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Märchenstunde im GötterschlossVon Roberto Becker / Fotos: Oper Leipzig / Tom SchulzeNun bekommen sie doch noch ihren eigenen Nibelungen-Ring in Leipzig. Es sah ja lange Zeit nicht so aus. Peter Konwitschny hatte, als es noch Zeit gewesen wäre, einen zu planen, auf einen Gluck-Ring gesetzt. Und war damit gescheitert. Die Karten sind in Leipzig neu gemischt: Ulf Schirmer ist der offizielle Intendant und hat zumindest den Ring-Auftakt noch so rechtzeitig vor dem Wagner-Geburtstag über die Bühne gebracht, dass man das Rheingold als zentralen Jubiläumsbeitrag verkaufen kann. Außerdem hat man schon Wagners frühe Feen ausgegraben, lässt das Liebesverbot noch folgen. Selbst das Ballett ist mit zwei Beiträgen dabei. Ignoranz sieht anders aus. Alberich, Rheintöchter und "mythische Elemente"Dass es vor nicht allzu langer Zeit im benachbarten Chemnitz und in Dresden und gegenwärtig im auch nicht viel weiter entfernte Halle und Dessau aktuelle Nibelungen-Ringe gibt, war kein Argument gegen das Projekt. Bei einem Ring-Kraftakt geht es immer auch um ein kulturpolitisches und künstlerisches Statement. Das ist auch bei Leipziger Oper und dem Gewandhausorchesters nicht anders. Und darum, den Interpretationsdurchbruch, mit dem Joachim Herz in den 70er Jahren, noch vor Patrice Chereau in Bayreuth, in Leipzig Furore machte, eine Jahrhundert- und Gesellschaftswende später produktiv zu spiegeln. Das war damals recht groß gedacht. Wie der Ring selbst, den die lange Zeit das Leipziger Ensemble prägende (und heute noch als wache Beobachterin der Oper erhaltene) Sigrid Kehl damals als weithin sichtbaren Reif in die Höhe reckte. Vielleicht sind die Zeiten für die großen Ringe ja im doppelten Wortsinn vorbei. Wie dem auch sei. Wotan und Loge Der aktuelle Alberich hat sich jedenfalls ein Machtsymbol von eher bescheidener Größe geschmiedet. Doch er kann damit nicht nur die Nibelungen, sondern sogar Wotan erzittern lassen. Mit Loges Hilfe stiehlt er den Ring, um ihn kurz darauf den Riesen voll Verachtung vor die Füße zu werfen. Er hat keine Wahl, denn die lassen dem unsoliden Bauherrn den beabsichtigten Vertragsbruch bei der Bezahlung von Walhall nicht durchgehen. Und der unheimliche Auftritt der Urmutter Erda tut ein Übriges. Ob der Größenunterschied der Schmuckstücke zum Symbol fürs Ganze wird, lässt sich jetzt natürlich noch nicht sagen. Ob Rosamund Gilmore (Regie), Carl Friedrich Oberle (eindrucksvolle Einheitsbühne) und Nicola Reicher (Kostümopulenz) so etwas wie eine soziale Schichtung und gesellschaftliche Verbindlichkeit im Sinn haben, letztlich auch nicht. Immerhin würden die Götter mit ihrem Dresscode beim britischen Adel nicht auffallen. Die Riesen kommen herausgeputzt als neureiche Baumeister im gestreiften und karierten Anzug und mit Zylinder daher. Die Rheintöchter umweht ein Hauch von naiv romantischer Flowerpower. So absturzgefährdet wie Alberich aussieht, kann man fast schon verstehen, dass er sich den Riesengoldklumpen einfach schnappt, der hinter Glas in dem eckigen Treppenhausturm der verwitterten Schlossarchitektur aufbewahrt wird. GötterWie zu erwarten wird dann das Walhall-Modell, das an den berühmten Tatlin-Turm aus den Zeiten der russischen Avantgarde erinnert, in dieser ausgeraubten Nische aufgestellt. Eine Spielfläche zwischen diesen Schlossgemäuern reicht für alle Schauplätze. Da planscht erst Alberich mit den Rheintöchtern im Wasser. Nachdem das Wasser abgelassen wurde und dienstbare Geister alles trocken gewischt haben, mauscheln dort am schon verpackten Schreibtisch Loge, die Götter und die Riesen um den Preis für die leichtsinnig verpfändete Freia. Hier wird auch ein rhythmisches Nibelungentänzchen zum etwas mickrigen Verwandlungsgehämmere aus dem Graben aufgeführt. Schließlich wird hier auch geraubt und gemordet. Mit wechselnder Beleuchtung im Gewölbe obendrüber. Erst blau wie das Wasser, dann rot wie die Flammen in den Öfen der Schmiede. Schließlich leuchtet er wie ein Regenbogen. Dazwischen wuselt immer wieder ein Dutzend Tänzer herum. Mal wogend wie im Ganzkörperkondom verpackt, mal halbnackt, mal mit Rabenflügel oder Skelettteilen versehen. Der Programmzettel weist sie als mythische Elemente" aus. Nun ja. Damit zielt man inhaltlich dann doch eher aufs Märchenhafte. Und füllt formal jene Lücken, die eine allzu brave Personenführung lässt. Freia etwa hat hier kein Problem, am Ende einfach fröhlich mit ihrer Sippe die Treppe hinauf zu stiefeln. Und dass Wotan immer grimmig guckt und offenbar ein Wundproblem mit seiner Augenhöhle und offenbar kein Geld für die übliche Klappe hat, behauptet mehr, als es einlöst. Noch mehr mythische Elemente Hinzu kommt, dass der heillos überforderte (in anderen Rollen freilich als Stütze des Leipziger Ensembles bewährte) Tuomas Pursio auch stimmlich nur so tut, als wäre er der Herr im Hause. Der wendige Thomas Mohr kauft ihm da als Loge den Schneid ab. Die Nebengötter (Michael Kraus als Donner, James Allen Smith als Froh, Sandra Trattnigg als Freia, Karin Lovelius als Fricka), aber auch Fafner (James Moellenhof), Alberich (Jürgen Linn) und Mime (Dan Karlström) überzeugen als Ensemble. Der tatsächliche Chef der Oper Ulf Schirmer lässt es am Pult des Gewandhausorchesters vor allem richtig krachen, will den dick aufgetragenen Sound, ist nicht auf Details und Transparenz versessen. Daran könnte man sich berauschen, wenn man es gerade gegenwärtig nicht meistens so ganz anders und differenziert spannender demonstriert bekäme.
In Leipzig wurde das Rheingold bejubelt. Die zur Schau gestellte Begeisterung galt vor allem der Tatsache, dass die Oper in der Geburtsstadt Wagners sich nun auch in die zahlreichen Ring-Werkstätten einreiht. Für sich genommen boten die szenischen und musikalischen Lösungen Licht und Schatten. Die Qualität als Vorabend für ein Großprojekt lässt sich noch nicht abschätzen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Gewandhausorchester Leipzig
Wotan
Donner
Froh
Loge
Fasolt
Fafner
Alberich
Mime
Fricka
Freia
Erda
Woglinde
Wellgunde
Flosshilde
Mythische Elemente
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