Der Tod als lang ersehnter Tröster

Der Tod als lang ersehnter Tröster
Der Tod als lang ersehnter Tröster(c) Clemens Fabry
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Viktor Ullmanns „Der Kaiser von Atlantis“: packend musiziert im Theater an der Wien.

Welche Entwicklung Viktor Ullmann genommen hätte, lässt sich nur erahnen. Denn der 1898 in Nordmähren geborene Komponist musste im Oktober 1944 in Auschwitz sein Leben lassen. Zwei Jahre zuvor war er bereits in das KZ Theresienstadt deportiert worden. Dort ist eines seiner erschütterndsten Werke entstanden: das Spiel in einem Akt, „Der Kaiser von Atlantis oder Die Todverweigerung“.

Ein Glück, dass er die Partitur einem Mithäftling überließ. Doch es sollte noch über 30 Jahre dauern, bis das Werk 1975 in Amsterdam uraufgeführt wurde. Unter den folgenden Produktionen erregte eine Inszenierung 1987 in der Wiener Kammeroper von George Tabori besondere internationale Aufmerksamkeit.

Eine gute Idee, an diese Tradition anzuknüpfen und dieses packende, zwischen Lehrstück und Revue changierende Musiktheater auch mit einem Mitglied des aktuellen Kammeroper-Ensembles (Çiğdem Soyarslan als Bubikopf) aufzuführen. Diesmal entschied man sich freilich für eine konzertante Aufführung – im Bühnenbild der gerade laufenden szenischen Produktion „A Harlot's Progress“. Denn mit Ausgeliefertsein und Unterdrückung finden sich auch in dieser einige der Themen von Ullmann, der die eigenen Erfahrungen in den Konzentrationslagern auf einer bewusst metaphysischen Ebene reflektiert.

Klar artikulierende Sänger

Im Mittelpunkt der sechs Szenen steht ein nie sichtbarer, sich feig im Hintergrund haltender Kaiser, der miterleben muss, wie entgegen seinen minuziösen Anordnungen keiner der Soldaten, die er gern zu kriegstauglichen Rohstoffen weiterverarbeitet hätte, sterben kann. Erst als er sich selbst dem Tod als Opfer hingibt, hat dieser Spuk ein Ende. Eine Parabel über Macht und Vergänglichkeit, über Lust und Leid, die von der Hoffnung auf Wiedergeburt kündet, bei der der Tod zur tröstenden Instanz wird. Und in der aktuelle Geschichte stark mitschwingt: etwa in dem Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg provozierenden Trommler oder in der Figur des diktatorischen Kaisers Overall, dessen Lautsprecherdiktion unmissverständlich Hitler abgelauscht ist.

Dieses Musiktheater wirkt auch konzertant. Das zeigte sich im Theater an der Wien dank klar artikulierender Sängerpersönlichkeiten wie Lars Woldt (in der Doppelrolle Lautsprecher/Tod), Johannes Chum (Harlekin und Soldat) sowie Ann-Beth Solvang (Trommler). Sie fanden im souverän aufspielenden Israel Chamber Orchestra unter der animierenden Leitung von Roberto Paternostro entsprechende Mitkombattanten. Die hier besser gefielen als beim Entrée des Abends: Bei der Mahler-Liederauswahl (mit dem kultiviert artikulierenden Nikolay Borchey als Solisten) mangelte es Dirigent und Orchester vielfach an Subtilität, Noblesse und rhythmischer Finesse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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