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Oper
"Rosenkavalier" mit Hollywoodflair

Die Idee, den studierten Sänger und Wiener Hollywoodschauspieler Christoph Waltz den "Rosenkavalier" inszenieren zu lassen, war vielversprechend. Doch seine Version der musikalischen Komödie kann die Erwartungen trotz inniger, hoch konzentrierter Momente nicht erfüllen.

Von Christoph Schmitz | 16.12.2013
    Nicht, wie dieser "Rosenkavalier" in Antwerpen klingen würde, war die Hauptfrage vor der Premiere und zu Beginn der Aufführung, sondern, was Christoph Waltz als Regisseur aus dieser musikalischen Komödie im Wien des 18. Jahrhunderts machen würde.
    Die Idee, Waltz inszenieren zu lassen, war blendend.
    Der leidenschaftliche Wiener, der studierte Sänger, der erfahrene Schauspieler und polyglotte Weltstar musste einfach mit der vielsprachigen Musik von Strauss, ihrer ironisierten Walzerseligkeit und dem Geplauder der Verwechslungskomödie etwas anfangen können. Und tatsächlich setzt Waltz auf Geplauder, auf Konversation. Das heißt: Die weise Feldmarschallin und ihr Geliebter Oktavian, der überhebliche Bauerntölpel Baron Ochs auf Lerchenau und Sophie seine Zukünftige - sie nehmen Platz auf den stilisierten Barocksofas ihrer stilisierten Barocksalons und plaudern. Unweigerlich muss man an die an Spannung kaum zu überbietende Konversation denken, die Christoph Waltz weltberühmt gemacht hat. Wenn er nämlich am Anfang von Tarantinos "Inglourious Basterds" als NS-Standartenführer und sogenannter "Judenjäger" Hans Landa bei einem französischen Bauern am Küchentisch sitzt, und wenn er dort im schönsten Französisch, freundlich, kultiviert und zunehmend eiskalt den Mann rhetorisch in die Ecke drängt und am Ende killt. Um die böse Intelligenz zu entlarven, braucht Waltz keine Bewegung, nur die Wörter. Und so macht er es auch bei seinem "Rosenkavalier". Er vertraut ganz und gar auf die Dynamik von Hugo von Hofmannsthals Libretto. Dann entstehen mitunter schöne, innige, hoch konzentrierte Momente. Vor allem wenn Maria Bengtsson als Feldmarschallin ihre Melancholie angesichts des Alterns und der verrinnenden Zeit ins Geschnatter der Gegenwart gießt. Von seidigem Glanz ist ihr schlanker Sopran, der fast noch zu jugendlich ist für den Alterskummer der Fürstin.
    "Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie."
    Maria Bengtsson erarbeitet auch zusammen mit Stella Doufexis als Octavian und Christiane Karg als Sophie sehr intensive Szenen. Die verhaltene Personenführung des Regisseurs, seine Konzentration auf nur wenige Gesten trägt dazu bei. Und da die grauen Kassettenwände und die nüchterne Lichtdecke nicht viel zum Gucken bieten, wird man einmal mehr auf ein Kammerspiel zurückgeworfen. Einen Sog entwickelt das insgesamt aber nicht. Die szenische Abrüstung visiert keinen Minimalismus an, der den Zusammenprall der Psychen umso sichtbarer gemacht hätte. Alles bleibt recht bieder und konventionell, wie auch Albert Pesendorfer als Baron Ochs gut klingt, das Ekelpaket aber doch recht harmlos erscheinen lässt.
    "Da gibt es welche, die wollen beschlichen sein, sanft, wie der Wind das frischgemähte Heu beschleicht. Und welche – da gilt’s, wie ein Luchs hinterm Rücken heran und den Melkstuhl gepackt, dass sie taumelt und hinschlägt! Muss halt ein Heu in der Nähe dabei sein."
    Vielleicht wäre die Szene nicht so langweilig, wenn Dmitri Jurowski als Dirigent die hochkomplexe Partitur subtiler angehen würde. Aber er lässt viel zu laut spielen, die Sänger sind oft nicht mehr zu hören, grob und kantig klingt es, elegant und ironisch selten. Als tanzte ein russischer Bär im Wiener Wald. Die hohen Erwartungen werden in Antwerpen leider nicht erfüllt. Schade.