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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Hand
lung in drei Aufzügen
von Richard Wagner
Dichtung vom Komponisten

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 Stunden (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus des Mainfrankentheaters Würzburg am 31. März 2012

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Mainfranken Theater Würzburg
(Homepage)

Unter Untoten

Von Bernd Stopka / Fotos Falk von Traubenberg

Als Handlung in drei Aufzügen hat man es schon schwer. Man wird von einer Opernbühne zur anderen getrieben, dabei in immer wieder neue Korsetts gepresst, perspektivisch durchdekliniert, psychoanalytisch auf den Kopf gestellt, gegen den Strich gebürstet oder auch mit dem Strich in den Sand gesetzt. Die Liste ließe sich fast endlos fortführen. Unter den Lebenden gibt es da kaum etwas, das es noch nicht gab - vielleicht hat Regisseur Hermann Schneider Wagners Tristan und Isolde  in Würzburg ja deshalb zu den Toten und Untoten geschickt.

Vergrößerung in neuem FensterIsolde (Anja Eichhorn), Junger Seemann (Joshua Whitener), Tristan (Paul McNamara), Kurwenal (Joachim Goltz)

Die Vorspiel-Bebilderung könnte durchaus Interesse wecken. Aus einem Punkt entsteht ein Stern, dann ein Sternenhimmel, ein Weltall. Mit Buchstaben aus Sternen liest man schließlich „Tristan + Isolde“. Die Buchstaben-Sterne geraten in strudelnde Bewegung, um schließlich milchstraßenartig im Nirvana des „+“ zu versinken. Das ist ebenso einleuchtend wie plakativ und hätte in grafisch ansprechenderer Ausführung auch noch mehr Ästhetik gezeigt. Es hat aber mit dem Folgenden nichts weiter zu tun.

Als Einheitsbühnenbild hat Falko Herold einen rostig-schmuddeligen Schiffsrumpf entworfen, dessen Seitenklappen bewegt werden können und dessen Hintergrund sich in einen bühnenhohen Spiegel verwandelt. Offenbar schifft man über den Styx, denn die Fracht besteht aus Toten, die im zweiten Akt als Untote wirr umherwandern. Der Hirt und der junge Seemann sind zu einer Figur zusammengefasst, die als Ober-Zombie (eine Mischung aus Charon und Riff-Raff) zwischen den Welten vermittelt.

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Tristan (Paul McNamara), Brangäne (Karen Leiber), junger Seemann (Joshua Whitener),
Kurwenal (Joachim Goltz), Isolde (Anja Eichhorn), Statisterie

Isolde könnte optisch in ihrem schwarzen Kostüm und hochgesteckten Haaren zunächst jeder Chefsekretärin das Wasser reichen, doch liebestrankberauscht wirft sie sich dann wild und leidenschaftlich in ihre Gefühle. Brängäne ist mit Zöpfen und Ringelstrumpfhosen ein unfreiwillig komischer Anblick, wogegen Kurwenal als beinschienen- und krückentragender Kriegsversehrter mit schmutzigem Supermann-T-Shirt, schmierigen Haaren und dem Hang, sich immer und immer wieder zu erstechen, irgendetwas zwischen widerlich und erbärmlich  ist. Das Mitleid aber gehört an diesem Abend ganz dem Tristan, den das Ganze als schüchtern-scheues, traurig-trotteliges Bübchen so gar nichts anzugehen scheint.

Vergrößerung in neuem Fenster Marke (Johan F. Kirsten), Tristan (Paul McNamara)

Isoldes Schminkköfferchen enthält wider Erwarten nicht die Zaubertränke der Mutter, sondern Morolds abgeschlagenes Haupt, aus dessen Mund Brangäne die Liebestrankphiole umständlich herausprökeln muss - und das, nachdem Kurwenal sie kurz zuvor von hinten vergewaltigt hat. Im zweiten Akt hantiert Isolde dann mit dem blutig ausgefransten Haupt wie es jeder Salome Ehre machen würde. Brangäne blättert zwischendurch immer wieder gern in einer Zeitschrift und Kurwenal spielt mit Supermannfiguren (wenn er sich nicht gerade wieder einmal ersticht). König Marke erscheint im schmutzig-dunkelroten Königsmantel, der schon bessere Jahrzehnte gesehen hat und schaut aus toten, roten Augen in die Welt voller Ungerechtigkeit, die ihn als lebenden Toten aber kaum rühren kann.  Wie ein Küken unter einer künstlichen Sonne schläft Tristan und hält dabei Isoldes Brautkleid erst im Arm und zieht es dann hinter sich her, wie Linus die geliebte Schmusedecke. Kurwenal schießt um sich und Brangäne schneidet sich die Pulsadern auf. Zu Isoldes Liebestod drehen sich die Seitenteile des Schiffsrumpfs und dieser erscheint gänzlich als Spiegel-Raum. Aus dem Schnürboden schweben leuchtende Glühbirnen herab. Hier schweigen dann auch die Übertexte, lassen dem Bild, was des Bildes ist: Kitsch as Kitsch can.

