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Così fan tutte
o sia La scuola degli amanti


Dramma giocoso  in due atti
Text von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca 3 ½  Stunden – eine Pause

Premiere am 22. Dezember 2012



Staatsoper Hannover
(Homepage)

Eine harte Schule für die Liebenden

von Christoph Wurzel

Was der entlaufene Priester Lorenzo da Ponte (selbst mit ziemlich bewegtem Liebesleben) in das Libretto seiner dritten Oper  für Mozart an realistischen Wahrheiten hineingeschrieben hat, ist in seiner ganzen Tragweite wahrscheinlich erst für den modernen Menschen zumutbar. Schon gleich nach Mozarts Tod ist Così fan tutte  als allzu leichtfertig missverstanden und als unmoralisches Machwerk verteufelt worden. Dass die vermeintliche Sicherheit der Liebe eher etwas Zerbrechliches ist und dass die Erkenntnis des eigenen Begehrens etwas überaus Verwirrendes bis hin zur inneren Erschütterung an sich hat, ist wohl erst nach Sigmund Freud zu allgemeinem Bewusstsein gekommen und vor allem auch allen moralischen Bedenken zum Trotz als wahrhaftig anerkannt.

So ist wohl dieser Oper aus heutigem Blickwinkel am besten beizukommen und Alexander Charim hat die Handlung in seiner Hannoveraner Inszenierung auch konsequent in der Gegenwart angesiedelt. Psychologisch genau sind die Akteure charakterisiert. Zuerst ist da Don Alfonso, bei Mozart/da Ponte als „alter Philosoph“ angelegt: Hier wird klar, dass er nicht aus irgendeiner Altersweisheit heraus sein zynisches Experiment plant, sondern konkret aus Verbitterung über das eigene Schicksal, über die eigene Erfahrung einer zerbrochenen Beziehung. Noch bevor die Handlung anhebt, sieht man ihn ein Frauenportrait zerreißen. Michael Dries spielt diese Frustration deutlich. Stimmlich behauptet er als Strippenzieher glaubhaft Dominanz.
Dann treten Ferrando und Guglielmo auf, beide im Überschwang des Besitzanspruches über ihre Frauen. Im weiteren Verlauf werden deren Motive klarer. Ferrando ist eher der Träumer, sehnsuchtsvoll und romantisch. Sung-Keun Park singt die Partie höchst kultiviert mit lyrischem Schmelz : "Un’aura amorosa" wird zu einem sängerischen Höhepunkt des Abends. Guglielmo dagegen mimt den Macho, den Draufgänger, der nichts anbrennen lässt. Christopher Tonkin hat dafür den genügend kernigen Bariton.
Auch die beiden Schwestern zeigen sich in ihrer Auftrittszene selbstsicher und anscheinend unerschütterlich. Es sind bereits gestandene Frauen, bei weitem nicht so jung wie im Libretto (15 Jahre), aber offensichtlich noch ohne klare Orientierung. Darauf  jedenfalls deutet die noch nach einem eigenständigen Stil suchende Einrichtung der zweistöckigen Villa hin, die sie mit zusammengesuchten Möbeln bewohnen. Mit zunehmender innerer Verwirrung wird sogar diese scheinbare äußere Ordnung bald dahin sein. Sogar der Boden unter den Füßen bekommt Löcher.
Als sich die Paare verabschieden, weil die Männer ja angeblich in den Krieg müssen (der Chor ist nur aus dem Graben zu hören), klammern sie sich für einen Moment verkrampft aneinander, als müssten sie sich der Haltbarkeit ihrer Treue  mit aller Kraft versichern. Eines der zahlreichen eindrücklichen Bilder, die der Regisseur für die Erzählung der Handlung gefunden hat. Überhaupt bleibt fraglich, ob das nicht für alle überhaupt nur ein Spiel ist...

