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Orest

Musiktheater in 6 Szenen (2011)
Text und Musik von Manfred Trojahn

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)


Deutsche Erstaufführung an der Staatsoper Hannover am 8. Februar 2013

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Die Pflicht der zweiten Nacht

Von Joachim Lange / Fotos von Thomas M. Jauk / Stage Picture

Für den Erfolg von neuen Opern sind der Uraufführungsbeifall oder das Feuilletonlob nicht so entscheidend wie der Abstand zur nächsten Inszenierung. Für Manfred Trojahns achtzigminütiges „Musiktheater in sechs Szenen“ mit dem schlichten Titel Orest gab es 2011 bei der Uraufführung an der Nederlandse Opera in Amsterdam (unsere Rezension) viel Beifall. Für das Stück und für die musikalische und szenische Sorgfalt seiner Umsetzung. Marc Albrecht hatte sensibel dirigiert. Und Katie Mitchell projizierte das notorische Rache-Morden bei den Atriden akribisch in ein (klein-)bürgerliches Vierwändeformat. Erwartungsgemäß wurde Orest beim alljährlichen Branchenranking der Zeitschrift „Opernwelt“ mit dem Prädikat „Uraufführung des Jahres“ bedacht.

Vergrößerung in neuem Fenster Elektra im Hintergrund belauert die Heimkehrende Helena

Die überlebensfördernde zweite Inszenierung besorgte jetzt Enrico Lübbe. Dafür machte er auf seinem Weg vom Schauspiel Chemnitz auf den Chefposten des  Schauspiels Leipzig sozusagen einen Umweg über die Staatsoper Hannover. Unter dem Intendanten Michael Klügl wird an diesem Haus seit Jahren eine ambitionierte Programmpolitik betrieben und szenisch auch mal etwas riskiert. Die aktuelle deutsche Erstaufführung passt genau in diese Linie.

Enrico Lübbe setzt mit seiner Deutung auf eine postkatastrophische Grundstimmung. Dafür hat Etienne Pluss einen (für Lübbes Ästhetik bislang eigentlich untypisch sinnlichen) Einheitsbühneraum gebaut, dessen einstige Pracht kaum noch zu erkennen ist. Die Zwischendecken sind eingestürzt der Boden ist aufgerissenen. Alles ist mit Zivilisationsmüll und einer beklemmenden Katastrophenstimmung gefüllt und so zu einem psychischen Innenraum gemacht.

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Im Gegenlicht Apollo als Dionysos und vorne die Wiedergängerinnen der toten Klytämnestra

Die Handlung des 80minütigen „Musiktheaters in sechs Szenen“ setzt da ein, wo Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss in ihrer Elektra enden. Es beginnt mit dem durchdringenden Todesschrei der Klytämnestra und durch den Raum schwirrenden Orest-Rufen, um dann in Trojahns zwischen Raunen und dramatischer Wucht changierender Musik hinein zu gleiten. Klytämnestra ist freilich schon tot, ihr Schrei kommt aus Orest heraus. Ist Ausdruck seines Traumas – immerhin hat er ja, wenn auch auf Geheiß des Gottes Apollon seine Mutter ermordet.

Vergrößerung in neuem Fenster Es schreit aus Orest

Dirigent Gregor Bühl setzt dabei mit dem Niedersächsischen Staatsorchester auf vokale Eloquenz und szenische Dynamik von Trojahns Musik, die schnell ihre packende Wucht entfaltet und gefangen nimmt. Was auf den ersten Blick wie eine bloße Blutrache-Endlosstory anhebt, kreist bald um die Frage nach den seelischen Folgen der Fremdbestimmtheit des Handelns und dem Dilemma einer schuldlosen Schuld. Orest hat den Mord an seiner Mutter zwar auf Geheiß des Gottes Apollo/Dionysos ausgeführt und damit deren Mord an Agamemnon gerächt.  Doch er fühlt sich schuldig, sieht die Tote ständig in vielfacher Gestalt herumgeistern. Tomasz Zagorski taucht im Pelz und schmuckbehängt wie ein Zuhälter auf. Er will Orest (mit Mut zum Hässlichen: Bjørn Waag) genauso wie seine im Racheterrorwahn aufblühende Schwester Elektra (furios: Khatuna Mikaberidze) zu immer neuen Morden antreiben. An der heimgekehrten Helena (Dorothea Maria Marx) etwa.

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Orest und Elektra schauen auf Berge von Leichen

Die wird bei Lübbe mit Eimern voller Blut überschüttet, bis sie tot am Boden liegen bleibt. So wie auch all die Wiedergängerinnen von Klytämnestra. Aus  all der beklemmenden Wucht der Rachemorde führt kaum ein Weg heraus. Es sei denn, einer löst sich vom Rachegesetz und dem Machtanspruch der Götter. Was Orest versucht, nachdem er Helenas unschuldige Tochter Hermione (als personifizierte Unschuld: Romy Petrick) nicht zu ermorden vermochte als er ihr in die Augen gesehen hatte. Die beiden schaffen es auszusteigen. Sie treten durch den gleißenden Neonrahmen vor an die Rampe. Drinnen freilich ist der Platz von Orest schon wieder besetzt. Und der fürchterliche Aufschrei vom Anfang wiederholt sich.


FAZIT

Die deutsche Erstaufführung von Trojahns Orest war musikalisch und szenisch in Hannover in den besten Händen. Es ist ein Abenteuer, auf diese Weise in die Abgründe der Menschen zu blicken. Aber eins, das sich auch für andere Häuser lohnen würde.

Über seine Pläne als Leipziger Schauspielintendant hat Regisseur Enrico Lübbe mit Joachim Lange gesprochen - zum Interview

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gregor Bühl

Inszenierung
Enrico Lübbe

Mitarbeit Regie
Torsten Buß

Bühne
Etienne Pluss

Kostüme
Bianca Deigner

Choreinstudierung
Dan Ratiu

Dramaturgie
Klaus Angermann


Chor der Staatsoper Hannover

Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover


Solisten

Orest
Bjørn Waag

Menelaos
Latchezar Pravtchev

Apollo/Dionysos
Tomasz Zagorski

Hermione
Romy Petrick

Helena
Dorothea Maria Marx

Elektra
Khatuna Mikaberidze


Weitere Informationen
erhalten Sie von der


Staatsoper Hannover
(Homepage)





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