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Die Bewunderung ist grenzenlos: Elvis (Florian Boesch) im Kreise seiner Fans.

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Graz – Elvis ist gut drauf. Im dreiteiligen Anzug lässt er hüftkreisend keinen Zweifel an seiner Vitalform wie an der Strahlkraft jener bunten Steine aufkommen, die sein weißes Outfit bevölkern. Auch im Kreise seiner Bewunderer durchdringt ihn johannistriebhafte Unruhe: Sitzend demonstriert er mit nervöser Beinarbeit seine offensive Stimmung. Bei der Styriarte wird sie indes durch Barockklänge befeuert; es steht in der List-Halle Henry Purcells Semiopera The Fairy Queen auf dem Programm.

Der deftige King-Auftritt kommt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr überraschend: Florian Boesch (wie immer ein energischer Theatraliker, der seine profunden Vokalmittel hier bisweilen etwas herb einsetzt) hat zu diesem Zeitpunkt unter anderem einen besoffenen Dichter dargestellt, den man zum Geständnis seines umwölkten Zustands gezwungen hat. Auch war er ein aufdringlicher Typ, den sich vom Leib zu halten für eine blondbezopfte Travestiedame nur mit Pfeffersprayhilfe möglich war. Boesch – ein greller Running Gag in einer gerne grell-komischen Inszenierung von Philipp Harnoncourt.

Ein neues Pärchen

Die ganze Produktion gleicht natürlich einem Experiment, das angesichts der Figurenfülle einiges an bündelnder Vorarbeit bedurfte: The Fairy Queen ist ein Mix aus Schauspiel (Shakespeares Sommernachtstraum) und musikalischen Masques, die hier ohne Ideen des Jubiläumsdichters auskommen sollen. Um den recht losen fünf Opernteilen etwas Einheitlichkeit zu verleihen, hat Philipp Harnoncourt ein Pärchen eingeführt, das zwischen erster Verliebtheit und finaler Eheschließung im Reich der Feenkönigin Titania durch eine Erlebniswelt hindurch muss. Zweifel, Tod, Erotik und hundert andere Kapitel eines Lebens müssen erfahren werden.

Vor der aus Holztüren und sonstigen Resten zusammengebastelten Wandskulptur ist das Pärchen ein (auf einer den Concentus Musicus u-förmig umkreisenden Schräge) tanzendes Duo (Rita Sereinig und Max Niemeyer), um das herum eine Figurenrevue entsteht. Jedoch szenisch nicht immer stringent deftig.

Am besten gelingen Harnoncourt Momente, in denen er sich auf Einzelfiguren konzentriert oder den guten Schönberg Chor zur Skulptur bündelt, also ein bisschen die szenische Zeit anhält. Zwischendurch jedoch regiert in Gruppenszenen eine gewisse Unentschlossenheit: Da muss der Chor – äußerlich quasi eine groteske Mischung aus Hippie und Urmenschentum – Verlegenheitstänze (Choreografie Anna Schrefl) absolvieren, die ins unfreiwillig Komisches reichen.

Melodischer Reichtum

Letztlich wird diese Inszenierungsschwäche jedoch nicht nur durch Elvis, sondern vor allem durch Musik kompensiert: In diversen Rollen können die Soprane Dorothea Röschmann, Martina Jankova, Mezzosopranistin Elisabeth von Magnus, Countertenor Terry Wey und Tenor Joshua Ellicott gesanglich überzeugen. Und natürlich lebt dieses Barock mit seinem klanglich-melodischen Reichtum in der Version des Concentus Musicus kontrastreich auf.

Nikolaus Harnoncourt schafft es, die Pracht von Purcells Ideen sowohl Drive einzuhauchen wie auch deren malerische Schattierungskunst zu evozieren. Hier ist keine Note beliebig, fast jede Passage orchestrales Glühen, dem auch kleine intonatorische Schicksalsschläge nicht wirklich etwas anhaben können. Und wie schließlich unter dem skeptischen Blick der Queen (Elizabeth-II-Porträt von Lucian Freud) die Lebensbildungsreise des Pärchens zu Ende geht, konnte das Masque-Experiment als interessant betrachtet werden – trotz manch szenischer Halbherzigkeit. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 23. 6. 2014)