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Musiktheater
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Tragedy of a Friendship

Musiktheater von Jan Fabre
Text von Stefan Hertmans
Musik von Moritz Eggert und Richard Wagner

In deutscher und englischer Sprache mit flämischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (keine Pause)

Premiere an der Vlaamse Opera in Antwerpen am 15. Mai 2013


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Vlaamse Opera
(Homepage)
Einmal von den Feen bis zum Parsifal

Von Joachim Lange / Fotos von Wonge Bergmann


Tragedy of a friendship steht oben drüber. Und vor allem Jan Fabre ist drin. Der flämische Allround-Künstler ist eine Größe, auf die man sich im zerstrittenen Belgien noch einigen kann. In der Verehrung oder Ablehnung. Er ist jedenfalls der bekannteste belgische Künstler.

Was an Musik in dieser, nach dem spektakulär gelungenen Parsifal von Tatjana Gürbaca (unsere Rezension) sich wiederum auf Richard Wagner beziehenden Neuproduktion der Flämischen Oper vorkommt, das sind originale, meist a capella beigesteuerte, eher populäre Wagnerhäppchen. So zwischen „Allmächtge Jungfrau…“ aus dem Tannhäuser  und dem „O sink hernieder…“ aus Tristan und Isolde. Den Rest füllt der sich unverkrampft auf den Überkomponisten einlassende, 1965 in Heidelberg geborene Moritz Eggert.


Vergrößerung in neuem Fenster Wagner und die Frauen

Die Tragödie einer Freundschaft, die den Titel des über drei pausenlose (!) Stunden währenden Abends beisteuert, bezieht sich natürlich nicht auf das Komponisten-Duo oder die Macher. Fabre war beim aus der Erschöpfung erwachsenden Schlussapplaus zwar nicht mit auf der Bühne. Das macht er aber auch sonst nicht. Dass Fabre, wie man hörte, am liebsten noch zur Generalprobe alles hätte platzen lassen, gehört wohl zum kreativen Ausnahmezustand, in den man gerät, wenn man sich monatelang mit den dreizehn unterschiedslos als „performer“ bezeichneten Künstlern (darunter zwei Sänger) außerhalb des Opernhaues auf eigenem Gelände von der Umwelt abschottet und sich auf einen kollektiven Wagner-Selbsterfahrungstripp begibt. Mit so intensiven Trainingseinheiten, dass es den Bauchmuskeln einiger Teilnehmer nicht gut bekommen sein soll. Der Titel bezieht sich natürlich auf das Verhältnis des Komponisten Richard Wagner zum Philosophen Friedrich Nietzsche. Es soll in dem von Stefan Hertmans in einer Mischung aus Deutsch und Englisch verfassten Libretto so eine Art dramaturgische Klammer für die frei assoziierende Szenenfolge sein. Was zwar nicht so tragend funktioniert, aber immerhin für etwas Abwechslung beim Ritt durch alle Wagneropern sorgt.


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Nixe und Wagnerheld – dazu eine Prise Holländer-Musik

Es geht nämlich – das ist der rote Faden – von den Feen bis zum Parsifal quer durch den ganzen Wagner. Was man nicht nur an den eingeblendeten Titeln, sondern vor allem an diversen Assoziations-Versatzstücken und an den musikalischen Markierungen erkennt. Als Zitat von Wagner, oder als Eggerts Bezug darauf. In einem ziemlich direkt wagnernden Vorspiel füllt er den Raum mit einem wogenden Orchesterschwall, in den sie dann alle eintauchen, plantschen oder auch mal Schaum schlagen. Erzeugt von Harmonium und Cello sowie dem exotisch wirkenden Theremin, was wie Wagner über Kurzwelle klingt. Den Orchesterpart hat das Symphonieorchester der Vlaamse Opera auf Band eingespielt. Ein Gesamtkunstwerk bei dem sich Moritz Eggert nicht nur Wagner, sondern Fabre untergeordnet hat.

Verglichen mit Helmut Oehrings Düsseldorfer SehnsuchtsMeer, das über einen seichten Holländer-Abklatsch nicht hinaus kam, sind Eggerts musikalischer Beitrag und das Gesamtresultat die originellere und radikalere Kunstanstrengung. Natürlich auch, was das  Verstörungspotenzial betrifft. Fabre bedient die Erwartungen an körperbetonte und grenzüberschreitende Performance, diesmal mit einer exzessiven Vaginafixierung. Einige Zuschauer ergreifen da die Flucht, manche lachen einfach, wenn es besonders dicke kommt. Wobei ohnehin Fabres Fan-Gemeinde reichlich vertreten war.


Vergrößerung in neuem Fenster Alberich (Mitte) verflucht den Ring (um seine Brust gebunden)

Neben den Kindergeburtstagsqualitäten mancher Spielszenen gelingen Fabre aber auch schön pointierende Bildparaphrasen auf einzelne Werke. Wie die a la Magritte von der Decke hängenden Fische als Hintergrund für die beiden Meeropern Holländer und Tristan. Im ersten torkeln Matrosen wie auf hoher See über die Bühne, während im zweiten Fall Tristan und Isolde an einer Kleiderstange hängen und sich bei der a capella riskierten herab sinkenden Nacht der Liebe aufeinander zu bewegen. Oder, wenn Elisabeths Gebet an die allmächtge Jungfrau der Sängerin wie als Ergebnis einer sexuellen Stimulierung entschlüpft und in Tüten aufgefangen wird. Das sind Bilder, die nachwirken. Andere können den Selbstzweck- oder zumindest Selbsterfahrungs-Verdacht nicht entkräften. Besonders, wenn Fabre den Über-Bieito gibt. Fleisch aus dem Rücken schneiden. Und essen. Oder ein Schwert durch die Scheide (der Frau versteht sich) ziehen (zu „Mein lieber Schwan“).


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Nietzsche und Wagner auf dem Gipfel (also an der Rampe)

Wenn mit dem Parsifal das Ende der Musik postuliert wird, kriechen Nietzsche und Wagner wie Bergsteiger am Boden. Der Platz an der Rampe ist der Gipfel, den sie erklimmen und von dem aus sie rufen. Das Echo antwortet auch. Vor Ort vom Rang. In der Vorstellung des Gesamtkunstwerkers Fabre vielleicht aus der Ewigkeit. Das letzte Wort haben kreischende Vögel. Womöglich sind es Wotans Raben.


FAZIT

Die Flämische Oper hat nicht nur einen phänomenalen Parsifal zum Wagnerjahr beigesteuert, sondern jetzt auch noch die ästhetische  Herausforderung einer Auseinandersetzung mit Richard Wagner und seinem Werk geliefert. Mit dem für  Jan Fabre üblichen Provokationspotenzial. Aber auch mit einem erfreulich von Wagner inspirierten und auf ihn „antwortenden“ musikalischen Beitrag des deutschen Komponisten Moritz Eggert. Der Abend ist nichts für schwache Nerven, aber er lohnt.  


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Produktionsteam

Konzept und Regie
Jan Fabre

Kostüme
Andrea Kränzlin

Licht
Jan Dekeyser

Video
Pablo Casella




Solisten

Nikolaus Barton
Annabella Chambon
Cédric Charrou
Hans Peter Janssens (Tenor)
Ivana Jozic
Gustav Koenigs
Silke Muys
Anne Maria Pajunen
Kurt Vandendrisschen
Lies Vandewege (Sopran)
Fabienne Joanne Vegt
Solène Weinachter



Weitere Informationen
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Vlaamse Opera



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