LES BOULINGRIN
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Theater an der Wien
Konzertante Aufführung
23.1.2012

Musikalische Leitung: Emilio Pomárico

Klangforum Wien

Des Rillettes- Lionel Peintre
Madame Boulingrin- Edwige Bourdy
Monsieur Boulingrin - Vincent Bouchot
Félice - Donatienne Michel-Dansac


Zum Totlachen
(Dominik Troger)

In einer konzertanten Aufführung ermöglichte das Theater an der Wien die Begegnung mit einer brandneuen Oper aus dem Jahr 2010 von Georges Aperghis: „Les Boulingrin“ – nach dem gleichnamigen Theaterstück vom Georges Courteline.

Diese „Opéra-bouffe“ – ein Auftragswerk der Opéra Comique Paris und auch dort uraufgeführt – wurde konzertant gespielt. 10 Musiker des Klangforums Wien unter der Leitung von Emilio Pomárico begleiteten vier Sänger bei ihrem Sprechgesang. Alle Mitwirkenden hatten auf der Bühne des Theaters an der Wien Aufstellung genommen und sorgten für eine hochkarätige Leistungsshow in Sachen zeitgenössisches Musiktheater. Das Haus war gemessen am Anlass gut besucht – der Klangforum Zyklus vom Konzerthaus war zu Gast, wodurch schon eine Mindestauslastung gegeben war.

„Les Boulingrin“ ist eine böse „Anarchokomödie“ (1898 im Théatre du Grand-Guignol uraufgeführt). In der an die Abonnenten verschickten Vorankündigung des Klangforums wurde empfohlen, für die Aufführung Baldriantropfen bereit zu halten – so schlimm wars dann aber doch nicht. Die Geschichte handelt von dem professionellen Schmarotzer Des Rillettes, der sich vom Ehepaar Boulingrin durchfüttern lassen möchte. Doch Dame und Herr Boulingrin drehen den Spieß um und beginnen mit dem „Gast“ ein sadistisches Spielchen zu spielen. Ob Des Rillettes den Besuch überlebt, bleibt unklar. Aber nachdem er einen Bauchschuss abgekommen hat und Madame Boulingrin Feuer legt, schaut seine Lage nicht besonders rosig aus.

Die erste Hürde, die sich dem Publikum stellte, war die Herausforderung, dieses am Rande der Geschmacklosigkeit balancierende Stück „witzig“ zu finden. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht, aber hier liegt er in einer Form vor, in der er gleichsam auskristallisiert. Das Stück spielt mit Formen des Humors, treibt sie auf die Spitze, sucht ein finales Lachen, das einem im Halse stecken bleibt.

Georges Aperghis, der 1945 in Athen geborene und schon lange in Paris lebende Komponist, hat mit seiner Musik nicht dagegen gearbeitet. Das kleine Orchester lacht unentwegt, es lacht sich durch die Aufführung, am Schluss ist es ganz atemlos vor Lachen – und ein finales „Plopp“, mit einer Luftpumpe erzeugt, krönt das Werk – „Plopp“ und die Luft ist draußen und wir haben alle ausgelacht. Aber nachdem das Publikum gerade dieses „Plopp“ besonders witzig fand, rettete sich das Lachen aus dem Stück in die Welt hinüber, und so soll es bei einer Komödie auch sein.

Aber eigentlich kam man wenig zum Lachen – das hat für einen ja das Orchester übernommen. Zwei gleich am Beginn mordsmäßig „lossägende“ Celli, die Bläser – Klarinette, Horn, Saxophon, Flöte – als Dauerlacher, eine Akkordeon fürs Gemüt, ein Klavier für den guten bürgerlichen Geschmack und vor allem das Schlagwerk für die Liebe zum Detail. Hier waltete der wahre musikalische Anarchismus, wenn das Messer über den Schleifstein wetzt, und nebenher Herr Boulingrin mit Worten weidlich ausschlachtet, wie ihn seine Gemahlin fleischhauerlich zu zerteilen gedenkt. Da Klimpern die kopfüber aufgehängten Flaschen und da Zittern die Gläser auf dem silbernen Tablett ihr feines „Klingklang“ – „Plopp“. (Es wurde in den siebzig Minuten dreimal geploppt und dreimal lachte das Publikum, als der durch die gepumpte Luft losgedrückte Plastikdeckel „ploppte“. )

Natürlich wäre eine szenische Aufführung einer konzertanten vorzuziehen gewesen – die vier Protagonisten waren dem Typ nach gut besetzt: das hätte in der Bühnenaktion recht unterhaltsam werden können. Donatienne Michel-Dansac sang das überdrehte Stubenmädchen, Lionel Peintre den zwischen die Ehegemahlfronten geratenen Des Rilettes. Vincent Bouchot gab den gewalttätigen Monsieur Boulingrin und Edwige Bourdy die schwer überspannte Madame.

Aber vielleicht haben die Boulingrins nur eine Show abgezogen und machen das öfter, in dem sie sich „Publikum“ von der Straße in die Wohnung holen. Wie viele Leichen liegen dort wohl schon im Keller vergraben? „Plopp!“