Rosenkavalier: Geradezu wienerischer Klang in Klagenfurt

Draufgängerisch, aber auch zu Gefühlen imstande: Angela Brower als Octavian mit Golda Schultz als Sophie.
Draufgängerisch, aber auch zu Gefühlen imstande: Angela Brower als Octavian mit Golda Schultz als Sophie.(c) Stadttheater Klagenfurt/Christian Kaufmann
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Die Strauss-Oper eröffnete die Saison - und kann sich sehen und hören lassen. Das Kärntner Sinfonieorchester bringt eine Höchstleistung; Regisseur Štormann respektiert die Aufführungstradition kundig; das Frauenterzett singt exquisit.

Die riesige Richard-Strauss-Orchester-Opulenz im intimen Klagenfurter Stadttheater? Und dies erstmals seit nicht weniger als 30 Jahren, wie soll das gehen? Als heimischer Opernfreund konnte man bereits im Vorfeld der Premiere nur halsbrecherischen Mut zum Risiko konstatieren, doch dieser machte sich am Premierenabend mehr als nur bezahlt. Wackelte das Orchestervorspiel zu Beginn rhythmisch noch einigermaßen, gelang es dem Chefdirigenten des Hauses, Alexander Soddy, sein Kärntner Sinfonieorchester im Lauf des Abends zu einer veritablen Höchstleistung anzuspornen. Wann war hierorts je ein so süßer, inniger, geradezu wienerischer Streicherklang zu hören gewesen, angereichert mit idiomatisch punktgenau getroffener Walzerrhythmik? Und auch jene von Adorno einst so sensibel beschriebene „weiche Luft der Entsagung, die dunstig alle abendschweren Konturen rings vergoldet“, wurde aus dem Orchestergraben eindrucksvoll zu herbstlich gefärbten Abschiedsklängen gestaltet.

Zu dieser nuancenreichen orchestralen Exegese kam ein sowohl stimmlich wie auch darstellerisch exquisites, junges angelsächsisches Frauenterzett auf der Bühne: Betsy Horne gestaltet mit ihrem modulationsfähigen, hellen Sopran die Wandlung der Marschallin von der schwärmerischen verliebten Rokoko-Fürstin zur weisen und doch bitter enttäuschten Frau in plastischer Anschaulichkeit, Angela Brower gibt einen temperamentvollen, draufgängerischen und burschikosen Octavian, dem jedoch auch tief empfundene Gefühle eindrucksvoll zu Gebote stehen, und Golda Schultz kann mit ihrem glockenreinen, mädchenhaft-silbrigen Sopran und ihrer frischen, spontanen Ausstrahlung als veritable Idealbesetzung für die Sophie gelten – im finalen Terzett verschmolzen diese drei kostbaren Stimmen zu einer warm strömenden, luxurierenden Einheit weiblicher Gesangskunst.

Michael Eder, der einzige gebürtige Wiener in dieser Produktion, wirkt als Baron Ochs auf Lerchenau im ersten Akt anfangs ein wenig angestrengt und noch nicht wirklich „freigesungen“, läuft aber im seiner „Leibliedl“-Szene und im Schlussbild zu vokaler und komödiantischer Hochform auf, man glaubt ihm nicht nur den derb-rustikalen Mariandl-Grapscher, sondern auch den großzügigen österreichischen Edelmann, dem es „quasi doch noch gelingt, sein dignité zu wahren und eine Standsperson zu bleiben“. Tadellos das verbleibende Sängerensemble. Eine Wohltat ist es, dass Regisseur Marco Štorman die lieb gewonnenen Vorgaben der hierzulande überaus dichten Aufführungstradition kundig respektiert, ohne in eine hohle Stilkopie zu verfallen.

Amor statt des Mohrenknaben

Komplementär zu den historischen Interieurs erscheint mittels der Drehbühne stets eine Waldszenerie im Hinter- bzw. im Vordergrund, die träumerische Sehnsüchte und unzivilisierte Natur der hochartifiziellen (Seelen-)Innenwelt der eigentlichen Handlung gegenüberstellt. Dies geschieht jedoch nicht mit dem ideologischen Holzhammer, sondern diskret und wohlüberlegt. Der Mohrenknabe Mohammed wird durch einen Jüngling mit Amor-Merkmalen und nacktem Oberkörper ersetzt, der die ganze Aufführung hindurch, diese symbolisch deutend, präsent bleibt. Darüber mag man geteilter Meinung sein, doch es ist ein berührender Moment, wenn dieser Amor am Schluss dieser vom Publikum vollkommen zu Recht heftig akklamierten Aufführung die Marschallin durch eine tröstende Umarmung vor der drohenden Verzweiflung bewahrt. Chapeau!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2013)

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