Mit dem Auftauchen der als Albaner kostümierten Liebhaber, das heißt, dem eingefädelten Partnertausch, beginnt der erotische Hefepilz zu wirken. Dorabella (mit wohligem Timbre: Monika Walerowicz)  entpuppt sich schnell als empfänglich für Guglielmos Schmeicheleien. Der ist ja auch kein schlechter Womenizer. Warum sich also nicht ein bisschen Spaß gönnen? Fiordiligi dagegen ringt sichtlich um ihre Standfestigkeit (übrigens bis zum Schluss). Die heftigen Sprünge ihrer Felsen-Arie macht Dorothea Maria Marx zum eindrücklichen Indiz der inneren Zerrissenheit dieser Figur. Eindrucksvoll souverän meistert die Sängerin diese Partie.

Wir wissen, dass in dieser Oper sich die Frauen den männlichen Versprechungen nicht entziehen können, auch weil Despina (Carmen Fugiss mit etwas zu leichter Soubretten-Stimme), von Alfonso bestochen, dabei mit allerlei faulem Zauber nachhilft. Aber auch die Männer empfinden den Reiz dieses Spiels. Und am Schluss gelingt anscheinend fast der besiegelte Partnertausch. Aber mit der Rückkehr der „richtigen“ Verlobten ist die heile Welt der romantischen Liebe nun auch offen sichtbar zerbrochen. Die Treueschwüre sind dahin. Da müssen sich alle eingestehen, dass es kein Zurück zum Ausgangspunkt dieses Experiments mehr geben kann. Zum mühsam arrangierten Gruppenbild versammelt ringen sie sich zwar noch ein Glücklich ist, wer alles von der guten Seite nimmt ab, aber schon stürzen Fiordiligi und Ferrando fassungslos davon. Dorabella und Guglielmo bleiben zurück, wissen aber nicht so recht, wie ihnen geschieht. Alle vier sind durch eine sehr harte Schule der Selbsterkenntnis gegangen. Keiner von ihnen hat bei diesem Spiel sein Glück gefunden.

So ernüchternd hat man Mozarts Dramma giocoso selten gesehen, zumal in dieser Inszenierung das Komische auf der Strecke bleibt. Die entsprechenden Szenen bleiben Fremdkörper, das Spiel auf der Bühne neigt sich deutlich auf die Seite von Enttäuschung und Bitterkeit. So hat Karen Kamensek in der Musik erst gar keine falsche Süße zugelassen, lässt das Orchester nüchtern und kühl musizieren. Das musikalische Fazit zum Cosi fan tutte der Männer gegen Schluss kommt dann auch scharf und hart aus dem Graben, so wie schon der Anfangsakkord ein Schlag vor den Kopf ist. Das Orchester folgt dieser bewusst entromantisierten Sicht auf Mozarts Musik sehr konsequent und spielt höchst aufmerksam und klangschön. Wunderbar durchgearbeitet klingt es den ganzen Abend, auch die knappe Begleitung der Rezitative durch die Generalmusikdirektorin am Hammerflügel kommt der schnörkellosen musikalischen Gestaltung entgegen.


FAZIT

Von weihnachtlicher Idylle ist bei dieser Inszenierung nichts zu finden, dafür viel Realismus und Glaubwürdigkeit. Das insgesamt prächtige Sänger-Ensemble und das konzentrierte Dirigat runden diese Produktion erfolgreich ab.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Karen Kamensek

Inszenierung
Alexander Charim

Bühne und Kostüme
Ivan Bazak

Licht
Peter Hörtner

Video
Daniel M.G. Weiß

Choreinstudierung
Dan Ratiu

Dramaturgie
Katharina Ortmann


Chor der Staatsoper
Hannover

Niedersächsisches
Staatsorchester
Hannover


Solisten

Fiordiligi
Dorothea Maria Marx

Dorabella

Monika Walerowicz

Guglielmo
Christopher Tonkin

Ferrando

Sung-Keun Park

Despina
Carmen Fugiss

Don Alfonso
Michael Dries



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
(Homepage)




Da capo al Fine

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