Auch Leipzig feiert Richard Strauss

Frau ohne Schatten
Frau ohne Schatten© Oper Leipzig - Kirsten Nijhof
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Das Gewandhausorchester richtete einen Orchesterzyklus aus – mit einem straffen „Till“; Ulf Schirmer dirigierte in einer Neuproduktion die „Frau ohne Schatten“.

Ein Fest zum 150. Geburtstag von Richard Strauss in einer Stadt, in der Richard Wagner und Hanns Eisler geboren wurden, Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, Edvard Grieg, Gustav Mahler, Clara und Robert Schumann gewirkt haben? Das überrascht nur auf den ersten Blick. Denn Strauss verband einiges mit Leipzig: Im alten Gewandhaus trat er mehrmals als Dirigent auf – zuletzt im Juni 1926 bei einer ihm gewidmeten Woche, wo er auch einige seiner Opern dirigierte. Bereits fünf Jahre davor stellte der bedeutendste Kapellmeister in der Geschichte des Gewandhausorchesters, Arthur Nikisch, Strauss' symphonische Dichtungen in den Mittelpunkt seiner Programme. Eine Tradition, an die Ende der 1980er-Jahre einer seiner Nachfolger, Kurt Masur, anknüpfte.

Differenziert: Matthias Goerne

Da ist es nur folgerichtig, dass das Leipziger Orchester auch diese Saison einen Strauss-Zyklus ausrichtetet. Mit Kammermusik mit Mitgliedern des Klangkörpers, einem gefeierten Gastspiel der Wiener Philharmoniker unter Christoph Eschenbach und zwei eigenen symphonischen Konzerten. Darunter, zum Finale, das offizielle Geburtstagskonzert unter Leitung von Gewandhausorchester-Chef Riccardo Chailly. Im Mittelpunkt standen einige von Strauss' Orchesterliedern, beispielsweise Klopstocks „Das Rosenband“, „Ruhe, meine Seele“ nach Karl Friedrich Henckell und die brillante John-Henry-Mackay-Vertonung „Morgen“ – mit einem differenziert gestaltenden Matthias Goerne, der mehr auf die melodische Linie als auf Wortdeutlichkeit abzielte, was dem Orchester besondere Flexibilität abverlangte.

Größte Konzentration und Durchsichtigkeit bestimmte schon die Interpretation des Eingangsstücks, Strauss' „Don Quixote“, mit aus dem Orchester stammenden Solisten: dem eher unauffälligen Bratschisten Vicente Aucante und dem Cellisten Jürnjakob Timm, der damit nach jahrzehntelanger Zugehörigkeit zum Orchester seinen Abschied feierte. Wobei er seinen Part beredt auf dem Cello von Julius Klengel, seinem berühmtesten Vorgänger in der Funktion des Ersten Cellisten des Gewandhausorchesters, spielte. Am Ende des Abends stand eine sehr straffe, keineswegs nüchterne Darbietung des „Till Eulenspiegel“. Ein Vorgeschmack auf die Saison 2015/16: Da werden die „Leipziger“ unter Chailly in drei Konzerten im Wiener Musikverein die sechs Strauss-Tondichtungen kombiniert mit drei Mozart-Instrumentalkonzerten präsentieren. Man darf einiges erwarten.

Apropos Wien: Ulf Schirmer, seit der Maazel-Ära immer wieder an der Wiener Staatsoper, leitet mittlerweile als Intendant und GMD die Leipziger Oper. Eine, wie er unumwunden zugibt, schwierige Aufgabe: Das Wirken dieses Hauses war bisher überstrahlt von dem des gegenüberliegenden Gewandhauses. Das will er ändern. Nicht zuletzt mit Programmen, die das programmatische Konzept des Orchesters ergänzen und erweitern. Etwa mit dieser Neuproduktion der „Frau ohne Schatten“.

Dieses Stück hat Schirmer bereits in Paris und Berlin realisiert, in Leipzig präsentierte er es, mit dem auch hier exzellent aufspielenden Gewandhausorchester im Orchestergraben, beeindruckend weitbögig und spannend. Mit einer herausragenden Kaiserin (Simone Schneider), einem metallischen Kaiser (Burkhard Fritz) und einer auch schauspielerisch packenden Doris Soffel als Amme sowie Thomas J. Mayer und der etwas tremolierenden Jennifer Wilson als rollendeckendem Färberpaar.

„Leben ist Verwandlung“: So charakterisierte der am Leipziger Opernhaus debütierende frühere Künstlerische Leiter der Budapester Oper, Balázs Kovalik, seinen Regieansatz. Er lässt das Geschehen in mehr als einem Dutzend Bühnenbildern (Heike Scheele) ablaufen, die mit Palast-, Lagerhaus- oder schmuddeliger Chinatown-Atmosphäre konfrontieren, mit operettenhaften Anklängen oder einem schicksalsträchtigen Brückenambiente aufwarten und schließlich in einer Kinderwagenlandschaft plakativ ausklingen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2014)

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