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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen von Richard Wagner
Dichtung vom Komponisten

Aufführungsdauer: ca.  5 Stunden  (2 Pausen)

Premiere am 1. März 2013 im Großen Haus
des Südthüringischen Staatstheaters Meiningen


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Südthüringisches Staatstheater
Meiningen

(Homepage)

Die Krone für Tristan

Von Bernd Stopka / Fotos: Staatstheater Meiningen

Kaum eine Stadt lebt in so enger Verbundenheit mit seinem Theater wie das südthüringische Meiningen. Themenbezogene Stadtführungen, Ausstellungen zu Theater- und musikbezogenen Themen und viele Museen bieten dem Theaterbesucher auch tagsüber vielfältige und ausgesprochen reizvolle Möglichkeiten, sich im Thema bleibend zu beschäftigen.

Musikalische, familiäre und freundschaftliche Bindungen haben seit 1831 viele Größen der Musik- und Theatergeschichte in das kleine, aber reizvolle Städtchen gelockt – insbesondere nachdem Herzog Georg II von Sachsen-Meiningen das Theater 1866 übernahm und dort, später zusammen mit seiner dritten Ehefrau Ellen, Maßstäbe setzte. Zunächst nur auf das Schauspiel beschränkt, dann jedoch auch wieder mit grandiosen Opernaufführungen. Er führte Regie und entwarf Bühnenbilder, die die Gebrüder Brückner als führende Theatermaler ihrer Zeit dann ausführten. Im Meininger Theatermuseum hängen derzeit in einem historischen Bühnenbild auch gemalte Prospekte, die aus dem Jahr 1876 stammen, dem  Jahr, in dem Wagners Ring des Nibelungen  in Bayreuth uraufgeführt wurde – in Bühnenbildern, die auch von den Gebrüdern Brückner gemalt worden waren. Familiäre und freundschaftliche Verbindungen hatten Wagner nach Meiningen geführt und daraus entstand auch musikalisch eine enge Bindung zwischen Meiningen und Bayreuth, so spielten bei den ersten Bayreuther Festspielen 26 Musiker der Meininger Hofkapelle im Festspielorchester.


Foto
 folgtOben: Kurwenal (Dae-Hee Shin), Unten: Tristan (Andreas Schager), Isolde (Ursula Füri-Bernhard), Brangäne (Christina Khosrowi), Chor

Auch Meiningen legt zu Wagners 200. Geburtstag einen Schwerpunkt auf dessen Werke, neben zahlreichen Wagner-Konzerten finden sich Tannhäuser und das selten gespielte Frühwerk Das Liebesverbot auf dem Spielplan. Mit Wahnfried – Bilder einer Ehe von Reinhard Baumgart steht dieses in den 80er-Jahren eindrucksvoll verfilmte Stück erstmals als Schauspiel auf der Bühne. Eine Produktion, die sich vor allem an Wagner-Kenner richtet, die die Szenen aus seinem Leben einordnen können und sich mit den hier gezeigten Sichtweisen auseinandersetzen möchten. Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle Cosimas, ihr Beherrschtwerden von Wagner – und ihr Beherrschen Wagners… Über weite Strecken bleibt die Produktion eher spröde als spannungsreich, doch durch die Doppelung der Hauptfigur  erreicht Regisseur Jan Steinbach sehr eindrucksvolle Momente, besonders, wenn die greise Cosima das Verhalten der jungen Cosima altersweise, abgeklärt und zuweilen auch verklärt kommentiert.

