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Eine "Zauberflöte" für Erwachsene

Gemeinhin nimmt man Mozarts "Zauberflöte" als Einstiegsdroge für Kinder in die Welt der Oper her. Die volkstümliche Figur des Vogelfängers Papageno und die märchenhafte Aura dieser "deutschen Oper" scheinen prädestiniert dafür.

Eine "Zauberflöte" für Erwachsene
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Damit räumt nun Nikolaus Harnoncourt - und in seinem Gefolge auch der Regisseur Jens-Daniel Herzog mit seinem Ausstatter Mathis Neidhardt - in der Felsenreitschule gründlich auf. Seine skrupulös schnörkellose, radikale Deutung mit dem auf Originalinstrumenten spielenden Concentusmusicus eröffnete am Freitag die Salzburger Festspiele 2012 und damit auch die neue Intendanz von Alexander Pereira. Der Beifall nach dreidreiviertel Stunden gar nicht leichter Kost fiel durchaus zurückhaltend aus.

Harnoncourt gibt also eine "Zauberflöte" für Erwachsene. Man muss, was je nach Hörposition nicht immer optimal gelingen mag, sich einhören auf einen äußerst konzisen, in keinem Moment wohlgefällig philharmonischen Orchesterklang. Harnoncourt will Mozarts "Zukunftsmusik" andeuten, was heißt, dass die Streicher nicht gefühlig, sondern trocken, fast ausgedünnt, in visionären Momenten vor allem des zweiten, des Prüfungsaktes nachgerade skelettiert wirken, wohingegen die Bläserfarben von der Flöte bis zu den magisch-dunklen Posaunen beweglich, facettenreich, weich, fast schon romantisch artikuliert erscheinen. Das ergibt ein völlig neues Mischungsverhältnis der Stimmen und vor allem eine Transparenz, die hörbar macht, wie kühn und ungeschminkt Mozart kompositorische und instrumentatorische Finessen als neuartige Ausdrucksträger einsetzt.

Dazu liefert die offene Dramaturgie des Stücks durchaus die nötige, gewissermaßen moderne Grundlage, weil sie heterogenste Elemente nicht psychologisch motiviert, sondern situationsspezifisch reiht. Da steht dann das Volkslied gleichauf mit der strengen Fuge, die dem Choral der Geharnischten unterlegt ist, die Koloratur-Bravourarie gleichauf mit dem schlichten ariosen Lied, das Couplet auf einer Höhe mit dem feierlichen Chorsatz, das buffoneske Duett in einer Linie mit einem eigenartigen, sehr freien "Sprechgesang", den Harnoncourt etwa für die Arie des Manostatos (so heißt nun der Mohr Monostatos nach dem Autograph)"Alles fühlt der Liebe Freuden" anwendet.

Harnoncourt verbreitert viele Tempi und unterläuft vor allem damit den traditionellen Geschmack. Er achtet minuziös auf die Sprachbehandlung, die auf die Aussprache und Färbungen der Selbstlaute besonderen Wert legt. Es knattert also nicht konsonantisch dahin, sondern rundet sich zu einem buchstäblichen "Vokal"-Klang. Hinzu treten nach vielen Phrasen kurz, aber deutlich gesetzte Fermaten als retardierende Elemente, was vor allem im 1. Akt den musikalischen Fluss über Gebühr bremst. Es ist, als hinge über dem ganzen Stück ein melancholischer Schleier. Der 2. Akt gelingt da wesentlich kontrastreicher.

Was diese musikalische Gangart aber in ihrer grüblerischen Tiefenschürfung völlig unterschlägt, ist jede Art der prallen Komödiantik. So viel Ernst und so wenig Heiterkeit war in einer "Zauberflöte" wohl kaum je. Und trotzdem ist man am Ende beeindruckt von der rigorosen Konsequenz, mit der Harnoncourt sein Konzept durchficht: die "Zauberflöte" als rätselhafter Denkstoff, nicht als "Spiel"-Material.

Die durchwegs leicht und singspielhaft besetzten Stimmen passen sich dieser Haltung auf interessante Art an, ganz besonders Georg Zeppenfeld als kernig-heller, in keinem Moment salbungsvoller Sarastro und Julia Kleiter als anrührend-anmutige Pamina. Bernard Richter wirkt als Tamino relativ eindimensional und flächig, Mandy Fredrich serviert gestochen scharfe Koloraturen, bleibt aber der mütterlichen Dramatik der Partie fast alles schuldig, flatterhaft in den Stimmführungen und damit weder homogen noch charakteristisch sind die Drei Damen (Sandra Trattnigg, Anja Schlosser, Wiebke Lehmkuhl). Markus Werba spielt als Papageno schaumgebremste Liebenswürdigkeit aus, Elisabeth Schwarz als Papagena ist ihm eine charmant-präzise Begleitung, nachdem sie ihre Rolle als zahnlose, ferngesteuerte Alte am Infusionsgestell ablegen darf. "Aus Sarastros Reich" kommen die eigenwillig zombieartigen Drei (Tölzer) Knaben.

Jens-Daniel Herzogs Inszenierung macht es sich nicht leicht. In variablen Bühnenelementen, die die Architektur der Felsenreitschule zitieren und gleichzeitig erfreulich die Naturkulisse der echten Felsenreitschule einsehbar lassen, laufen die Szenen wie in einem vielgestaltigen Bilderbuch ab. Atmosphärisch befindet man sich einerseits in einem Psychiatriegefängnis, andererseits in einer Art Internat (als Besserungsanstalt?), die Priester sind gestrenge, wie ferngesteuert wirkende Forscher in weißen Arztkitteln, Sarastro speist seinen Sonnenkreis (den man weniger charmant als Warnblinkanlage apostrophieren kann) mittels Kabel aus seinem Hinterkopf. Das alles passt durchaus zum unsentimentalen Ernst der musikalischen Anlage, hat viele scharf durchdachte, klar, klug und originell beobachtete Einzelmomente, verzettelt und verspielt sich aber immer wieder in allzu bieder-banalen Setzungen. Überraschend neue Blicke wie auf das Finale, wenn sich Tamino und Pamina nach ihren Prüfungen auf die Seite von Papageno und Papagena schlagen und mit vier Kinderwagen das Weite suchen, während Sarastro und die Königin der Nacht weiter handgreiflich um ihre Macht rangeln, treffen auf arg abgegriffene Effekte wie die Geharnischten in Raumanzügen mit brennenden Helmen. Aber vielleicht ist ja in der "Zauberflöte" wirklich keine Einheit herzustellen und das Patchwork Methode.

In einem freilich scheint sich Jens-Daniel Herzog mit Nikolaus Harnoncourt einig: "Lustig" ist an dieser Aufführung nichts. Eine "Zauberflöte" für Erwachsene eben. Und ein Festspielstart, der, was nicht das schlechteste ist, zum Denken und nicht zum wohlfeil gefälligen kulinarischen Genießen Anlass gibt.

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