Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Dauer: ca 3 ½ Stunden – eine Pause
Premiere am 22. Dezember 2012 Was der
entlaufene Priester Lorenzo da Ponte (selbst mit ziemlich bewegtem
Liebesleben) in das Libretto seiner dritten Oper für Mozart
an realistischen Wahrheiten hineingeschrieben hat, ist in seiner ganzen
Tragweite wahrscheinlich erst für den modernen Menschen zumutbar.
Schon gleich nach Mozarts Tod ist Così
fan tutte als allzu leichtfertig missverstanden und als
unmoralisches Machwerk verteufelt worden. Dass die vermeintliche
Sicherheit der Liebe eher etwas Zerbrechliches ist und dass die
Erkenntnis des eigenen Begehrens etwas überaus Verwirrendes bis
hin zur inneren Erschütterung an sich hat, ist wohl erst nach
Sigmund Freud zu allgemeinem Bewusstsein gekommen und vor allem auch
allen moralischen Bedenken zum Trotz als wahrhaftig anerkannt. Mit dem
Auftauchen der als Albaner kostümierten Liebhaber, das
heißt, dem eingefädelten Partnertausch, beginnt
der erotische Hefepilz zu wirken. Dorabella (mit wohligem Timbre:
Monika Walerowicz) entpuppt sich schnell als empfänglich
für Guglielmos Schmeicheleien. Der ist ja auch kein schlechter
Womenizer. Warum sich also nicht ein bisschen Spaß gönnen?
Fiordiligi dagegen ringt sichtlich um ihre Standfestigkeit
(übrigens bis zum Schluss). Die heftigen Sprünge ihrer Felsen-Arie macht Dorothea Maria
Marx zum eindrücklichen Indiz der inneren Zerrissenheit dieser
Figur. Eindrucksvoll souverän meistert die Sängerin diese
Partie.
Von weihnachtlicher Idylle ist bei dieser Inszenierung nichts zu
finden, dafür viel Realismus und Glaubwürdigkeit. Das
insgesamt prächtige Sänger-Ensemble und das konzentrierte
Dirigat runden diese Produktion erfolgreich ab.
Musikalische Leitung Solisten
Fiordiligi Weitere
Informationen
Così
fan tutte
o sia La scuola degli amanti
Dramma giocoso in
due atti
Text von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Staatsoper Hannover
(Homepage)
Eine harte
Schule für die Liebenden
von
Christoph Wurzel
So ist wohl dieser Oper aus heutigem Blickwinkel am besten beizukommen
und Alexander Charim hat die Handlung in seiner Hannoveraner
Inszenierung auch konsequent in der Gegenwart angesiedelt.
Psychologisch genau sind die Akteure charakterisiert. Zuerst ist da Don
Alfonso, bei Mozart/da Ponte als „alter Philosoph“ angelegt: Hier wird
klar, dass er nicht aus irgendeiner Altersweisheit heraus sein
zynisches Experiment plant, sondern konkret aus Verbitterung
über das eigene Schicksal, über die eigene Erfahrung einer
zerbrochenen Beziehung. Noch bevor die Handlung anhebt, sieht man ihn
ein Frauenportrait zerreißen. Michael Dries spielt diese
Frustration deutlich. Stimmlich behauptet er als Strippenzieher
glaubhaft Dominanz.
Dann treten Ferrando und Guglielmo auf, beide im Überschwang des
Besitzanspruches über ihre Frauen. Im weiteren Verlauf werden
deren Motive klarer. Ferrando ist eher der Träumer, sehnsuchtsvoll
und romantisch. Sung-Keun Park singt die Partie höchst kultiviert
mit lyrischem Schmelz : "Un’aura
amorosa" wird zu einem sängerischen Höhepunkt des
Abends. Guglielmo dagegen mimt den Macho, den Draufgänger, der
nichts anbrennen lässt. Christopher Tonkin hat dafür den
genügend kernigen Bariton.