Foto
 folgt   (Tristan (Andreas Schager), Isolde (Ursula Füri-Bernhard), Brangäne (Christina Khosrowi), Marke (Ernst Gartenauer)

Tristan und Isolde ist die Neuinszenierung eines Wagnerwerkes dieser Spielzeit. Regisseur Gerd Heinz, Bühnenbildner Rudolf Rischer und Kostümbildnerin Gera Graf lassen in realistischen,  romantischen Bildern wilde Leidenschaften toben. Ein Schiffsbug auf der Drehbühne bildet vor dem Hintergrundprospekt eines weiten Meeres die Szene des ersten Aktes. Der Beginn des zweiten Aktes zeigt eine verschleierte, blau-pastellfarbene Waldschneise, die in einen mondbeschienenen Meeresblick an einer Felsenküste überblendet wird. Zu Brangänes Wacht-Rufen schiebt sich langsam ein einfarbig blauer Vorhang vor die romantische Szene und wird mittels Projektion zu einem rasenden Sternenhimmel, in dem die Liebenden zu schweben scheinen. Zum Auftritt König Markes und seiner Jagdgesellschaft fällt der Vorhang brutal herunter und die Szene steht in blendendem, die Realität brutal ausleuchtendem Licht.
Vor einem Himmel, dessen Sonne eine große Wolke verdeckt, steht im dritten Akt ein riesiger archetypischer Baumstamm. Herbstlich gefärbtes Laub fällt zuweilen auf Tristans Krankenlager. Mit stufenartigen Absätzen des Bühnenbodens und einem stilisierten Brunnen im zweiten Akt mischen sich abstrahierende mit romantisch-realistischen Elementen. Es entstehen zuweilen wunderschöne Bilder, so etwa die vor dem Waldprospekt brennende Fackel, die Isolde - in wallendem Gewand - im Brunnen löscht und die Liebeszene, in der es für einen Moment ganz dunkel wird, so dass man sich durchaus vorstellen kann, dass hier Liebe nicht nur besungen, sondern auch vollzogen wird.

foto folgt Isolde (Ursula Füri-Bernhard)

Doch irgendwie will sich ein harmonischer Gesamteindruck nicht einstellen. Das mag daran liegen, dass manches Stilmittel wie ein Fremdkörper wirkt (z. B. Tristans dämonischer erster Auftritt in Isoldes Schiffsgemach, wenn er von hinten mit deutlich sichtbaren, stark blendenden Scheinwerfern beleuchtet wird), vielleicht aber auch daran, dass manches einfach übertrieben wirkt. Der Mond scheint viel zu hell und die Sternenfahrt erinnert zu deutlich an die Reisen eines Fernsehserien-Raumschiffs in unendliche Weiten. Ähnliches gilt für die Personenregie. Einerseits ist man dankbar für ästhetische Bilder und ein Liebespaar, das sich mit wirklicher, wilder Leidenschaft begegnet, umarmt, küsst, neckt usw., andererseits wirkt die Personenführung – vor allem der Nebenfiguren – oft hölzern und unfertig. Zum Teil erscheinen die üppigen Kostüme archaisch, zum Teil archetypisch,  gelegentlich befremdlich und manchmal auch sprechend: wenn Isolde im ersten Akt ein Kleid, nein, ein Gewand trägt, das der bevorzugten Mode der greisen Cosima entspricht und wenn Brangäne im zweiten Akt aussieht wie eine korsische Gouvernante. 

Isolde ist im ersten Akt viel zu deutlich als wilde Furie gezeichnet, der das stilvoll Erhabene fehlt. Das raubt dieser wütenden Königstochter eine wichtige Dimension. Ganz konkrete Stellung bezieht der Regisseur zur Frage des versehentlichen oder absichtlichen Vertauschens von Liebes- und Todestrank: Brangäne lässt den Todestrank in ihrer Umhängetasche verschwinden und gießt den beiden… Wasser ein! Wer mit dem Tod vor Augen nichts mehr zu verlieren hat, kann sich für die (scheinbar) letzten Minuten seines Lebens ganz seinen urehrlichsten Gefühlen hingeben. Der Trank selbst enthemmt nicht, sondern allein die Vorstellung. König Marke könnte sich die eine und andere künstlich wirkende Operngeste sparen und dann ergreifender seine Klage singen. Viel bewegender ist da seine stille Geste im dritten Akt: Erschüttert sitzt er neben Tristans leerem Siechenbett, nimmt seine Krone ab und legt sie auf das Lager des soeben Verstorbenen. Mehr davon und eine durchweg intensive Personenregie hätten dieser Inszenierung gut getan.

