"La Bohème": Großer Gefühlssteinbruch

Bohme Grosser Gefuehlssteinbruch
Bohme Grosser Gefuehlssteinbruch(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Opernfestspiele Margarethen: Puccinis Kammerspiel auf großer Freiluftbühne? Robert Dornhelm behilft sich mit Projektionen.

La Bohème“ hat ein Problem: Giacomo Puccinis Oper über die großen Gefühle kleiner Leute ist einfach zu beliebt. Weshalb sie unweigerlich früher oder später auf dem Radar der Opernfestspiele St.Margarethen erschien. Mit dem einschlägig erfahrenen Robert Dornhelm war auch der scheinbar passende Regisseur gefunden. Doch selbst mit redlichem Bemühen konnte Dornhelm über eines nicht hinwegtäuschen: dass die phänomenale Naturbühne des Römersteinbruchs zwar das ideale Setting für die passgenaue pyrotechnische Begleitung zum Schluss von Akt zwei ist, nicht aber für das intime Kammerspiel rund herum.

Letztlich war es sogar gerade das Bemühen des Regisseurs, das diese, nennen wir es räumliche Dissonanz noch deutlicher hervortreten ließ. Viel Personal ist bei „La Bohème“ ja selten vorgesehen, das Publikum wird also mit den Margarethen-gemäßen Massenszenen nicht überversorgt. Stattdessen werden die Protagonisten – zu Anfang noch behutsam, mit Fortdauer der Handlung aber immer aufdringlicher – per Videogroßprojektion noch einmal auf den Fels gedoppelt. Ja, natürlich geschieht das auch, damit man auf den hinteren Sitzreihen nicht verpasst, wie Mimi die Kerze ausbläst, um sich von ihrem Nachbarn Rodolfo Feuer holen zu können. Fragwürdig bleibt es trotzdem, es wirkt fast so, als hätte das Leading Team der emotionalen Kraft dieser Oper misstraut. Gerade die berührendsten Momente, vor allem die Sterbeszene, werden durch die Projektion geradezu ins Großformat banalisiert. Gut gemeint.

Die gleiche Herausforderung stellt sich musikalisch: Die Feinheiten der Partitur dürfen sich nicht in den burgenländischen Nachthimmel verflüchtigten, im Gegenzug wäre es fatal, alles mit Pathos zuzukleistern. Alfred Eschwé gelingt der Balanceakt glänzend, selten sind an diesem Ort so subtil ausgehörte Passagen den Lautsprechern entströmt. Und er schafft auch noch das Kunststück, das Geschehen auf der (von Manfred Waba geschickt konzipierten) Bühne und im abseits gelegenen Orchesterbereich wirklich synchron zu halten.

Ein stimmlich überzeugender Jahrgang

Einen verlässlicheren Partner hätte sich das Sängerensemble nicht wünschen können. Merunas Vitulskis führt seinen angenehmen Tenor sicher und kraftvoll durch die Partie, kann die Stimme in der Höhe schön aufblenden, lediglich das Piano wirkt noch ausbaufähig. Die Kanadierin Marianne Fiset ist stimmlich vielleicht nicht die ideale Mimi, dazu fehlt es ihrem Sopran (noch) an Weichheit und Feinheit. Auch etwas mehr Arbeit an der Textdeutlichkeit wäre wohl kein Fehler. Durchwegs ansprechend das Trio Marcello (Josef Wagner), Schaunard (Gabriele Nani), und Colline (Günes Gürle), sowie Siphiwe McKenzie, deren angeschärfter Sopran mit ihrer spitzen Darstellung der Musetta harmonierte. In der Premierenbesetzung ein stimmlich überzeugendes Margarethen-Jahr. 2014 ist eine Neuauflage von Verdis „Aida“ geplant. Eine ausgezeichnete Entscheidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.