Auch die beiden Schwestern zeigen sich in ihrer Auftrittszene
selbstsicher und anscheinend unerschütterlich. Es sind bereits
gestandene Frauen, bei weitem nicht so jung wie im Libretto (15
Jahre), aber offensichtlich noch ohne klare Orientierung. Darauf
jedenfalls deutet die noch nach einem eigenständigen Stil suchende
Einrichtung der zweistöckigen Villa hin, die sie mit
zusammengesuchten Möbeln bewohnen. Mit zunehmender innerer
Verwirrung wird sogar diese scheinbare äußere Ordnung bald
dahin sein. Sogar der Boden unter den Füßen bekommt
Löcher.
Als sich die Paare verabschieden, weil die Männer ja angeblich in
den Krieg müssen (der Chor ist nur aus dem Graben zu hören),
klammern sie sich für einen Moment verkrampft aneinander, als
müssten sie sich der Haltbarkeit ihrer Treue mit aller Kraft
versichern. Eines der zahlreichen eindrücklichen Bilder, die der
Regisseur für die Erzählung der Handlung gefunden hat.
Überhaupt bleibt fraglich, ob das nicht für alle
überhaupt nur ein Spiel ist...
Wir wissen, dass in dieser Oper sich die Frauen den männlichen
Versprechungen nicht entziehen können, auch weil Despina (Carmen
Fugiss mit etwas zu leichter Soubretten-Stimme), von Alfonso bestochen,
dabei mit allerlei faulem Zauber nachhilft. Aber auch die Männer
empfinden den Reiz dieses Spiels. Und am Schluss gelingt anscheinend
fast der besiegelte Partnertausch. Aber mit der Rückkehr der
„richtigen“ Verlobten ist die heile Welt der romantischen Liebe nun
auch offen sichtbar zerbrochen. Die Treueschwüre sind dahin. Da
müssen sich alle eingestehen, dass es kein Zurück zum
Ausgangspunkt dieses Experiments mehr geben kann. Zum mühsam
arrangierten Gruppenbild versammelt ringen sie sich zwar noch ein Glücklich ist, wer alles von der
guten Seite nimmt ab, aber schon stürzen Fiordiligi und
Ferrando fassungslos davon. Dorabella und Guglielmo bleiben
zurück, wissen aber nicht so recht, wie ihnen geschieht. Alle vier
sind durch eine sehr harte Schule der Selbsterkenntnis gegangen. Keiner
von ihnen hat bei diesem Spiel sein Glück gefunden.
So ernüchternd hat man Mozarts Dramma giocoso selten gesehen,
zumal in dieser Inszenierung das Komische auf der Strecke bleibt. Die
entsprechenden Szenen bleiben Fremdkörper, das Spiel auf der
Bühne neigt sich deutlich auf die Seite von Enttäuschung und
Bitterkeit. So hat Karen Kamensek in der Musik erst gar keine falsche
Süße zugelassen, lässt das Orchester nüchtern
und kühl musizieren. Das musikalische Fazit zum Cosi fan tutte der Männer
gegen Schluss kommt dann auch scharf und hart aus dem Graben, so wie
schon der Anfangsakkord ein Schlag vor den Kopf ist. Das Orchester
folgt dieser bewusst entromantisierten Sicht auf Mozarts Musik sehr
konsequent und spielt höchst aufmerksam und klangschön.
Wunderbar durchgearbeitet klingt es den ganzen Abend, auch die knappe
Begleitung der Rezitative durch die Generalmusikdirektorin am
Hammerflügel kommt der schnörkellosen musikalischen
Gestaltung entgegen.
FAZIT
Ihre
Meinung
?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
Produktionsteam
Karen Kamensek
Inszenierung
Alexander Charim
Bühne und Kostüme
Ivan Bazak
Licht
Peter Hörtner
Video
Daniel M.G. Weiß
Choreinstudierung
Dan Ratiu
Dramaturgie
Katharina Ortmann
Chor der Staatsoper
Hannover
Niedersächsisches
Staatsorchester
Hannover
Dorothea Maria Marx
Dorabella
Monika Walerowicz
Guglielmo
Christopher Tonkin
Ferrando
Sung-Keun Park
Despina
Carmen Fugiss
Don Alfonso
Michael Dries
erhalten Sie von der
Staatsoper
Hannover
(Homepage)
© 2013 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
- Fine -