Lustvolle Montage: „Satyricon“ im Theater an der Wien

(c) APA (HARALD SCHNEIDER)
  • Drucken

Bruno Madernas ironisch-hintersinnige Mini-Oper „Satyricon“ im Theater an der Wien mit dem Klangforum Wien: Leider bleiben in konzertantem Rahmen die amüsanten Respektlosigkeiten der Partitur seltsam solipsistisch.

Sprachfetzen, Elektronik, Geräusche berieseln das Theater an der Wien. Kaffeehaustische, Sessel, Notenpulte stehen im Bühnenbild von Händels „Radamisto“ herum. Sängerinnen und Sänger schlendern plaudernd herein, im Abendkleid, in Hut und Mantel, mit Klavierauszügen in den Händen. Langsam geht das Licht aus – doch „Satyricon“ hat längst begonnen. Janina Baechle lässt ihre satt-dramatische Stimme jazzig tänzeln, wenn sie als Fortunata erzählt, wie sie ihren Gatten, den neureichen, luxussüchtigen Trimalchio, um den Finger wickelt. Nigel Robson leiht ihm seinen sensiblen Tenor – und klagt, nicht verwunderlich bei all der Völlerei, über peinigende Flatulenzen, die das souveräne Klangforum Wien unter der Leitung von Emilio Pomàrico mit lautmalerischer Noblesse imitiert. Und Oliver Ringelhahn resümiert als Habinnas bald darauf lakonisch: „Die Moral ist: Geld.“

1973 starb der Komponist Bruno Maderna mit 53 Jahren an Lungenkrebs – und zwar ausgerechnet in Darmstadt, wo er als einer der Hauptakteure bei den Ferienkursen für Neue Musik mit bedeutenden Werken hervorgetreten war, sich als kluger Interpret aber noch viel mehr für die Erzeugnisse von Kollegen und Schülern eingesetzt hatte. Beim vergangenen Festival Wien Modern hinterließ sein großformatiges „Quadrivium“ bei aller Komplexität doch vor allem vitalen, passionierten Eindruck.

Grunzen, Gebell, Gezwitscher

Madernas undogmatische Skepsis gegenüber den oft beschworenen Gedanken von Fortschritt oder radikalem Neubeginn in der Musik des 20. Jahrhunderts und sein Drang zur Sinnlichkeit des Musiktheaters zeigt sich auch in seiner letzten Oper „Satyricon“ nach dem antiken Roman des Petronius. Fragment, Collage und Zufall bestimmen sein knappes, ursprünglich 1971/72 in Tanglewood für die Studierenden hastig aufs Papier geworfene Werk; seine Krankheit verhinderte eine gründliche Ausarbeitung und Revision. Eine Nummer ist verloren, die Musik montiert mit großer Lust Zitate aus aller Herren Werke zusammen, die Abfolge der Szenen ist für die Interpreten frei wählbar. Allerdings bleiben (zwischen einigen Prisen Schweinegrunzen, Hundegebell und Vogelgezwitscher vom Tonband) in konzertantem Rahmen die höchst amüsanten Respektlosigkeiten der Partitur seltsam solipsistisch: Der Amalgamierung von „Leichter Kavallerie“, Musical-Humtata, fingierter Renaissance, „Parsifal“, Walhall, „Einzug der Gladiatoren“, Musette-Walzer und vielem mehr fehlte schmerzlich ihr treffsicher avisiertes Ziel, wie es nur eine geglückte Inszenierung weisen könnte – den eindrucksvollen Leistungen von Klangforum und Mitgliedern des Vokalensembles Nova zum Trotz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.