinem Librettisten Eugène Scribe die historischen Ereignisse der Bartholomäusnacht auf ein fiktives Paar, das er den unterschiedlichen Konfessionen zuordnet. Während ein Auslöser des historischen Massakers die Hochzeit der katholischen Prinzessin Marguerite de Valois mit dem hugenottischen Königs Henri de Navarre war, mit der die Königinmutter, Caterina de' Medici, einen Versuch unternahm, die Kluft zwischen den beiden Religionen zu überwinden, ist es in der Oper Marguerite de Valois, die Valentine, die Tochter des katholischen Grafen von Saint-Bris, mit dem hugenottischen Edelmann Raoul de Nangis vermählen möchte. Henri de Navarre kommt in der Oper gar nicht vor. Während historisch nicht belegt ist, wer das grausige Massaker eigentlich angeordnet hat, es sogar Theorien gibt, wonach Caterina selbst an der Planung beteiligt sein soll, gibt die Oper eine sehr eindeutige Antwort. Valentines Vater stiftet unter anderem aus persönlichem Hass auf Raoul, der wegen eines Missverständnisses die Hand Valentines zurückweist, die übrigen Katholiken zum Massaker an. Als Valentine erkennt, dass sie ihren Vater und die anderen Edelmänner nicht zurückhalten kann, begibt sie sich zu Raoul, konvertiert zu seinem Glauben und geht gemeinsam mit ihm in den Tod. Saint-Bris tötet sein eigenes Kind, und selbst Marguerite kann dem grausamen Massaker nur tatenlos zusehen.

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Der Graf von Nevers (Martin Berner, Mitte) positioniert seine Modelle (Chor und Statisterie) für das geplante Gemälde.

Tobias Kratzer bettet in seiner Inszenierung die eigentliche Geschichte der Oper in eine Rahmenhandlung ein. Der Graf von Nevers ist bei Kratzer ein Maler, der, als zu Beginn der Ouvertüre zwei junge Männer für den Brudermord von Kain an Abel posieren, der ständigen Darstellung von Gewalt in seinen Bildern überdrüssig wird und nun gerne ein Bild des Friedens und der Harmonie schaffen will. Auftraggeberin scheint Marguerite zu sein, die zunächst in ihrem pastellfarbenen Kostümen an Margaret Thatcher erinnert, sich dann aber für dieses Gemälde in die französische Königin verwandelt. Damit greift Kratzer die Friedensbemühungen der ersten beiden Akte der Oper auf. Nevers ist eigentlich der für Valentine bestimmte Ehemann, der aber bereit ist, auf seine Geliebte zu verzichten, da er zum einen ihre Liebe zu Raoul erkennt, zum anderen in der von Marguerite vorgeschlagenen Verbindung die Chance zur Versöhnung der beiden Religionen sieht. So spielt die Handlung in einem Maler-Atelier, das im linken Hintergrund durch große Fenster einen wunderbaren Panoramablick auf Paris bietet. Die Katholiken und Hugenotten treten zunächst in moderner Kleidung als Leute auf, die für das neue Bild Modell stehen wollen und beziehen ihre Kostüme und Requisiten aus Kisten, die Nevers zu diesem Zweck auf die Bühne holt.

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Doch die Figuren der Gemälde (Chor) verselbständigen sich in Nevers' (Martin Berner) Atelier.

Doch ab dem dritten Akt verselbständigen sich die Figuren aus Nevers' Bildern. So treten aus einer großen Leinwand kampfbereite Hugenotten heraus, die sich dem Angriff der Katholiken stellen wollen. Die Figuren bewegen sich nun in historisierenden Roben, die bei den Katholiken in dunklem Rot und bei den Hugenotten in schlichtem Schwarz gehalten sind. Auch die beiden Zigeunerinnen, die den Eklat zwischen Hugenotten und Katholiken im dritten Akt noch verhindern können, in dem sie den Menschen anbieten, die Zukunft aus der Hand zu lesen und bei Valentine entsetzt zurückschrecken, entsteigen einem Bild. Wenn dann die Verschwörung der Katholiken beginnt, stürmen unheimliche Gargoyles durch die Fensterfront ins Zimmer und verbreiten eine unheimliche Atmosphäre. Marguerite erscheint anschließend auf einem echten Pferd auf der Bühne, um dem kämpferischen Treiben Einhalt zu gebieten, womit der Pomp der Inszenierung seinen Gipfel erreicht. Im Folgenden versucht Nevers immer wieder, über die sich verselbständigenden Figuren Herr zu werden. So fängt er im vierten Akt an, seine Bilder zu verbrennen. Doch es ist zu spät. Er selbst wird zum Spielball seiner eigenen Figuren. Er muss nicht nur die rote Jacke der Katholiken überziehen, sondern wird auch mit dem weißen Kreuz gekennzeichnet, mit dem die Katholiken ihre Verbündeten für das Massaker markieren. Wenn man dann die Stadt hinter der großen Fensterfassade brennen sieht, bleibt ihm nichts anderes übrig, als tatenlos zuzusehen. Wenn das Massaker beginnt, legt er die Bühne mit durchsichtiger Folie aus und überschüttet die weiße Leinwand mit roter Farbe. Das ist das Bild, das er seiner Auftraggeberin Marguerite am Ende präsentiert. Marguerite zeigt sich sichtlich geschockt, weil das sicherlich nicht dem entspricht, was sie in Auftrag gegeben hat.

