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Ein Maskenball (Un ballo in maschera)  

Oper in drei Akten (1859)
Text von Antonio Somma nach einem Libretto von Augustin Eugène Scribe
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 45 Minuten (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Hannover am 14. September 2013



Staatsoper Hannover
(Homepage)

Mit den Clowns kamen die Mörder

Von Bernd Stopka / Fotos von Thomas M. Jauk

Mit Giuseppe Verdis Oper Ein Maskenball hat das Staatstheater Hannover die Opernsaison eröffnet und erinnert damit auch an den zweihundertsten Geburtstag des Komponisten am 10. Oktober diesen Jahres. Zuständiger Regisseur für Jubilare ist in Hannover Olivier Tambosi, der zum Ende der letzten Spielzeit die Meistersinger von Nürnberg des Komponisten- und Jubiläumskollegen Richard Wagner in Szene gesetzt hatte.

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Renato (Stefan Adam), Riccardo (Rafel Rojas)

Tambosi hat sich sowohl vom Titel als auch von der Figur des Pagen Oscar, der immer wieder als leichtfüßig-komisches Element durch die Szene und die Partitur huscht, zu seinem Regiekonzept inspirieren lassen und lässt die Geschichte im Stil der Commedia dell’arte spielen. Dabei mischt er Komödie mit Tragödie genauso wie Zeiten und Räume. Das Einheitsbühnenbild von Bengt Gomér zeigt im Hintergrund den Zuschauerraum eines historischen Logentheaters. Das unbestuhlte Parkett ist die Spielfläche, die mit wenigen Requisiten und reizvollen Beleuchtungsvarianten die verschiedenen Szenenbilder andeutet, in die auch die Logen als Auftrittsorte einbezogen werden. Diese Ideen sind nicht neu, aber bühnenwirksam und unterhaltungseffektiv zumal Carla Caminati eine vielfältige Kostümorgie feiert. Klassische Commedia dell’arte-Kostüme, moderne Clowns, archetypische Theaterkostüme, Straßenanzüge und große Roben sind symbolträchtig nebeneinander zu sehen.

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Silvano (Francis Bouyer),  Riccardo (Rafael Rojas), Oscar (Heather Engebretson), Renato (Stefan Adam), Chor

Zum Vorspiel wird ein Mordversuch komödiantisch dargestellt. Oscar ist eine junge Frau, die  aus Riccardos Bett schlüpft und sich in eine Mischung aus Nummerngirl und Page verwandelt. Riccardo erscheint als Pantalone, Renato im heutigen Geschäftsanzug. Ebenso der Richter, der von den allgegenwärtigen Clowns in einen Harlekin zwangsverkleidet wird. Amelia und Ulrica tragen die gleichen schwarzen Rüschenroben und die gleichen Frisuren, nur dass Ulrikas Gesicht als Totenkopf geschminkt ist. Einen ganz starken Eindruck macht die erste Begegnung der beiden, bei der sie wie zwei schwarze Galgenvögel umeinander herumschleichen. Wenn die Wahrsagerin der unglücklich Liebenden ihren Rat gibt, überreicht sie ihr auch drei weiße Bommeln eines Clownskostüms, die Amelia sich entsprechend ansteckt. So als hieße der Rat „Nimm dich mal nicht so ernst und lach mal wieder.“ Zu Riccardos Seemannsarie tanzt ein den Text bebilderndes Ballet der Clowns und nachdem er, trotz seiner dem Kindertheater entsprungenen Kapitänsverkleidung, erkannt wird, feiert ihn sein Volk mit Jubel und Glitterregen, der in der sich unmittelbar anschließenden Galgenbergszene zum librettoverlangten Schnee wird (sehr gut: Die raschen, den musikalischen Fluss nicht unterbrechenden Szenenwechsel). Das Hochgericht wird durch zwei schwarze Särge angedeutet. An einem leidet ein Pierrot vor sich hin, am anderen liegt Ulrica, in deren Gesicht Amelia blickt, wenn sie ihre Vision eines Totenschädels besingt. Riccardo erscheint als Pierrot und so ergibt sich eine Doppellung, die darin gipfelt, dass Riccardo Ulrica und Amelia den anderen Pierrot im Arm hält. Dass aus den sich beim Auftritt der Verschwörer öffnenden Särgen Clowns mit Maschinenpistolen aus Plastik entsteigen, ist nicht wirklich komisch.

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Amelia (Brigitte Hahn), Statist

Ab hier treten die Clowns nur noch sporadisch oder als stille Beobachter auf. Werden vorher einige sehr eindrucks- und stimmungsvolle Momente durch Clownsgehoppel konterkariert, lässt Tambosi zum Ende hin der Emotionalität  auf der Bühne ungestörte Entfaltungsmöglichkeiten. Die stärksten Eindrücke hinterlassen dann auch die hochemotionalen Szenen zwischen Renato und Amelia, zu denen der Regisseur den  Sängerdarstellern mit dezenten, aber effektiven regielichen Hilfestellungen viel Raum zur intensiven Gestaltung gibt. Ganz klassisch inszeniert er den Fortgang der Geschichte, es gibt eine realistische Losszene und unter blendend auffahrenden Scheinwerfern feiert man ein  farbenprächtiges Kostümfest, das mit dem Mord an Riccardo jäh endet: Die Vorhänge fallen und die Hinterbühne im Probenlicht wird sichtbar. Wurde hier aus Spiel Ernst? Wird hier die kalte, grausame Wahrheit hinter den ansonsten undurchschaubaren Masken der Menschen sichtbar? Ist Ulrica nur das zweite Ich der Amelia? Wird hier vielleicht sogar der Untergang einer Theatertruppe durch Intrigen erzählt? Oder rächt sich hier die Vermischung von Politik und Unterhaltung?  Viele Ideen zur Interpretation – eher durch das Programmheft als durch  die Bühne angeregt – schwirren durch den Kopf, aber keine kann sich wirklich an einem konsequent durchgezogenen roten Faden festhalten.

