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Im Labyrinth von Mozart-Mabuse

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Mussten sich erst warmsingen: Bernard Richter als Prinz Tamino und Mandy Friedrich als Königin der Nacht.
Mussten sich erst warmsingen: Bernard Richter als Prinz Tamino und Mandy Friedrich als Königin der Nacht. © Monika Rittershaus/Salzb. Festspiele

Salzburg - Nikolaus Harnoncourt bot bei den Salzburger Festspielen eine „Zauberflöten“-Vorlesung – Jens-Daniel Herzogs Inszenierung blieb humorlos. Eine Kritik.

Wenigstens wissen wir jetzt, was es mit dem „siebenfachen Sonnenkreis“ auf sich hat. Bekanntlich hatte den Sarastro einst vom Gatten der darob erzürnten Königin erhalten. Ein blinkender Kasten also, der vor der Brust baumelt und von dem ein Schlauch ausgeht, der mit dem Kahlkopf des Osiris/Isis-Beschwörers verstopselt ist. Wissensspender? Gedankenerzeuger? Viel passiert jedenfalls nicht, als Sarastro das Ding im „Zauberflöten“-Finale abgejagt wird und herausploppt. Aber was heißt schon „passieren“ an diesem Abend in der Felsenreitschule, der ersten Premiere der Salzburger Festspiele?

Die Besetzung

Dirigent: Nikolaus Harnoncourt. Regie: Jens-Daniel Herzog. Ausstattung: Mathis Neidhardt. Choreografie: Ramses Sigl. Chor: Ernst Raffelsberger. Darsteller: Georg Zeppenfeld (Sarastro), Bernard Richter (Tamino), Mandy Friedrich (Königin der Nacht), Julia Kleiter (Pamina), Sandra Trattnigg, Anja Schlosser, Wiebke Lehmkuhl (drei Damen), Markus Werba (Papageno), Elisabeth Schwarz (Papagena), Rudolf Schasching (Monostatos), Martin Gantner (Sprecher). u.a.

Im Orchester zum Beispiel passiert viel. Zu viel. Nikolaus Harnoncourt ist angetreten, sich mit seinem Concentus Musicus die allumfassende Deutung des Mozart-Hits zu erpuzzeln. Bis in den letzten Winkel der Partitur ist er gekrochen. Hat da einen Akzent entdeckt, dort eine Pause, vor allem aber eine Unmenge von Tempowechseln. Nichts läuft hier einfach so durch. Nix is g’wiss, signalisiert der Doyen der Dirigenten, nachdem er eine widerhakengespickte Ouvertüre vorbeirasen ließ. Was folgt, ist eine dreistündige, tönende Vorlesung, die den Stilmix der „Zauberflöte“ aufdröselt – egal, ob das nun dramatisch motiviert ist oder nicht.

Und es leuchtet ja ein. Der irrwitzige Dreiviertel-Dreher in Papagenos Fast-Selbstmord, das ist reinste Volksmusik. Die Priesterchöre, vom Wiener Staatsopernchor ganz aus dem Sprechduktus entwickelt, sind sinistre Beschwörungsmomente. Wenn Sarastro Osiris und Isis anruft, dann dräut da die posaunensatte Todesstimmung des Mozart-Requiems. Und die vom Orchester begleiteten Rezitative nimmt Harnoncourt fast wie freies Sprechen auf Noten.

Natürlich braucht auch die „Zauberflöte“ eine Generalreinigung von allen Schmähklischees. Und klar ist auch, dass sich die offene Stückwerksstruktur in der Musik widerspiegeln könnte. Aber hier tönt die so, als habe sie Dauerladehemmung, als zwinge Harnoncourt die Sänger gar zur Ariendressur. Ein überreiches Klangergebnis, das einen mit seinen Infos überfährt – und auch ein wenig ratlos zurücklässt.