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Liebe ohne Zukunft: Valentine (Hrachuhí Bassénz) und Raoul de Nangis (Uwe Stickert)

Großen Respekt muss man dem Staatstheater Nürnberg zollen, dass es in der Lage ist, die meisten Partien mit Mitgliedern des eigenen Ensembles hochkarätig zu besetzen. Leider war Leah Gordon aufgrund einer Allergie in dieser Nachmittagsvorstellung stimmlich nicht in der Lage, die Partie der Marguerite zu singen. Für den Gesang konnte aber ganz kurzfristig Laura Aikin verpflichtet werden, die die Partie vor zwei Jahren in Straßburg mit großem Erfolg interpretiert hat. Auch in Nürnberg begeisterte sie mit sauberen Koloraturen und dramatischen Ausdruck, während Gordon die Partie mit überzeugender Mimik und Gestik stumm auf der Bühne präsentierte. Um noch rechtzeitig ihren Flieger zu erreichen, musste sich Aikin schon nach dem dritten Akt verabschieden, was für die Aufführung verträglich war, da Marguerite danach nur noch einen stummen Auftritt hat. Unter frenetischem Applaus wurde sie vom Nürnberger Publikum vor der zweiten Pause verabschiedet. Große Begeisterungsstürme rief auch Hrachuhí Bassénz als Valentine hervor. Mit dramatischem Sopran, der bis in die hohen Spitzentönen sauber klang, meisterte Bassénz diese absolut anspruchsvolle Partie stimmlich hervorragend und bewegte auch darstellerisch. Besonders überzeugend gelang ihr das Duett mit Raoul, das darstellerisch zu einem Terzett wurde, da Nevers als Beobachter in dieser Liebesszene ebenfalls anwesend war. Wie Bassénz Martin Berner als Nevers in ihre Liebesbeteuerungen Raoul gegenüber einbezog, und damit auch deutlich machte, welche Dankbarkeit Valentine Nevers für sein Verständnis entgegenbringt und wie nah sich die beiden dadurch kommen, ging unter die Haut.

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Der Graf von Saint-Bris (Nikolai Karnolsky) hat seine eigene Tochter Valentine (Hrachuhí Bassénz) getötet.

Uwe Stickert, einziger Gast der Produktion, stattete die Partie des Raoul de Nangis mit strahlendem Tenor aus, der sich scheinbar spielerisch in die Höhen hochschraubte. Ihm zur Seite stand Randall Jakobsh als sein Diener Marcel mit dunklem Bass, der der Unnachgiebigkeit des fanatischen Hugenotten mehr als gerecht wurde. Sein angestimmter Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" avancierte zu einem regelrechten Kampfgesang. Leider heißt es nach dieser Spielzeit in Nürnberg Abschied von Jakobsh zu nehmen, der hier in zahlreichen Rollen zum Publikumsliebling avancierte. Auch Martin Berner verlässt zum Ende der Spielzeit das Ensemble und glänzte als Nevers noch einmal mit einem kräftigen Bariton, der auch sehr weiche Töne fand, um die Milde der Figur zu unterstreichen. Auch Judita Nagyová gab als Page Urbain ihre Abschiedsvorstellung als Ensemble-Mitglied in Nürnberg und begeisterte noch einmal mit ihrem warmen Mezzo. Nikolai Karnolsky überzeugte als intriganter Graf von Saint-Bris mit schwarzem Bass. Auch die kleineren Rollen und der um Chorgäste erweiterte Chor des Staatstheaters Nürnberg rundeten die großartige stimmliche Leistung der Aufführung wunderbar ab. Die Staatsphilharmonie Nürnberg präsentierte unter der Leitung von Guido Johannes Rumstadt einen fulminanten Klang aus dem Graben, der die Protagonisten zu keinem Zeitpunkt zudeckte, so dass es am Ende lang anhaltenden und begeisterten Applaus für alle Beteiligten gab.

FAZIT

Diese selten gespielte Oper sollte man sich in dieser Besetzung und Inszenierung in Nürnberg keinesfalls entgehen lassen. In der kommenden Spielzeit wird die Produktion in Nürnberg noch einige Male zu erleben sein.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Guido Johannes Rumstadt

Inszenierung
Tobias Kratzer

Bühne und Kostüme
Rainer Sellmaier

Licht
Thomas Schlegel

Video
Boris Brinkman

Chor
Tarmo Vaask

Dramaturgie
Kai Weßler


Chor und Statisterie des
Staatstheaters Nürnberg

Chorgäste

Staatsphilharmonie Nürnberg


Solisten

*rezensierte Aufführung

Marguerite von Valois
Leah Gordon (szenisch)
Laura Aikin (Gesang)

Graf von Saint-Bris, Katholik
Nikolai Karnolsky

Valentine, seine Tochter
Hrachuhí Bassénz

Graf von Nevers, Katholik
Martin Berner

Urbain, Page der Marguerite
Judita Nagyová

Eine Ehrendame / Eine Zigeunerin
Christiane Marie Riedl

Eine Koryphäe / Eine Zigeunerin
Gunta Cēse

Cossé, katholischer Edelmann
Hans Kittelmann

Tavannes, katholischer Edelmann
Kwonsoo Jeon /
*Avi Klemberg (als Gast)

Thoré / Maurevert, katholischer Edelmann
Sébastien Parotte

De Retz, katholischer Edelmann
Taehyun Jun

Méru, katholischer Edelmann
Daniel Dropulja

Raoul de Nangis, hugenottischer Edelmann
Uwe Stickert

Marcel, sein Diener
Randall Jakobsh

Bois-Rosé, hugenottischer Soldat
Yu-Sun Hong

Ein Nachtwächter
Javid Samadov

Drei Mönche
Alexander Alves de Paula
Luzuko Mahlaba
Benjamin Weaver

Zwei junge Katholikinnen
Hanna Rösler
Berenike Tölle /
*Constanze Grob
*Emilia Klix


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
(Homepage)



Da capo al Fine

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