„Figaro“, nicht optimal vorbereitet

FOTOPROBE THEATER AN DER WIEN: 'LE NOZZE DI FIGARO'
FOTOPROBE THEATER AN DER WIEN: 'LE NOZZE DI FIGARO'(c) APA/HERWIG PRAMMER/THEATER AN DE
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Schleppender Auftakt zu Harnoncourts Da-Ponte-Zyklus: starke Farben, aber auch Stolperer im Concentus Musicus – und teils enttäuschende Sänger. Wenige Lichtblicke? Ja.

Einhellige, wenn auch nicht übermäßig lange Begeisterung im Theater an der Wien nach „Le nozze di Figaro“, besonders für den 84-jährigen Maestro und sein Orchester: Nach der Absage durch den Regisseur Martin Kušej folgen als Ersatz für die geplatzte neue „Così“ in den nächsten Wochen unter Nikolaus Harnoncourt alle drei Da-Ponte-Opern Mozarts je zweimal konzertant. In völliger Konzentration auf die musikalische Deutung soll es so etwas wie die Krönung von Harnoncourts Befassung mit diesen Werken sein – und das erstmals mit dem Concentus Musicus, des Dirigenten zentraler Partner auf der Suche nach einem Mozart-Bild, das auf historischen Quellen fußt und doch in unserer Zeit verankert ist.

Wieder „Figaro“ also: Das weckt Erinnerungen an Salzburg 2006. Damals zeigte Harnoncourt mit den Wiener Philharmonikern und einem namhaften Ensemble, wie düster, lastend und schmerzlich das amouröse Verwirrspiel von Beaumarchais' „Tollem Tag“ gedeutet werden kann. In der Tempofrage beharrt er jedenfalls auf den Relationen, für die er schon lange vor seinem ersten „Figaro“ schriftlich plädiert hat: Der von Mozart notierte C-Takt statt eines Alla breve bildet die Basis, das Tempogefüge startet dadurch schon mit der Ouvertüre aus wesentlich gemessenerem Bereich als traditionell. Doch kein langsames Tempo ist so starr, als dass es sich nicht im Sinne plastischer Textausdeutung plötzlich beschleunigen könnte, jede Generalpause trägt eine Fermate, jeder Puls ist vom Drama abhängig.

Dergleichen war bekannt. In anderen Belangen überschreitet Harnoncourt jedoch das Bisherige. Da ist zunächst der Orchesterpart. Bewegten sich die Philharmoniker aus traditionellem Schönklang auf das rückhaltlos Expressive zu, strebt der Concentus quasi in Gegenrichtung auf rauen Wegen zu den Sternen, schärft alle Konturen und Farben, beißt und ächzt viel öfter, als er schmeichelt. Das ergibt ausdrucksvolle Effekte und holt sinnstiftende Details vor allem der Bläser ans Ohr, die im herkömmlichen Betrieb oft untergehen.

Ungewohnt hoher Sprechanteil

Und dann, vor allem, die Rezitative. In ihnen verlangt Harnoncourt nun im Einklang mit historischen Anweisungen Freiheit vom notierten Rhythmus und einen so hohen Sprechanteil wie nie zuvor bei Mozart. Das führt zu einer manchmal merkwürdigen Mischung aus pointenreichem Dialog und manierierten Dehnungen, ermöglicht aber die Umsetzung einer verblüffenden Idee: Elisabeth Kulman, der Partie eigentlich schon entwachsen, aber doch einer von wenigen vokalen Lichtblicken an diesem Abend, wechselt als charmanter Cherubino immer wieder zwischen männlich tiefer und notierter hoher Oktav und setzt so den Stimmbruch dieses pubertierenden Don Giovanni in spe wirkungsvoll in Klang um.

Wenige Lichtblicke? Ja. Jeder Zuwachs muss mit einem Rückgang bezahlt werden, das sagt Harnoncourts berühmte Knödeltheorie. Die Aufführung führte das schmerzlich vor Ohren. Der Concentus agierte nicht durchwegs mit der nötigen Konzentration; unsichere, über Gebühr verwackelte Stellen auch in Koordination mit den Solisten zeigten: Teil eins des anspruchsvollen Tripelprojekts wurde nicht optimal vorbereitet.

Zwei aus der Salzburger Besetzung sind wieder dabei: Bo Skovhus repetierte mit spröderem Klang sein insgesamt hoch profiliertes Porträt des Grafen, während Christine Schäfer, vom Cherubino zur Gräfin aufgestiegen, mit schweren Intonationsproblemen kämpfte, die sich hoffentlich bis zur Donna Anna legen. Daneben sind vor allem Junge am Werk: Mari Eriksmoen wirkte als hellstimmig-brave Susanna stärker als der sympathische Andrè Schuen, der zwar einen angenehmen Bariton hören ließ, aber als Figaro zumindest in konzertantem Rahmen zu leichtgewichtig anmutete. Daneben fuhr Ildikó Raimondi als komische, aber koloraturensichere Marcellina elegante stimmliche Krallen aus: ein allzu divergierendes Ensemble.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2014)

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