Die neue Spielzeit der Deutschen Oper möchte mit einem Programm zwischen Wagner und Minimal Musik bunter sein.

Der Opernbetrieb ist oft dann am spannendsten, wenn improvisiert werden muss. Der Stuhl von Generalmusikdirektor Donald Runnicles bleibt bei der Saisonvorschau am Donnerstag in der Deutschen Oper leer. Intendant Dietmar Schwarz kippt symbolisch das Namensschild des kurzfristig erkrankten Dirigenten um. Irgendwann läuft Operndirektor Christoph Seuferle mit seinem Handy aus dem Raum. Nach seiner Rückkehr wird mitgeteilt, dass die abendliche „Arabella“-Aufführung gerettet sei. Für Sir Donald fliege gerade Dirk Kaftan aus Warschau ein, seine Partitur werde aus Bonn, wo er Generalmusikdirektor ist, angeliefert. Eine gewisse Erleichterung ist auf dem Berliner Podium zu spüren.

Intendant Dietmar Schwarz hatte zu Beginn lächelnd eine Anekdote erzählt, die ihm aber offenbar zu schaffen macht. Nachdem sein designierter Nachfolger Aviel Cahn im Februar offiziell vorgestellt wurde, kam Altbundestagspräsident Wolfgang Thierse auf ihn zu und fragte, wie er sich in seinen letzten Tagen an der Oper so fühle? Schwarz antwortete ihm, an Opernhäusern gehe es nicht so schnell wie bei Rücktritten von Politikern oder Fußballtrainern. Sein Vertrag ende 2025 und bis dahin habe er noch über 20 Premieren. Sechs große Premieren sind für die kommende Spielzeit angekündigt.

„Pink Power für Puccini“ wird die erste Premiere am 30. September beworben. Regisseurin Pinar Karabulut hat sich fürs Foto in der Saisonbroschüre entsprechend gekleidet. Die Mittdreißigerin war für ihre anarchisch-bunte „Greek“-Inszenierung auf dem Parkdeck des Opernhauses zur Sympathieträgerin geworden, denn in der pandemischen Depressionszeit traf ihr comichafter Witz die Gemüter. Aber Puccinis „Il Trittico“ ist eine ernste Nummer. Runnicles vertraut ihr, denn er wollte sie nach dem „Greek“-Erfolg unbedingt an der Deutscher Oper weiter aufbauen. Der GMD steht selber am Pult.

Das Wort Hagebuttenmarmelade im Text irritiert eine Sopranistin

Nach seiner „Arabella“ wird Starregisseur Tobias Kratzer an der Deutschen Oper seinen Richard-Strauss-Zyklus mit „Intermezzo“ fortsetzen. Dass Stück sei noch nie an der Deutschen Oper gespielt worden, sagt Dietmar Schwarz. Die Premiere ist am 25. April 2024. Sopranistin Maria Bengtsson studiere bereits ihre Partie der Christine, erzählt Seuferle. Sie rief bei ihm gerade an und fragte, ob das Wort Hagebuttenmarmelade korrekt sei? Als gebürtige Schwedin war ihr das Wort unvertraut. Beiläufig lernt man, dass Komponist Richard Strauss gerne Hagebuttenmarmelade zum Frühstück aß.

„Einen Hollywoodausflug“ kündigt der Intendant mit John Adams’ Minimal-Musik-Oper „Nixon in China“ für den 22. Juni 2002 an. Eigentlich wird darin Weltpolitik verhandelt. Die Oper verfolgt in einer satirisch überhöhten TV-Dokumentation den Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon 1972 bei Mao Tse-tung. Das Künstlerkollektiv „Hauen und Stechen“ mit den Regisseurinnen Franziska Kronfoth, Julia Lwowski und Bühnenbildnerin Yassu Yarbara nehmen sich der gerade angesagten Oper an und bringen sie erstmals in Berlin auf die Bühne.

Eine ursprünglich geplante Uraufführung von Aribert Reimann wurde um ein Jahr verschoben. Der 87-jährige Komponist, der in seiner Heimatstadt Berlin verehrt und von den Opernleuten auf Händen getragen wird, war mit seiner neuen Oscar-Wilde-Oper nicht rechtzeitig fertig geworden. Stattdessen wird am 27. Januar George Benjamins „Written on Skin“ in der Uraufführungsinszenierung von Katie Mitchell, die beim Festival d’Aix-en-Provence 2012 erstmals zu sehen war, gezeigt. Stolz verweist man am Donnerstag auf den Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen, der bereits für Reimann als Dorian Gray eingeplant war und jetzt bei Benjamin den First Angel singt.

In der kommenden Saison werden die zehn großen Wagner-Opern aufgeführt

Tschaikowskis „Pique Dame“ sollte bereits 2020 gezeigt werden, musste aber – obwohl weitgehend fertig geprobt – wegen der Pandemie verschoben werden. Regisseur Graham Vick starb im Juli 2021 an Corona. Der mit ihm befreundete Regisseur Sam Brown führt die Produktion zu Ende, Premiere ist am 9. März 2024. Sebastian Weigle dirigiert. Bei Donizettis „Anna Bolena“ (15. Dezember) verweist man am Donnerstag besonders auf die junge Belcantosängerin Federica Lombardi in der Titelrolle.

Darüber hinaus hat das Opernhaus für die Spielzeit 2023/24 einen besonderen Richard-Wagner-Schwerpunkt gesetzt. Auf dem Programm stehen dann Inszenierungen aller zehn großen Opern, die nach dem Willen des Komponisten in Bayreuth gespielt werden dürfen. Als Repertoire-Opernhaus werden in der kommenden Saison insgesamt 38 Titel auf der großen Bühnen gezeigt. Das Publikum sei nach der Pandemie noch nicht vollständig zurück, erklärt Geschäftsführer Thomas Fehrle. Derzeit liege die Auslastung bei rund 74 Prozent. Weil sich das Publikum immer kurzfristiger für den Opernbesuch entscheide, gibt es jetzt einen Frühbucherrabatt von zehn Prozent.