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Bühne und Konzert Festival

Das Herz der Wiener Finsternis liegt im Kongo

Noch gibt’s was zu lachen – aber nicht mehr lange! Sarah Wegener und Otto Katzameier in der Inzestoper „Bluthaus“ von Georg Friedrich Haas (Musik) und Händl Klaus (Libretto) Noch gibt’s was zu lachen – aber nicht mehr lange! Sarah Wegener und Otto Katzameier in der Inzestoper „Bluthaus“ von Georg Friedrich Haas (Musik) und Händl Klaus (Libretto)
Noch gibt’s was zu lachen – aber nicht mehr lange! Sarah Wegener und Otto Katzameier in der Inzestoper „Bluthaus“ von Georg Friedrich Haas (Musik) und Händl Klaus (Libretto)
Quelle: picture alliance / HERBERT NEUBA
Schluss mit der Repertoire-Gemütlichkeit! Die Wiener Festwochen waren dieses Mal nicht zimperlich. Regisseure wie Michael Haneke und Peter Mussbach sorgten für düstere Höhepunkte.

Erbarmungsloser Machtkampf, desillusionierte Liebe, Tod, Inzest, Blut. Die Themen im Musiktheaterprogramm der diesjährigen Wiener Festwochen hatten es in sich. Kein frühsommerliches Genuss- und Verwöhnprogramm. Gleich zu Beginn lag Euridice in Romeo Castelluccis Deutung von Glucks „Orfeo ed Euridice“ per Videozuspielung als Wachkomapatientin vor den Zuschauern. Selbst die für drei Aufführungen aus Madrid importierte „Così fan tutte“-Inszenierung von Michael Haneke sprengte den Rahmen.

Im wahrsten Sinn des Wortes. Denn um das ohnehin stark verkleinerte Bühnenbild aus Madrid ins Theater an der Wien zu transferieren – Haneke hatte auf diesem Spielort bestanden – waren sogar bauliche Maßnahmen notwendig. Danach machten dann manche lange Gesichter, weil sie statt einer Neubeschwörung des „Wiener Mozartstils“ samt heiterem szenischem Geplänkel einen höchstens mit ein paar galligen Pointen getoppten, in seiner Genauigkeit und zynischen Schärfe faszinierenden Musiktheaterabend mit jungen Sängern erlebten.

Die Politik machte Haneke ihre Aufwartung

Immerhin, vom österreichischen Bundeskanzler über den Kulturminister abwärts war die Prominentendichte an diesem Premierenabend enorm, um Haneke die Aufwartung zu machen. Eine Hommage an die Ausnahmekomponistin Galina Ustwolskaja, die Festwochen-Intendant Markus Hinterhäuser als Herzenswunsch und mit sich selbst als Pianist in das erste von ihm verantwortete Programm einstreute, eignete sich ebenfalls kaum als Begleitmusik für den lauen Sommerabend.

Als der Künstler William Kentridge Schuberts „Winterreise“ filmisch begleitete, saß Hinterhäuser, mit Matthias Goerne singend zur Seite, noch einmal am Flügel. Er tat dies sogar noch am letzten Abend der Festwochen, die am Sonntag zu Ende gingen, als längst bewiesen war, dass die aktuelle Ausgabe im Musiksegment der routinierten Nonchalance der letzten Jahre eine wohltuende Absage erteilt hatte.

Nicht alles war dabei restlos gelungen, aber doch vieles, und in jedem Fall konnten die Festwochen mit ungewöhnlichen, nicht alltäglichen Produktionen, auch mit Zeitgenössischem, starke Akzente in die Wiener Repertoiregemütlichkeit setzen. So traf man auch den ehemaligen Langzeitdirektor der Wiener Staatsoper als begeisterten Festwochen-Geher, der allerdings seinen Nachfolger und die Kollegen der anderen Opernhäuser bei seinen Besuchen vermisste, wie er monierte.