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 folgt

Tristan (Andreas Schager)

Andreas Schager zählt zu den Hoffnungsträgern der Wagner-Tenöre dieser Tage. Und das mit allem Recht. Die Stimme hat jugendlich leuchtendes, strahlendes Metall in der Höhe und geht bruchlos in eine sichere Mittellage über. Besonders ausdrucksstark und vielfarbig klingt sein Tenor im Mezzoforte und Piano. Im ersten und zweiten Akt setzt er etwas zu oft auf seine Stimmkraft, was für größere Häuser sicher ein Vorteil ist, für das akustisch ganz exzellente Meininger Haus jedoch gar nicht nötig. Seine Gestaltung des dritten Aktes, mit  sehr subtilem Einsatz der Stimmkraft ließ keine Wünsche offen. Ein toller Tristan! 

Ursula Füri-Bernhard hinterlässt als Isolde einen zwiespältigen Eindruck. Sie ist mit vollem Körpereinsatz eine leidenschaftliche Darstellerin, die ihre Prioritäten unüberhörbar auf Ausdruck und Darstellung legt. Das wirkt zuweilen stark übertrieben und gleichfalls mutet sie ihrer Stimme oft mehr zu, als sie leisten kann, so dass ein unausgewogener Klangeindruck entsteht, mit immer wieder gestoßenen, übertrieben gebundenen, verschluckten oder wegbrechenden Tönen und scharfen Höhen. Mit viel Freiheit bezüglich Partitur und Intonation gestaltet sie die Partie vor allem im ersten Akt, erinnert sich im zweiten glücklicherweise daran, dass die Isolde nicht deklamiert, sondern gesungen sein will und lässt dann auch Phrasen und zuweilen recht schöne Töne hören.
Mit eher hellem Mezzosopran singt Christina Koshrowi die Brangäne tadellos, wirkt aber etwas hölzern, was jedoch der Sichtweise des Regisseurs geschuldet sein mag, der in der Brangäne eher die ordnende Gesellschafterin als die liebende, umsorgende Vertraute sieht. Dae-Hee Shin lässt als Kurwenal seinen markanten Bariton üppig strömen, Ernst Garstenauer singt eindrucksvoll  einen greisen König Marke. Rodrigo Porras Garulo lässt als Steuermann und Hirt aufhorchen.

Meiningens GMD Philippe Bach verblüfft gleich zu Anfang mit einem eher verhaltenen, sehr langsamen, die Partitur geradezu buchstabierenden Beginn des Vorspiels, steigert sich dann fast unmerklich zu großer Intensität und zieht so den Hörer in den Bann dieser hochemotionalen Musik. Kongenial zum Liebesduett als szenischem Höhepunkt beschwört er aus dem Orchestergraben die musikalischen Wogen der Leidenschaft. Und immer wieder    gelingt es ihm, Klänge höchst subtil zu gestalten ohne manieriert zu wirken. Das Orchester folgt ihm willig, wenn auch, besonders im ersten Akt, mit einigen deutlich hörbaren Ungenauigkeiten. Der Matrosen-Herrenchor wurde nicht nur seemännisch exakt navigiert.


FAZIT

Eine Produktion, die einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Das überzeugende Dirigat von Philippe Bach und Andreas Schager als Tristan sind die herausragenden Ereignisse des Abends.





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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philippe Bach

Inszenierung
Gerd Heinz

Bühnenbild
Rudolf Rischer

Kostüme
Gera Graf

Choreinstudierung
Sierd Quarré

Dramaturgie
Diane Ackerman


Meininger Hofkapelle

Herrenchor und Extrachor 
des Meininger Theaters


Solisten

Tristan
Andreas Schager

König Marke
Ernst Garstenauer

Isolde
Ursula Füri-Bernhard

Kurwenal
Dae-Hee Shin

Brangäne
Christina Khosrowi

Melot
Stan Meus

Ein junger Seemann/
Ein Hirt
Rodrigo Porras Garulo

Ein junger Seemann
Martin Platz

Ein Steuermann
Lars Kretzer


Weitere Informationen
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Südthüringisches
Staatstheater

(Homepage)






Da capo al Fine

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