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"Parsifal": Der Klang macht hier die Musik

Mit Wagners "Parsifal" eröffneten die Salzburger Osterfestspiele eine neue Ära: Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle wurden mit Recht gefeiert.

"Parsifal": Der Klang macht hier die Musik
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"Parsifal" ist anders. Richard Wagner hat sein letztes Werk dem Bayreuther Festspielhaus und seiner magischen Akustik einkomponiert. Nach dem Willen des Komponisten sollte das "Bühnenweihfestspiel" nur in Bayreuth aufgeführt werden dürfen. Bis zum Ablauf der Schutzfrist am 1. Jänner 1914 blieb dem auch so, aber schon eine Minute nach der damaligen Mitternacht rissen sich die Bühnen um das neu gewonnene Werk. Seitdem gilt: Die spezifische spirituelle Aura, die mystische Handlung um den rätselvollen Gral und seine verlebten Verwalter, die "offene Wunde" des Amfortas, den unverständigen "reinen Tor" Parsifal und die Begierden der Lust in Klingsors Zaubergarten, ist für Deutungen aller Art offen.

Die Osterfestspiele Salzburg sind auch anders. Seit Samstag haben Christian Thielemann und die von ihm geleitete Sächsische Staatskapelle Dresden die Oberhoheit über Herbert von Karajans exklusive Festspielgründung. Sie schlagen einen hörbar neuen Ton an. Im weiten Raum des Großen Festspielhauses, dem schieren Gegenteil des magischen Bayreuth, herrscht eine neue Zeit. Nicht mehr die offensive, schnittige, man könnte auch sagen: globale Brillanz der Berliner Philharmoniker lässt sich vernehmen, sondern ein warmer, seidiger, sehr oft überraschend wunderzart-leiser Opernton. Thielemanns "Parsifal" trumpft nicht auf, sondern forscht in die Tiefe des Klangs. Was er zutage fördert, sind mannigfache Details an "unerhörten" Klangwirkungen, Farbmischungen, Nuancierungen oft einer einzelnen Linie oder subtilster Wechselspiele, die die Raffinessen der Wagner’schen Instrumentierungskunst sagenhaft leuchten lassen. Das Orchester versteht sich, so gesehen, als Diener am Werk und am Willen seines Chefs - und rückt gerade dadurch in den Fokus feinnerviger Höraufmerksamkeit.

Auch Thielemann ist irgendwie anders. Vor allem im langen ersten Akt schlägt er ein nachgerade flottes Tempo an, nimmt den ausführlichen Erzählungen des Gurnemanz damit alle Schwere. Er redet durch die Musik, und Stephen Milling weiß das exzellent wortdeutlich zu beglaubigen. Der majestätische Aufmarsch der Gralsgesellschaft hat in allem Würde und Energie, nie blockhafte Wucht. Alles lebt und pulsiert.Keusche VerlockungÜberraschend, dass dann die Verlockungen des bösen Klingsor-Reichs sich seltsam keusch anhören, gebändigt und verhalten in der dramatischen Auseinandersetzung zwischen Kundry und Parsifal, in der der Unwissende von Kundrys Kuss "durch Mitleid wissend" wird, um dann dem Ideal der Ritterschaft zu neuem Leben zu verhelfen.

Michaela Schusters vokale Reize sind als Verführerin und Dienerin im Einzelnen durchaus sauber auf Linie, ihre Ausbrüche wirken aber nicht immer organisch. Da eilt dann Thielemann, dieser überragende Orchesterbegleiter, punktgenau zu Hilfe.

Bei Johan Bothas Parsifal ist so viel Fürsorge weniger vonnöten. Er singt die Rolle einigermaßen (bis auf den Schluss) mühelos, wenn auch nicht so geschmeidig, wie man dachte. Die Farbwerte seines Tenors sind, im Gegensatz zu seinem buntscheckigen Anzug, freilich sehr überschaubar, der Ausdruck ist eindimensional. Und vom steifen Spiel darf man sich nichts Erhellendes erwarten.

Umso heftiger, scheint’s, müssen alle anderen für ihn einspringen. Wenngleich: Was würde da in der Regie von Michael Schulz überhaupt gespielt? Alexander Polzin baute drei Räume: einen Plexiglassäulenwald, in dem weißer Nebel aufsteigt, wenn nach Wagner die Zeit zum Raum wird, eine gespiegelte Skulpturengalerie, die Klingsors Schloss in eine Art Glyptothek verwandelt, schließlich eine weiße Schräge, die als Eisscholle gedeutet werden soll: Frost für Frust?

Diese leere Staffage bleibenden Orte besiedelt der Regisseur mit futuristischen Knappen, Blumenmädchen mit Lackstiefeln und Corpsuniformen, versteinerten Lemuren, Kindern, Jugendlichen und einem Gnom als Begleiter. Natürlich fällt auch kein Schwan vom Himmel, den Parsifal widerrechtlich schießt, und nichts erinnert in der gesunden, großen Gestalt des famosen Wolfgang Koch als Amfortas an dessen ewige Wunde. Trägt er sie nur in der Seele? Noch gesünder, kraftvoll und schneidend ist Doppelrollenträger Koch als Klingsor.Der "neue Christus"Eine dornengekrönte Christusfigur wandelt pantomimisch durch alle Bilder, was die Grenze zum Kitsch mehr als nur streift. Nachdem sie erledigt ist, bekommt Kundry einen "neuen Mann", der aber nicht die Frau erlösen darf, sondern seine Rolle als "neuer Christus" erfüllen muss. Und das auch, wenn alle Gralsritter - famos und klangsinnlich volltönend sind die Chöre aus Dresden und München - nur mehr schwarze Figuren mit mechanisch puppenhaft bewegten Köpfen sind. Das Leben muss doch weitergehen! Oder wie?

Weihestimmung sollte natürlich nicht aufkommen, auch wenn Christian Thielemann den dritten Akt seltsam breit zelebriert und bei aller exzellenten Feinarbeit überdehnt. Aber so viel rätselloses Rätsel müsste denn nun auch wieder nicht sein.

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