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Nikolaus Harnoncourt dirigiert Mozart.

Foto: APA/Prammer

Wien - Hurtig und flott wird die Ouvertüre zu Mozarts Le nozze di Figaro normalerweise angelegt - auch Nikolaus Harnoncourt hat sie schon so dirigiert. Diesmal aber ist alles nochmals ganz anders. Wie mit einem flüsternden Seufzer, einem leichten Zittern setzt die Musik zum Auftakt des aktuellen Mozart-Zyklus im Theater an der Wien ein. Bei weitem kein Presto, viel eher ein galantes "singendes Allegro", das freilich bereits alle Gefühlszustände durchlebt und beredt davon erzählt. Über den ganzen Abend erscheint vieles nochmals in völlig neuem Licht - auch wenn man jeden Ton der Partitur bereits zu kennen meint.

Abermals zwingt Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus Wien zum Zuhören: mit einer vollkommenen Durchgestaltung jeder Phrase und Begleitfigur, mit durchdachter und durchfühlter Artikulation noch der kleinsten Geste, so dass es kaum zu glauben ist, wie das alles derart genau geprobt werden konnte, um dann doch auch noch spontan musiziert zu wirken. Und er zwingt zum Zuhören, indem er dem, was ihm bedeutungsvoll erscheint, Zeit gibt: Zeit zum Hervorheben motivischer Details und vieler Stellen innerhalb von Phrasen, Zeit auch zum Innehalten und Nachlauschen oder um aufmerksam zu warten, wie die Spannung sich löst. Und natürlich kommen dabei Dinge zum Vorschein, die sonst untergehen, etwa wenn Text und Musik Optimismus ausstrahlen - und sich plötzlich wieder ein Motiv hereinschleicht, das zuvor bedrohlich gewirkt hat.

Die Aufführungen der drei Da-Ponte-Opern sind konzertant mit szenischen Andeutungen, aber dank der Rollenarbeit - nein, der tiefen Auseinandersetzung mit den Charakteren und mit dem, was zwischen ihnen geschieht - weitaus plastischer und suggestiver als manche gängige Inszenierung. Perfektion ist schon im Orchester kein Wert, dem jemals der Vorrang vor Authentizität gegeben wird - und das scheint auch bei der Wahl der Sängerinnen und Sänger ein Prinzip gewesen zu sein. So steht der souveräne Bo Skovhus, der als Einziger seinen Part (den Grafen) ohne Noten singt, Christine Schäfer als Gräfin gegenüber, die nicht jede Zeile der mit größter Akribie gestalteten Rezitative gleichermaßen verinnerlicht hat. Ihre Stimme wirkt etwas gefährdet, aber mit Emphase macht sie aus ihren Arien große Dramen.

Das junge Paar Susanna (Mari Eriksmoen) und Figaro (Andrè Schuen) sprüht nicht nur vor Spiellust, sondern wechselt fulminant zwischen Natürlichkeit und Verstellung, was die beiden auch hörbar machen. Christina Gansch (Barbarina) zeigt neben komödiantischem Potenzial eine Stimme, die sie für größere Partien prädestiniert.

Bei Ildikó Raimondi (Marcellina), Peter Kálmán (Bartolo/Antonio) sowie Mauro Peter (Basilio / Don Curzio) steht der Gesang im Dienst hinreißender Rollenprofile. Als mutierender Cherubino zeigt Elisabeth Kulman, wie sich Charakterdarstellung und vokale Vollendung verbinden lassen. (Daniel Ender, DER STANDARD, 8.3.2014)