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Oscar (Heather Engebretson), Statist

Wenn die ganze Oper als Maskenspiel inszeniert wird, verpufft der Effekt des den Titel gebenden Maskenballs im Finale. Wenn die meisten tragischen Szenen durch eher alberne als komische Clownerien gebrochen werden, verdirbt das die feinsinnige Komik, die die Figur des Oscar in diese ansonsten ernste, ja tragische Oper bringt. Stellt man Riccardo als Pantalone (reich/mächtig, aber unattraktiv und alt) dar, erscheint die unglückliche Liebe Amelias zu ihm unglaubwürdig und damit wird die ganze Geschichte ad absurdum geführt. Nun ist diese Oper zwar kein Musterbeispiel für philosophischen Tiefgang, besticht aber durch ihre Emotionalität – und die wird hier intensiv ausgekostet. Dafür ist man dankbar – genauso wie für viele Details, die im heutigen Regietheater sonst gern verweigert werden – und fühlt sich von allem anderen zumindest gut unterhalten, nicht geärgert und nicht provoziert.

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Samuel (Shavleg Armasi), Renato (Stefan Adam), Tom (Daniel Eggert)

Rundum kann die musikalische Seite überzeugen. Allen voran das Dirigat von Mark Rohde, das gleich  mit dem Beginn des Vorspiels aufhorchen lässt: Mit den wenigen Tönen der ersten Takte entsteht eine Spannung und Atmosphäre, die den Zuhörer unmittelbar in den musikalischen Bann dieser Oper zieht und bis zum Schlussakkord nicht mehr loslässt. Das bewirkt einerseits der große Bogen, den der Dirigent über den ganzen Abend spannt, andererseits ist es das Ergebnis ausgesprochen exakt gearbeiteter Feinarbeit, die das gut disponierte Orchester mit Präzision und Engagement zum Klingen bringt. Brigitte Hahns sicher geführter Sopran mit exakten Spitzentönen und samtiger Tiefe fasziniert und bewegt insbesondere durch die Intensität der gestalterischen Ausdruckskraft. Rafael Rojas lässt einen kraftvollen, aber nicht kraftprotzenden, echten Verdi-Tenor mit Strahlkraft und angenehmem Timbre hören und kann auch den hier als Vecchio dargestellten Riccardo überzeugend gestalten.

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Ulrica (Julie-Marie Sundal), Damenchor

Stefan Adam greift in die schier unerschöpflichen Vorräte seiner stimmlichen Darstellungsfähigkeiten. Mit üppig strömender, edler Stimmkraft gestaltet er den besorgten, herzlichen und zum Helfen entschlossenen Vertrauten genauso überzeugend wie den sich betrogen und hintergangen fühlenden Ehemann und Freund mit tiefem Schmerz und kalter Wut. Das geht unter die Haut und da darf auch mal ein Ton wegbrechen. Julie-Marie Sundal singt mit hoher Stimmkultur eine herrlich dämonische Ulrica in unheimlichen Farben ohne dabei ins Effektheischen abzugleiten. Heather Engebretsons höchst beweglicher, koloraturfreudiger Sopran verleiht dem Oscar die gewünschte Lebendigkeit und Leichtigkeit. Shavleg Armasi setzt als Samuel mit dem Spottlied einen kurzen aber prägnanten Höhepunkt und ist ebenso wie Daniel Eggert als Tom ein eindrucksvoller Verschwörer. Gleichermaßen prachtvoll wie kultiviert klingt der von Dan Ratiu präzise einstudierte Chor.


FAZIT

Ein Opernabend auf musikalisch und sängerisch hohem Niveau. Szenisch schwankt die Produktion zwischen dem Versuch, intensiv-eindringlich, farbenprächtig-unterhaltsam und seltsam unkomisch im komisch (oder auch nicht…) sein zu wollen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mark Rohde

Inszenierung
Olivier Tambosi

Bühne
Bengt Gomér

Kostüme
Carla Caminati

Chor
Dan Ratiu

Choreographie
Grazyna Przybylska-
Angermann

Licht
Claus Ackenhausen

Dramaturgie
Klaus Angermann


 

Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover

Chor der
Staatsoper Hannover

Statisterie der
Staatsoper Hannover

Solisten

Riccardo
Rafael Rojas

Renato
Stefan Adam

Amelia
Brigitte Hahn

Ulrica
Julie-Marie Sundal

Oscar
Heather Engebretson

Silvano
Francis Bouyer

Samuel
Shavleg Armasi

Tom
Daniel Eggert

Richter/
Diener Amelias
Gevorg Hakobjan




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
(Homepage)




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