Regisseur Robert Carsen und ... 

Foto: Armin Bardel

... Choreograf Nicolas Paul (kleines Foto) verlegen die Handlung der Ballettoper "Platée" von einer Sumpflandschaft der Antike auf die glatten Laufstege der Modewelt.

Foto: Anne Deniau

Wien - Was für ein witziges Stück! Die Geschichte von der so hässlichen wie selbstverliebten Sumpfnymphe Platée, der von einem allmächtigen Männerbund übel mitgespielt wird, ist an sich schon ein drolliger, ungewöhnlicher Opernstoff. Aber das Libretto von Adrien-Joseph Le Valois d'Orville frisiert den Handlungsgang noch weiter zu einer deftigen, klamauknahen Komödie auf, der sich auch der sonst so elegant komponierende Jean-Philippe Rameau nicht verweigert.

Da quaken Platées Gefährten, die Frösche, oft munter und vulgär aus dem Bund der Orchesterstimmen. Die grünen Dinger würden in seiner Inszenierung definitiv nicht vorkommen, meint Starregisseur Robert Carsen bestimmt: "This is a non-frog Platée."

Und im Prolog der Oper, wenn im Stelldichein der Allegorien die Theaterkunst, die Poesie, der Spott und die Liebe die Geburt der Komödie betreiben, würde man diese Personifizierungen in seiner gegenwartsnahen Inszenierung auch nicht durch ihre Kostüme als solche erkennen. Schade. Sie könnten alle T-Shirts tragen, mit ihrem Namen quer über der Brust. Aber: "Sorry, it's not my style ..."

Gegenwartsnah wird Carsens Inszenierung des Werkes also sein. Er siedelt das Geschehen im Bereich der Pariser Fashionszene an, so viel verrät der gebürtige Kanadier schon einmal. Die Haute-Couture-Welt würde zu Platées Eitelkeit passen, die ihre Entsprechung ja auch in unserer Zeit finde, in der jeder am liebsten in einer dieser lächerlichen Shows zum Star hochgecastet werden möchte, erklärt der 59-Jährige.

Eleganz und Glamour

Die Verlegung der Geschichte von einer Sumpflandschaft der Antike auf die glatten Laufstege der Modewelt macht auch aus einem weiteren Grund Sinn: Platée wurde 1745 am Hof von Versailles uraufgeführt, anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten des Sohns von Ludwig XV. In dieser Zeit wohl der luxuriöseste Platz auf Erden, behauptet Paris seither den Rang als Weltmetropole der Eleganz und des Glamours.

Wie das Ballett in der Barockzeit am französischen Hof so ausgeschaut hat, erklärt Nicolas Paul, sonnig-freundlicher Choreograf von Rameaus Ballet bouffon: Es habe nur vier Armpositionen gegeben und sei ansonsten ganz auf dem vornehmen Schreiten aufgebaut gewesen, erklärt der 35-Jährige. Aber seine - zeitgenössische - Choreografie für dieses Stück würde auf barocken Tanz verzichten. Völlig? Nicht einmal kleine Stilzitate?

Nur ein wenig, im zweiten Akt, verrät Paul, gebe es eine Catwalk-Szene. Und da würde auch, wie beim barocken Tanz, auf eine sehr spezielle Art geschritten. Getanzt wird etwa sechs, sieben Minuten pro Werkteil, so Paul, in Summe also eine knappe halbe Stunde.

Sexuelle Implikationen

Zentraler Aspekt dieser Oper, erläutert Carsen, sei die Satire: "Im England des 18. Jahrhunderts war öffentliche Satire enorm beliebt, das schwappte dann auch nach Frankreich über, man denke etwa an Voltaires Candide." Dabei habe Satire auch sexuelle Implikationen gehabt, sei ins Vulgäre gekippt. Oft hätten diese Vulgaritäten Frauen getroffen, denen, wie Platée, nymphomanische Züge zugeschrieben worden seien.

Die Ballettoper sei als ein spezifisch französisches Phänomen zu betrachten, so Carsen. "Ballett und Oper, das sind normalerweise zwei Welten, die sich kaum berühren, und diese Mischung ist exotisch, außergewöhnlich - und auch schwierig. In gewisser Weise müssen diese Balletteinlagen als ein Sinn machender, organisch sich ergebender Teil der Handlung präsentiert werden. Andererseits weiß man, dass sie damals auch einfach als Divertissements gesehen wurden."

Barocke Theatermaschinerie

In Platée läuft die barocke Theatermaschinerie auf Hochtouren: Jupiter erscheint in einer Wolke, von Nordwinden begleitet, es blitzt, es donnert, ein Funkenregen geht nieder: "Nicht bei uns, fürchte ich", lächelt Carsen. "Aber wir bieten moderne Versionen davon. Ich denke, Sie werden nichts vermissen. Satire muss immer eine Verbindung haben mit den Menschen, die sie konsumieren."

In Frankreich sei Rameaus Platée sehr bekannt und beliebt. Er sei schon gespannt, so Carsen, wie seine Deutung in Paris ankommen werde - aber natürlich auch hier in Wien, wo diese Oper kaum jemand kennt. Am Montag wissen wir mehr. (Stefan Ender, DER STANDARD, 15.2.2014)