Dieser Bassa braucht eine Therapie, keine Frau

(c) Dimo Dimov - Volksoper
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Mozarts „Entführung“ wirkt auch bei der Wiederaufnahme optisch etwas träge. Musikalisch legte Gerrit Prießniz am Pult des beredt phrasierenden Orchesters die Grundlage für eine schöne Ensembleleistung.

Als Konstanze hat man es grundsätzlich nicht leicht: Auf einer Seereise vom Schinakl runter entführt, landet die Ärmste geradewegs im Harem. Dass sie dort zur Nummer eins des Bassa Selim wird (wohl auch wegen des Exotikfaktors als Europäerin), macht die Sache nicht besser, hat sie sich doch täglich der Avancen des Bassa zu erwehren.

Die Konstanze der aktuellen Volksopern-Produktion von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ hat es aber besonders arg erwischt: Denn die zwei Männer, zwischen denen sie laut Libretto steht, haben sie schlicht nicht verdient. Hier der Bassa, der noch den kleinsten Funken Leidenschaft vermissen lässt. August Zirner bringt ihn als leicht neurotischen Typen auf die Bühne, den man sich gut bei Shakespeare vorstellen könnte: optisch ein passabler Julius Cäsar, vom Gehabe her eine Art Hamlet, der überlebt hat. Auf jeden Fall hat ihn eine verflossene Liebe in eine tiefe Depression gestürzt, die nur einmal von einer manischen Phase unterbrochen wird: als er seinen Serail kurz und klein haut. Dieser Bassa braucht keine Konstanze, sondern einen Therapeuten. Immerhin eine eigenständige, wenn auch nicht restlos überzeugende Sichtweise auf diese Figur durch Regisseurin Helen Malkowsky,

Zu viele Steh- und Sitzzeiten

Auf der anderen Seite der Belmonte von Mirko Roschkowski, dessen höhensicherer Tenor mit der Partie zwar gut zurechtkommt, dem man aber wirklich nicht abnimmt, dass er sich extra ins „Morgenland“ aufmachen würde, um seine Konstanze zu suchen (wo war er eigentlich, als sie entführt wurde?). So einem Belmonte, der das Publikum mindestens so gern ansingt wie seine Holde, wäre schon Graz zu weit. Die Personenführung bzw. deren Mangel, ist überhaupt ein Schwachpunkt der bis auf den finalen Regieeinfall sehr braven Arbeit. Die Figuren haben zu viel Steh- bzw. Sitzzeiten, die arme Blonde muss etwa während der – von Anja-Nina Bahrmanns Konstanze übrigens bravourös absolvierten – Marternarie dasitzen, als würde sie sich gleich übergeben. So kommt der böse Verdacht auf, dass das dynamisch-lebendige Spiel von Paul Schweinester (Pedrillo) und Gregory Frank (Osmin) viel auf Eigeninitiative basiert.

Musikalisch geriet der Abend erfreulich, vor allem durch das passgenaue Dirigat von Gerrit Prießniz. Mit viel Gespür für Phrasierung animierte er das Volksopernorchester, das seinen Mozart im kleinen Finger hat, zu einem beredten Spiel, flüssig, aber nie oberflächlich, mit manch kammermusikalischem Kabinettstück. Auf dieser Basis lässt sich befreit aufsingen: Bahrmann legte die im ersten Akt etwas störende Schärfe ab und war eine ausdrucksstarke Konstanze, Gregory Frank lieh dem Osmin seinen wendigen, nicht zu schwergewichtigen Bass, Paul Schweinester Pedrillo verfügte zwar über eine schlanke, aber sehr schön geführte Stimme, Elisabeth Schwarz war eine engagierte Blonde. Eine schöne Ensembleleistung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2012)

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