Hauptbild
Roland Schwab. Foto: © Matthias Jung
Roland Schwab. Foto: © Matthias Jung
Hauptrubrik
Banner Full-Size

„Schönheit ist hier tatsächlich absolut mein Thema“ – Roland Schwab im Gespräch mit Joachim Lange zur Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ in Bayreuth

Publikationsdatum
Body

Der neue Ring war schon vor zwei Jahren für den Grünen Hügel geplant und kommt jetzt, mit zwei Jahren Verspätung Premiere. Für den aktuellen Jahrgang hatte Katharina Wagner aber noch eine Überraschung bereit: Zur traditionellen Eröffnung der Festspiele am 25. Juli wird es zusätzlich eine Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ geben. Inszenieren wird mit Roland Schwab (*1969) einer der gefragten Regisseure seiner Generation. Einen Monat vor der Premiere traf sich der Regisseur in Bayreuth vor dem Festspielhaus mit unserem Mitarbeiter Joachim Lange zum Gespräch.

Jeder will wissen: wann kam der Tristan-Auftrag, wie lange Bedenkzeit?

Die Anfrage kam Mitte Dezember 2021. Vertraglich fix gemacht haben wir es kurz vor Weihnachten. Und abgabegerecht finalisiert für die Werkstätten musste es einen Monat später sein! 

Wir hatten aber auch einen guten Lauf: Ich war gerade mit meinem Team am Aalto-Theater in Essen wegen Puccini’s „Il Trittico“. Wir haben uns zusammengesetzt und einfach angefangen. Nie mit Klage, sondern mit großer Lust! Wir haben das parallel in Nachtschicht gemacht und schon bald etwas für uns Stimmiges gefunden!

Das dürfte für Bayreuth ein Rekord sein …

Na ja, dieser eine Monat war natürlich positiver Stress. Aber einer, den man singulär mitnimmt und sogar toll findet. Unter einem gewissen Druck entsteht ja nicht das Schlechteste!

Haben Sie – wenigstens mal kurz – daran gedacht, Nein zu sagen?

Nein! Natürlich nicht!

Sie sind ja kein Neuling in der Branche, aber es ist erst ihr zweiter Wagner nach dem Salzburger „Lohengrin“ – und dann ausgerechnet „Tristan“; und das auch noch in Bayreuth! Wird einem da nicht etwas unheimlich?

Unheimlich wäre es, wenn ich erst jetzt frisch zu Wagner gekommen wäre. Aber wenn man sein ganzes bisheriges Leben mit Wagner gelebt und sehr viel gesehen hat, dann ist das so unheimlich nicht. Kann aber sein, dass es mir vor der Premiere am 25. Juli mal kurz unheimlich wird. (lacht) Richard Wagner ist für mich ein absolutes musikalisches Zuhause. Die große Verehrung für Wagner, Tristan und für Bayreuth lösen keinerlei Paralyse aus, ganz im Gegenteil, das Bewusstsein für die besondere, einmalige Aufgabe und Konstellation beflügeln mich.

Warum haben Sie dann bisher so wenig Wagner inszeniert?

Ich bin ein Freund von verzögertem Genuss. Als ich als Jugendlicher Tristan das erste Mal gehört habe, wollte ich es bei ihm – im Gegensatz zu den anderen Werken Wagners – nur bei einem Querschnitt aus Schallplatte belassen, mir etwas aufheben für später, damit ich nicht alles schon auf einmal hatte…

Aber, wenn sich ein Werk nicht abnutzt, sondern umgekehrt, immer tiefer, immer besser wird, dann ist es der Tristan. Die Sorge des Jugendlichen war also ganz und gar überflüssig.

Als Katharina Sie gefragt hat, gab es also kein konkretes Konzept im Schubfach, aber vielleicht eins in Gedanken, im Unterbewusstsein?

Bei „Tristan und Isolde" geht es doch am Ende darum, was will der Hörer oder Zuschauer eigentlich, wenn er sich darauf einlässt? Ich glaube, es ist dieses „Löse von der Welt mich los“ oder eben das „ertrinken, versinken, unbewusst, höchste Lust“ mit dem der sogenannte Liebestod verklingt. Das ist die Essenz. Und genau da setze ich mit der Inszenierung an.

Also ist das Ganze ein Sehnsuchts- oder Weltfluchtwerk für Sie?

Ich glaube tatsächlich, dass man damit im Kontext einer allgemeinen Dekonstruktion wieder etwas besonderes haben kann. Diesem Zauber möchte ich wieder Raum geben in einer Zeit, die uns mit Blick auf die aktuelle Welt alle dermaßen zermürbt.