Oben auf der Bühne verpufft ohnehin vieles. Vor die Steinbögen der Felsenreitschule haben Regisseur Jens-Daniel Herzog und sein Ausstatter Matthias Neidhardt in sich verschiebbare Fassaden mit Arkaden gestellt, die das Ambiente des Spielortes fortsetzen. Ein Labyrinth mit vielen Türen zu vielen Zimmern, darüber jeweils ein rätselhafter Buchstabe. Ein Forschungsinstitut mit Professor Sarastro, eilfertigen Doktoren und aufgekratzten Studenten. Düst’res Wissen wird wohl vermittelt, wilde Tiere werden geklont – und Frauen ferngehalten. Es sei denn, man missbraucht sie wie Papagena, die als schwer Sedierte am Tropf hereintrippelt.

Die Handlung

Pamina, die Tochter der Königin der Nacht, ist von Sarastro entführt worden. Die Königin bittet den Prinzen Tamino, sie zu befreien. Der verliebt sich in Pamina, als er ein Bildnis von ihr sieht. Mit Hilfe des Vogelfängers Papageno dringt Tamino in Sarastros Reich ein. Tamino schlägt sich auf die Seite des Priesters Sarastro, besteht – im Gegensatz zu Papageno – die Prüfungen der Priesterschaft, die ihn mit Pamina in ihren Kreis aufnimmt.

Doch so richtig will man sich vor Herzogs Mozart-Mabuse nicht fürchten. Georg Zeppenfeld singt den Sarastro mit poliertem Eichenholztimbre, biegsam, edel und präsent bis in die tiefe Lage. Aber was er im Schilde führt, warum er gerade Tamino erwählt (und was dieser am Professor findet), das bleibt diffus. Vieles will diese Aufführung, und bleibt doch dabei nicht einmal auf halbem Wege stecken. Im Zweifelsfall wird das Stück ohnehin an der Rampe verhandelt, bei Herzog, dem Schauspielmann eine Überraschung. Gerade Julia Kleiter, eine gar nicht so zuckersüße Pamina, mit bildschöner, in allen Lagen und Intervallen locker ansprechender Stimme, hätte da schon viel szenisches Potenzial mitgebracht – und muss es sich nun für andere Einsätze aufheben.

Bernard Richter, der sich mit der Tamino-Arie freisingen musste, hätte mehr Hilfe des Regisseurs benötigt. Profiliert, mit einer Spur Helden-Erz legiert ist sein Tenor, nicht so lyrisch wie die meisten Tamino-Kollegen. Auch Mandy Friedrich braucht die erste Königin-Arie zum Warmsingen, liefert aber später effektvoll gestanzten Rache-Wahnsinn. Die drei Damen sind mit Sandra Trattnigg, Anja Schlosser und Wiebke Lemkuhl Salzburg-gemäß besetzt. Martin Gantner, ein endlich mal nicht balsamisches Sprecher-Väterchen, ist fast der Einzige, der natürlichen Schauspielton zuwegebringt. Und als Komikspender muss Markus Werba herhalten. Der wirft mit kernigem Bariton all seinen jahrelang erprobten Papageno-Witz in die Waagschale. Ein Kämpfer auf alleinigem, vor allem verlorenen Posten.

Denn: Gelacht wird hier kaum. Was fatal ist. Die „Zauberflöte“ bleibt – trotz aller Freimaurer-Rätsel-Generationenkampf-Symbolik – eben doch sinnliches Theater. Aufs erste Genießen bietet es Amüsement und aufs zweite Erkenntnis. Und manchmal fürchtet man sich eben auch vor dieser seltsamen, hermetischen, triebunterdrückenden Männerwelt. Das passiert hier allerdings nur einmal, wenn der geile Monostatos (Rudolf Schasching mit deklamierender Stimme) an der schlafenden Pamina herumfingert und ihre entblößten Oberschenkel fotografiert. Nur kurz glimmt da auf, was auch aus dieser neuen Salzburger „Zauberflöte“ hätte werden können. Am Ende schieben die beiden jungen Paare ihre Kinderwägen von der Bühne. Sarastro würgt die Königin. Auch schon egal. Licht aus und enden wollender Beifall eines verschwitzten Publikums.

Markus Thiel

Weitere Vorstellungen:

30. Juli sowie 2., 4., 6., 11., 13., 17. und 19. August;

Telefon 0043/ 662/ 8045-500;

Arte strahlt die Vorstellung vom Montag ab 20.15 Uhr aus.

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