Kirchschlagers Mut zur ungeschützten Emotionalität

(C) Theater an der Wien
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Telefonoper mal zwei: Gian Carlo Menottis „Das Telefon“ und Francis Poulencs „La voix humaine“ im Theater an der Wien.

Das Telefon ist bekanntlich eine „indiskrete Maschin'“. Ben weiß das spätestens seit dem Tag, an dem er seiner Lucy einen Heiratsantrag zu machen gedachte. Das geht halbwegs schief, denn er ist bei Lucy nur mehr die Nr.2. Gegen ihre neue Liebe, das Telefon, hat er keine Chance. Immer wieder setzt er an, immer wieder unterbricht das taktlose Gerät. Wobei freilich Lucy die Taktlose ist, es zwingt sie ja niemand abzuheben. Letztlich sieht Ben nur einen Ausweg: Er geht und unterbreitet seinen Antrag – erraten – telefonisch. Wie diese Dreiecksbeziehung weitergeht, mag man sich nicht ausmalen. Auch nicht, was passierte, wenn jemand eines Tages so etwas wie ein tragbares Telefon erfände...

In Zeiten des Terrors permanenter Erreichbarkeit bedarf Gian Carlo Menottis Einakter „Das Telefon“ von 1947 keiner Aktualisierung. Goldrichtig daher die Entscheidung des Theaters an der Wien, das Stück am Dienstag in den Kulissen von Rossinis Comte Ory zu spielen. Angeblich konzertant, doch recht viel mehr ließe sich da ohnehin nicht inszenieren, Jennifer Davison als Lucy und Klemens Sander als Ben wussten auch selbst, was zu tun ist, und spielten ihre Rollen genüsslich aus.

Die Tragödie nach dem Satyrspiel

Ohnehin war „Das Telefon“ nur ein vorgezogenes Satyrspiel zur folgenden Tragödie: „La voix humaine“ von Francis Poulenc, der erschütternde Halbdialog einer Verlassenen mit ihrem Ex. Halb, weil man den von ihr noch immer als „Schatz“ Angesprochenen nur indirekt wahrnimmt, durch ihre Reaktionen – am Telefon.

Um hier die Spannung über eine Dreiviertelstunde zu halten, braucht es schon einen Emotions-Hydranten wie Angelika Kirchschlager. Eine Darstellerin, die Gesang nicht als reine Produktion von Schönklang betrachtet, sondern primär als Gefühlsvehikel; die den Mut zum fahlen, fast erstickten Piano ebenso hat wie zum hysterischen Ausbruch. Kurz, der die ganze Palette an Ausdrucksmitteln zu Gebote steht, um diesem Nervenbündel in seiner existenziellen Krise eine glaubwürdige Stimme geben zu können – alleine auf der Bühne, schutzlos diesen Emotionen und Poulencs hochexpressiver Musik ausgeliefert. Hätte es Stefan Vladar am Pult des Wiener Kammerorchesters mit der Lautstärke stellenweise nicht ganz so gut gemeint, der Eindruck wäre noch intensiver gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2013)

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