… kein Mahnmal gegen, sondern ein Denkmal für die Liebe

Das psychologisch analytische Herangehen mit der Erkenntnis, dass kein Raum für Liebe mehr möglich ist, diesen gewissen Nihilismus, wiederhole ich nicht noch mal. Ich schätze die Vorgängerinszenierungen von Christoph Marthaler und von Katharina Wagner hier in Bayreuth sehr – aber deren Wege will ich bewusst nicht gehen. Diesmal kein Mahnmal gegen, sondern ein Denkmal für die Liebe. Und für ihr ewiges Weiterleben.

Also ein Gegenentwurf auf der Bühne zur hässlichen Welt da draußen?

Schönheit ist hier tatsächlich absolut mein Thema. Eine geradezu surreale Schönheit. In dem vorherrschenden Kontext von gängiger Dekonstruktion von Gefühlen in desillusionierendem Ambiente wird das, was wir zur Festspieleröffnung bieten, wie extraterrestrisch wirken …

Gibt es denn keinen konkreten Raum?

Konkret und deutbar im Sinne eines Milieus tatsächlich nicht. Friedrich Nietzsche nannte Tristan ja das Opus metapyhyicum. So gibt es bei uns einen quasi metaphysischen Grundraum mit Modifikationen. Der ist gut handlebar und man vermeidet technische Unwägbarkeiten. Es ist ein dualistischer, dialektischer Raum, der in jedem Akt einen eigenen Charakter hat. Aber er ist interpretationsoffen. Die Fixierung auf ein Milieu engt ja leider oft auch ein. Da ist man festgenagelt. Bei Tristan sollte das Loslösen auch für konkrete Milieus gelten ….

Es geht auch um ein Loslösen von kommunikativer Erreichbarkeit; um ein Paar, das immer mehr von einem Kontext der Verständlichkeit abdriftet, das nicht mehr für die Umwelt erreichbar ist. In ihrer eigenen Sprache verstehen sie sich schließlich nur noch selbst. Die Jenseitigen lassen die Diesseitigen verstört und ratlos, sogar beschämt am Ufer zurück. Auch das bedient dieser Raum sehr gut.

Und wie sieht es mit der Akustik aus? Da gehts ja um Erreichbarkeit der Hörer….

Soweit man das bis jetzt sagen kann, hat der Raum den Akustik-Test gut bestanden, was ja nicht selbstverständlich ist. Die Wortverständlichkeit ist groß.

Ihre beiden Titelhelden Stephen Gould und Catherine Foster sind bayreutherprobt, aber Sie und Cornelius Meister verantworten das erste Mal eine Produktion.

Cornelius Meister wurde in Anbetracht der Extrabedingungen dieses zusätzlichen Tristans wohl auch deswegen ausgesucht, weil er das Haus sehr gut von früher kennt, als Assistent und Hospitant. Viele Endproben gibt es hier nicht – man muss es einfach drauf haben. Und das ist bei Cornelius der Fall. Ich bin sehr zuversichtlich in diesem Gespann!

Wie kommt man als Regisseur mit den Festspielbedingungen klar? Eine Premiere zusätzlich zu einem kompletten neuen Ring, das hat es hier ja auch noch nicht gegeben.

Es ist alles wahnsinnig eng getaktet. Ich habe aber ausgezeichnete Assistentinnen, die das alles perfekt organisieren. Man muss hier schon sehr strukturiert arbeiten und die Zeit, die man hat, konzentriert nutzen. Zugleich erlebe ich das ganze Haus und die Technik ausgesprochen positiv – man hat nie den Eindruck, dass Pflichtdienste absolviert werden – es ist alles williges Helfen.

Und wenn ich dann erlebe, dass Catherine Foster in den Probenpausen noch Brünnhilde in Budapest singt. Oder Stephen Gould neben Tannhäuser und Siegfried manchmal zur dritten Probe hintereinander zu mir kommt, da fühlt man sich fast schuldig, wenn man ihm dann noch eine abverlangt. Aber der sagt nichts und stöhnt nicht. Das gilt für alle Protagonisten und das ist einfach toll.

Vier Wochen vor der Premiere – wie ist ihr Gefühl?

Am Ende muss das Ganze aufgehen, das Publikum muss mitkommen. Man hat eine Chance und die muss man nutzen. Die Sänger können zum Glück dem Konzept einiges abgewinnen, wohl auch, weil ich mich den Gefühlen nicht querstelle. Ich müsste mich sehr täuschen, aber der Sog, der hypnotische Effekt wird einsetzen. Und wollen wir nicht alle ein klein wenig teilhaben an dieser Art von Wahnsinn …?

 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!