Brutales Königsdrama, brutal gekürzt

Etwa bei Brett Baileys Sicht auf Giuseppe Verdis „Macbeth“. In seiner dritten Auseinandersetzung mit dem Stoff verlegte der Südafrikaner die Handlung in den Kongo. Dafür wurde der Dreistünder auf die pausenlose Hälfte komprimiert. Fabrizio Cassol schuf die musikalische Fassung und eine Instrumentierung für Kammerorchester, die überzeugte und subtil den Ton Verdis traf. Der Flüchtlingschor „Patria opressa“ setze zu Beginn und am Ende die Klammer für den blutigen Kampf um Geld und Macht.

Bailey ließ italienisch singen, übertrug aber die Texte per Übertitel in eine sehr heutige Sprache. Ein Podest wie ein Boxring, dahinter eine Leinwand, bunte, afrikanisch inspirierte Kostüme und ein paar Requisiten genügten ihm für diesen „Macbeth“-Digest. Mit entsprechenden Projektionen wurde aus dem schottischen Königsdrama das brutale Machtgezerre kongolesischer Potentaten, angetrieben und verführt von Großkonzernen, die skrupellos nach den Bodenschätzen des Landes gieren.

Den Vorwurf einer gewissen Plakativität, die sich auch durch fiktive Schreckensbiografien und Mitleid heischende Kinderfoto-Projektionen einstellte, kann man dieser „Macbeth“-Fassung nicht ganz ersparen. In ihrer urgewaltigen Kraft, die auch den famosen schwarzen Sängerdarstellern der Third World Bunfight-Company aus Kapstadt zu danken war, hinterließ der Abend dennoch einen tiefen Eindruck.

Gluck und Monteverdi im Happy-Afrika-Sound

Das ließ sich vom zweiten musikalischen Kongo-Ausflug nicht behaupten. „Coup Fatal“, „Todesstoß“, nennt sich ein Projekt, das der aus dem Kongo stammende Countertenor Serge Kakudji und der belgische Choreograf Alain Platel generierten und bei den Festwochen erstmals vorstellten.

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Versprochen war eine Produktion, die die Lebensfreude barocker Arien in die Düsternis des von Krieg und Zerstörung gezeichneten kongolesischen Alltags transferieren sollte, auf die Zustände im Kongo hinweisen und auch noch die Gewalt an Frauen und Kindern anprangern wollte. Dies mithilfe der „Sapeurs“, modeaffinen, stolzen Dandys, ein gesellschaftliches Phänomen aus Kinshasa.

Erneut schuf Fabrizio Cassol gemeinsam mit Rodriguez Vangama eine Fassung, die Musik von Monteverdi, Händel und Gluck für E-Gitarre und afrikanisches Instrumentarium aufbereitete. Was in der Theorie Spannendes versprach, gerann dann zum lauen Happy-Afro-Sound-Konzert. Counter Serge Kakudji mühte sich mit Tonhöhen und Koloraturen, und jegliche Aussage verflüchtigte sich hinter dem Dauer-Power-Getriebe der an sich großartigen, auch singenden und tanzenden Musiker, sodass man sich eher bei einem Gute-Laune-Abend im Club Med Kinshasa wähnte.

Das „Bluthaus“ wurde für Wien renoviert

Weit größere Konsistenz bewies die Zweitfassung von „Bluthaus“, jener Oper, die Georg Friedrich Haas und Händl Klaus 2011 für Schwetzingen schufen. Haas hat nun einiges umgearbeitet und ergänzt. Nach der Uraufführung dieser Version in Wien reiste die Produktion in reduzierter szenischer Fassung nach Hamburg und kehrte für zwei Vorstellungen wieder ins Theater an der Wien zurück.

In der präzisen, stimmigen Inszenierung des düsteren Inzestdramas durch Peter Mussbach brillierte die Schwetzinger Uraufführungsbesetzung (Sarah Wegener, Otto Katzameier, Daniel Gloger, Ruth Weber) sowie das famose Klangforum Wien unter Peter Rundel.

Trotz mancher Länge faszinierte, wie exakt hier die originäre, eindrückliche Tonsprache von Haas, wie Gesungenes und Gesprochenes mit dem Text von Händl Klaus ineinandergreifen. Ein schönes, zeitgenössisches Licht für die Wiener Festwochen 2014.

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