Unruhe auf dem technisch fortschrittlichen Mond: Frau Luna (Julia Koci) und ihr intrigierender Untergebener Theophil (Boris Eder).

Foto: BARBARA PALFFY/VOLKSOPER

Wien - Langeweile ist wohl ihr Zweitname; unausgelastet herrscht Frau Luna jedenfalls auf ihrem Erdtrabanten, vertreibt sich die Zeit mit Zu- und Abnehmen. Zwar hätte sie nichts dagegen, von Kopf bis Fuß erforscht zu werden. Doch nicht von Prinz Sternschnuppe, der seit 2000 Jahren mit dem immer gleichen Liedkompliment um ihre Gunst wirbt. Auch nach weit mehr als 500 Rendezvous will er nicht einsehen, dass in Lunas Herzpalast für ihn nie eine Bleibe existieren wird.

Dann allerdings fliegt der - im konventionellen Sinne - arbeitsscheue Mechaniker Fritz Steppke herbei. Auf seinem "Mondomaten" (und mit Kumpanen) landet er im Reich der Langeweile und bringt als Präsent gehörige Unruhe mit. In der Hauptstadt des wilhelminischen Berlin warten zwar seine Marie und einige unbezahlte Mietsrechnungen.

Einen Visionär, einen Kolumbus des Weltraums ficht so etwas allerdings zunächst nicht an. Und was der Himmelskörper bietet, den Fritz kolonialisieren will, um die Berliner Wohnungsnot (um 1900) zu lindern, übertrifft dann auch alle Mechanikerträume. Da ist der technische Fortschritt, der auf Erden noch nicht geahnt wird. Da ist ein Ballett der Sternzeichen; goldige Waage, Skorpion und all die anderen astrologischen Charaktere sind hier real existierender Teil der Mondmonarchie. Wie auch jener Hofstaat, dessen Frisuren (Kostüme: Darin Kornysheva) viele Jahre später auf der Erde womöglich erst von einer lustigen Band, den Leningrad Cowboys, variiert werden sollten.

Da ist aber vor allem Luna, die zu Repräsentationszwecken gerne auf einer Mondsichel herabschwebt (Bühnenbild und Projektionen Sam Madwar) und sich - inspiriert von Fritz - ein privates wie auch geografisches Näherrücken von Mond und Erde vorstellen kann. Auch eine Art Revolution von oben deutet die Fantasyoperette von Paul Lincke an: Den Arbeitern mehr Freizeitluft, Verhandeln mit der Gewerkschaft - all die sozialen und politischen Umbrüche jener Operettenentstehungstage wären hier zu finden.

Regisseur Peter Lund nimmt die Themen dann allerdings nicht zum Anlass, bissige Politsatire zu inszenieren. Er versteht die Landung auf dem - als Raumschifffantasie des 19. Jahrhunderts angelegten - Mond als Berliner Besuch im wienerischen Revuereich der Gemütlichkeit und Dekadenz.

Es glitzert und glänzt

Also: Es berlinert, und es wienert. Es glitzert und glänzt. Es staut sich der schrille Kitsch auf der Bühne, als hätte man fünf Musicals geplündert, um ausreichend Ausstattung zu generieren. Doch in der Überladenheit geht die nett erzählte Geschichte dann nicht unter - auch da sich das filmische Element elegant in die Dramaturgie einfügt: Schon zu Beginn wird in einer Art Filmvorspann eine Reise vom Mond nach Berlin absolviert. Und wenn Prinz Sternschnuppe mit seinem Vehikel die Erde aufsucht, tut er dies mit lustigen Trickfilmmitteln.

Der Prinz (vokal glanzlos Thomas Paul) soll dabei Marie (solide Johanna Arrouas), die auf einer Parkbank auf ihren verschwundenen Fritz (respektabel Daniel Prohaska) wartet, auf den Mond bringen, damit sie ihn von der Annäherung an Luna (vokal kultiviert Julia Koci) ablenkt. Dies ist ganz im Sinne von Oberordnungshüter Theophil (erheiternd Boris Eder), der die Liasion Erde/Mond aus politischen Gründen torpediert, sich privat aber für seine vergessene Erdverlobte Mathilde (witzig Isabel Weicken) wiedererwärmt.

Dem soliden Komödientheater, das auch nur ein Fritz-Traum gewesen sein könnte, ist das Orchester unter Gerrit Prießnitz ein bisweilen allzu deftiger Begleiter. Auch wenn Linckes Musik in diese Richtung lockt, hätte es nicht so marschmäßig ballern müssen. Dafür hätte es im Sinne von Phrasierungseleganz und -poesie subtilerer Anstrengungen bedurft. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 10.6.2013)