Rainer Mennicken hätte in Linz weiter Intendant bleiben können: "Ja, das Angebot gab es. Aber für mich kann es nicht mehr schöner werden, es hat sich alles erfüllt."

Foto: Wakolbinger

Wien - Nun ist es fast schon zwei Jahre her, dass Linz - in ökonomisch anspruchsvoller Zeit - mit einem neuen Opernhaus verziert wurde. Intendant Rainer Mennicken allerdings wirkt immer noch ein bisschen so, als könne er nicht glauben, wie sicher das Projekt schließlich doch gelandet ist. Und wie gut es vor allem auch danach zu laufen begann - nachdem Hochstimmung und Erleichterung dem Theateralltag wichen.

"Es ist eigentlich nicht zu fassen, es ist nicht zu glauben: Jeder hat damals gesagt", erinnert sich Mennicken, "wir hätten ein halbes gutes Jahr vor uns. Mehr gab man uns nicht, dann würde das Interesse abflauen." Das Gegenteil sei der Fall gewesen, "unlängst ist die 300.000ste Karte für die laufende Saison verkauft worden! Das ist sechs Wochen früher als in der vorigen Saison. Und wir haben im ersten Halbjahr der laufenden Saison um 3000 Eintrittskarten mehr verkauft als im entsprechenden Zeitraum 2013/14."

Es sei also wahrscheinlich, "dass wir die bisherigen guten Ergebnisse noch übertreffen werden", denkt Mennicken, der für die nächste, gleichzeitig auch seine letzte Linzer Intendantensaison durchaus internationale Kapazitäten engagiert hat.

So inszeniert 2016 Achim Freyer Debussys Pelléas et Mélisande, und Bild- und Lichttüftler Robert Wilson wird die kommende Premierenspielzeit mit Verdis La Traviata eröffnen (19. 9.). Das klingt so einfach. Im Falle Wilsons aber ist die Anbahnung und Planung dieses Projektes fast ein bisschen mit der Eröffnung des Opernhauses zu vergleichen.

Das Projekt "Traviata"

"Wir haben das Projekt von Gerard Mortier geerbt. Er hatte es für Madrid geplant, dort aber ist das Projekt zerschellt, und Mortier ist dann leider gestorben. Wir wollten jedenfalls das Erbe antreten, es hat jedoch ein Jahr Verhandlungen gebraucht, um das zu schaffen. Man kann Wilson nicht einfach anrufen und fragen, ob er Zeit und Lust hat. Hinter ihm steckt eine ungeheuer komplexe Struktur. Es war schwierig."

Damit das Projekt klappt, kommen denn auch Leute "bereits 14 Tage früher aus dem Urlaub", als es üblicherweise der Fall ist. Wilson sei ja gefürchtet "für seine genaue, zeitraubende Arbeit", so Mennicken, der übrigens gefragt wurde, ob er seinen Vertrag nicht verlängern möchte: "Ja, das Angebot gab es. Aber für mich kann es nicht mehr schöner werden, es hat sich alles erfüllt. Was soll für mich noch kommen? Ich habe alles ausgelotet, was innerhalb dieser Struktur möglich ist. Ich bin am Ende meines Vertrages 66 und will, dass für mich dann das Leben anfängt." Man müsse ja achtgeben, dass man mit den Jahren nicht ausgepumpt wirkt.

"Man wird doch auch zum Sklaven der tagtäglichen Notwendigkeiten. Und ich kann mich dem nicht entziehen, bin quasi immer an der Front dabei. Es überkommt mich jetzt schon bisweilen das Gefühl von Befreiung: Ich mache nicht jetzt schon die Pläne für die übernächste Spielzeit! Die freie Zeit werde ich für meine Obsessionen nutzen, fürs Schreiben, fürs Zeichnen, für die Kunstgeschichte." Und fürs Inszenieren natürlich, da und dort.

In seiner letzten Saison wird er es auch in Linz tun: Mennicken nimmt sich Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel vor, womit er dem Programm quasi etwas "Leichteres" hinzufügt, und dies ganz bewusst. "Der ganze Erfolg ist nicht ohne ein Mischprogramm zu erreichen. Kein Spezialprogramm würde das schaffen. Aber auch prinzipiell bin ich ein Anhänger der Vielfalt und des Mehrspartentheaters."

Musical und Ballett

So haben kommende Saison neben Oper (etwa die Uraufführung von Terra nova oder das Weise Leben) auch Ballett und Musical ihren Programmplatz (u. a. Singin' in The Rain und Tommy). "An manchen Tagen haben wir ja 2000 Leute bei uns", das sei nicht ganz leicht zu schaffen, so Mennicken, der "dem Schicksal dankbar ist für das unglaubliche Schweineglück, das ich hatte! Ich kam ja erst nach Linz, als alle Kämpfe ausgefochten, alle Entscheidungen gefallen waren. Ich musste nur noch arbeiten."

Wobei kein Mensch die Erfolgsformel habe: "Im Grunde weiß niemand, wie es geht, wie man Erfolg hat. Man kann sich nur um Niveau bemühen." (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 7.4.2015)