Opernraritäten und verbotene Leidenschaften
Mit großem Aufwand widmete man sich zwei russischen Opernraritäten. „Iolanta“ ist Pjotr Iljitsch Tschaikowskis letzte Oper nach einem Libretto seines Bruders Modest, der auch den Text für Rachmaninows ebenfalls letztes Bühnenwerk beisteuerte.
Regisseur Stephen Lawless spürte zahlreiche Gemeinsamkeiten in Stoff und Umgang damit auf. Dabei erschien das Märchen um die blinde Iolanta weniger eindringlich als das Drama um Francesca da Rimini aus Dantes „Göttlicher Komödie“, für das er das höllische Inferno in einen sowjetischen Gulag verlegte und so aus der Liebesgeschichte ein packendes Politdrama machte. Beide Protagonistinnen empfinden ihr Leben als Kerker, was durch das imposante Bühnenbild von Benoît Dugardyn eindrucksvoll untermauert wurde. Mit den gelungenen Kostümen von Jorge Jara und der stimmigen Lichtgestaltung durch Patricia Collins blieben nachdrückliche Bilder im Gedächtnis. Am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien stand der Musikdirektor des Moskauer Bolschoi-Theaters, Vassily Sinaisky, der das bestens disponierte Orchester klangschön musizieren ließ, aber bei Tschaikowski nicht ganz jene entfesselte Leidenschaft herüberbrachte. Bei Rachmaninow kochte hingegen der höllische Klangkessel über.
Technik der russischen Schule
Dem Theater an der Wien ist es wieder gelungen, hervorragende, noch junge Sänger nach Wien zu holen. Man merkte deutlich die russische Sängerschule, bei der die Technik perfekt sitzt und den Sängern freien Lauf bei der musikalischen Gestaltung lässt. Das war besonders bei Dmitry Belosselsky zu beobachten, der den König René und Lanceotto Malatesta verkörperte und mit einer gewaltigen, manchmal ein bisschen zu bremsenden Stimme und unerbittlich intensivem Ausdruck beide Rollen hervorragend gestaltete. Nicht minder begeistert waren die Zuhörer von Saimir Pirgu, der als Gottfried und Paolo zweimal den unsterblich Verliebten mimte, mit sicherer Höhe und wunderbarem Timbre. Olga Mykytenko war sowohl Iolante als auch Francesca und begeisterte mit einer klar geführten Stimme, wunderbar reiner Intonation und lyrischer Interpretation. Beeindruckend auch Svetlana Shilova als Amme Martha und Elchin Azizov als Wunderheiler Ibn-Hakia sowie das gesamte ideal aufeinander abgestimmte Ensemble.
Viel zu tun und – brillant wie immer – zu singen hatte auch der Arnold Schönberg Chor.
Info: Ö1 überträgt am Samstag, 21. 1., live.
Oper: P. I. Tschaikowskis „Iolanta“ und S. Rachmaninows „Francesca da Rimini“, Theater an der Wien, 19. Jänner
OÖN-Bewertung: sechs von sechs Sterne