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Isolde (Anja Eichhorn)

Projektionen, symbolische Kritzeleien, lebende Bilder, gedoppelte Figuren, die Englischhornistin auf der Bühne, Schmutz und Elend  und dieses haarsträubende Schlussbild – das ist ein Ragout aus Bildern und Gedanken, das schwer verdaulich und kaum erklärlich ist. Was im ersten Akt noch erträglich scheint, wird im zweiten einfach ärgerlich, um im dritten dann der Grenze zum Lächerlichen äußerst nahe zu kommen. Die erklärte Absicht, die Handlung auf die Todessehnsucht zu konzentrieren und mit dem Trank eine andere Dimension oder Welt des Todes aufzustoßen, erschließt sich auf der Bühne nicht. Die Liebesleidenschaft aus dem Tristan zu eliminieren, ist genauso wenig neu wie hilfreich, sondern eine Beschränkung, die keine Dimension öffnet, sondern eine wesentliche verschließt und dem Stück damit ein lebenswichtiges Element amputiert.

Vergrößerung in neuem FensterIsolde (Anja Eichhorn), Brangäne (Karen Leiber)

Und dennoch sollte man sich diesen Würzburger Tristan nicht entgehen lassen – denn es gibt ja noch die musikalische Seite dieser Produktion.

GMD Enrico Calesso lässt das blendend disponierte Orchester schwelgen und blühen, da hört, ja spürt man die Leidenschaften, die das Auge an diesem Abend vermisst. Calesso gelingt der Spagat zwischen transparentem und opulentem Klang, ohne dabei in ein manieriertes Sezieren der Partitur oder ein plumpes Auftürmen von  Klangwogen zu verfallen. Die erste Begegnung Tristans und Isoldens im ersten Akt gestaltet er so spannungsgeladen, dass der Atem stockt.

Anja Eichhorn ist eine außergewöhnliche Isolde, kein hochdramatischer, sondern ein jugendlich-dramatischer Sopran. Das verwundert zunächst, überzeugt aber schnell mit den ganz innigen, zarten, lyrischen Tönen, die unter die Haut gehen und zu den Höhepunkten ihrer Gestaltung der Partie werden. Leidenschaftlich, hochemotional, zuweilen ganz mädchenhaft ehrlich wirkt ihre Isolde. „Erfuhrest Du meine Schmach“ klingt verletzt, erschüttert, aber nicht rachedurstig. Gewiss hat die Stimme nicht die große Durchschlagskraft,  aber Anja Eichhorn geht klug mit ihr um. Eher lässt sie sich vom Orchester überdecken als  dass sie forciert. Als Brangäne steht ihr Karen Leiber in Innigkeit und Schönklang nicht nach. Ihr höchst  angenehm timbrierter Mezzosopran kann geradezu balsamisch klingen, mit samtigen Tönen schmeicheln, aber auch in den dramatischen Ausbrüchen durch emotionale Eindringlichkeit überzeugen, ohne dabei die hohe Stimmkultur zu vergessen.

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Hirt (Joshua Whitener),  Englischhornistin (Dorothea Gömmel), Statisterie

Die Leistung von Paul McNamara als Tristan einzuschätzen fällt nicht leicht. Möglicherweise hat die Personenregie von der Figur auch musikalisch soweit Besitz ergriffen, dass eine Gestaltung dem Sänger nicht mehr möglich war. Er singt die Partie sehr ordentlich und meist auch korrekt, wenn auch mit recht individueller Vokalfärbung und  einem übermächtigen Hang zum „o“. Aber er singt vollkommen leidenschaftslos, einfarbig und eintönig – geradezu wie abwesend. Erst im 3. Akt klingen ein paar sehr schöne Töne an, die auch etwas Leidenschaft erahnen lassen. Joachim Goltz ist ein herrlich kernig und immer sehr präsent klingender Kurwenal, Johan F. Kirsten beginnt Markes Klage mit der Stimme eines weisen, aber auch greisen Königs, steigert sich im Laufe seiner großen Szene zu stimmlicher Majestät und bekommt dann auch sein zunächst sehr starkes Vibrato unter Kontrolle. Joshua Whitener lässt als Seemann und Hirt einen wunderschönen, glasklaren Tenor hören. Kenneth Beal und Hyeong-Joon Ha sind als Melot und Steuermann adäquat besetzt. Der Männerchor tönt doch recht unkultiviert und viel zu laut – aber vielleicht sollen Untote so klingen…


FAZIT


Diese Zombie-Version des Tristan überzeugt ganz und gar nicht. Aber musikalisch gibt es in Würzburg Außergewöhnliches und Begeisterndes zu hören.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Calesso

Inszenierung
Hermann Schneider

Bühnenbild und Kostüme,
Videos und Animation

Falko Herold

Chor
Markus Popp

Dramaturgie
Christoph Blitt


Komparserie des
Mainfranken Theaters
Würzburg
 
Herren des Opernchores
und des Extrachores des
Mainfranken Theaters
Würzburg

Philharmonisches Orchester
Würzburg


Solisten


Tristan
Paul McNamara

König Marke
Johan F. Kirsten

Isolde
Anja Eichhorn

Kurwenal
Joachim Goltz

Melot
Kenneth Beal

Brangäne
Karen Leiber

Ein Hirt/
Ein junger Seemann
Joshua Whitener

Steuermann
Hyeong-Joon Ha


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Mainfranken Theater Würzburg
(Homepage)




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