Regisseur Kasper Holten zu seiner Philosophie: "Es geht nicht primär um Erfolg, sondern um Mut."

Foto: Sim Canetty-Clarke

Wien - Ja, der Kuchen habe gut geschmeckt, und, nein, für eine Midlife-Crisis hätte er noch keine Zeit gehabt - so beantwortet Kasper Holten die ersten Fragen. Zur Erklärung: Holten hat Ende März seinen 40. Geburtstag gefeiert und von den Künstlern der Produktion einen Kuchen geschenkt bekommen, wie er der Welt via Twitter mitteilte. Und den übrigens Christiane Kargs Schwester, eine Konditorin, gebacken hat.

Der gebürtige Däne - schnellsprechend, schwarz gekleidet, könnte auch als Architekt durchgehen - hat nicht nur als künstlerischer Leiter der Covent-Garden-Oper sowie als Vater einer einjährigen Tochter viel zu tun. In Wien überschnitt sich seine Regietätigkeit am Theater an der Wien auch noch mit dem Treffen von Opera Europa, deren Vizepräsident Holten ist. Wie ist die Stimmung unter den Direktoren in Anbetracht der Subventionseinschnitte speziell in den südeuropäischen Ländern?

"Es gibt überall Probleme, nicht nur im Süden. Auch an der Oper von Kopenhagen, die ich vor London geleitet habe, gibt es seit 2008 drastische Einsparungen, in ganz Skandinavien eigentlich. Lustig ist das nicht. Umso wichtiger ist es, dass wir zusammenarbeiten, Koproduktionen machen. Und darüber reden, wie die Geschäftsmodelle aussehen, die einem solchen Umfeld Rechnung tragen."

Covent Garden sei in dieser Hinsicht - nicht unbedingt auf freiwilliger Basis - schon einen weiten Weg gegangen. Im Gegensatz zum Gros der europäischen Opernhäuser, bei denen meist noch zwischen 50 und 80 Prozent der Budgets von der öffentlichen Hand kämen, seien von den gut 100 Millionen Pfund des Budgets von Covent Garden nur noch ein knappes Viertel öffentliche Gelder. Ein weiteres Viertel trügen die Sponsoren bei, 40 Prozent kämen vom Ticketverkauf.

Doch weit gefehlt, wer denkt, dass Holten diesen lediglich durch Kassenschlager von Tosca bis Traviata einfährt. Mit drei innerhalb eines halben Jahres präsentierten zeitgenössischen Opern (Birtwistle, Benjamin und Barry) wurden gerade Auslastungszahlen an die 100 Prozent erzielt. Und von 2015 bis 2020 werden auf der großen Bühne acht Auftragswerke gezeigt, unter anderem von Thomas Adès und Unsuk Chin, von Jörg Widmann, Kaija Saariaho und Georg Friedrich Haas.

"Wir machen es, weil es uns Spaß macht. Ich liebe Neue Musik. Natürlich gelingt nicht alles - das war auch zu Mozarts Zeit nicht anders. Es geht für mich nicht primär um Erfolg, sondern um Mut." Apropos Mut: Sieht er es als Opernchef als eine couragierte Entscheidung von Roland Geyer, Hector Berlioz' selten gespielte komische Oper Béatrice et Bénédict auf den Spielplan zu setzen? Ehrlich gesagt habe er das Werk vorher fast gar nicht gekannt, so Holten. Und "es ist natürlich mutig von Roland, dass er das Stück ansetzt. Doch die Musik ist zauberhaft, ein bisschen wie der Falstaff von Berlioz, ein Scherzo, ein Caprice nach Les Troyens."

Selten aufgeführte Oper

Warum wird das Werk so selten gespielt? "Die Dialoge sind sehr lang, und Berlioz hat zu den gekürzten Versen von Shakespeares Viel Lärm um Nichts unnötigerweise einiges hinzugedichtet. Ich habe alle Dialoge bis auf zwei gestrichen. Der Schwerpunkt soll auf der Musik liegen, die Handlung wird in den Gesangsnummern entwickelt."

Die Sängerschauspieler, die er für den komödiantischen Handlungsgang benötigt, habe er mit Bernard Richter und Malena Ernman bekommen: "Die Besetzungen hier sind immer hervorragend. Und man hat hier Zeit zu proben. Denn Komödie ist immer viel schwieriger als Tragödie: Alles soll leicht aussehen - und das ist das Schwierigste. Aber ich habe hier tolle Künstler, wenn es kein Erfolg werden sollte, dann liegt die Schuld bei mir!"

Der Großteil der Sänger kannte das Werk nicht - positiv? "Ja. Meine letzten Inszenierungen waren Frau ohne Schatten, Cavalleria rusticana, Lohengrin und Eugen Onegin. Da gibt es eine riesige Interpretationsgeschichte, Erwartungen von Sängern und Publikum, mit denen man umgehen muss. Das ist hier nicht der Fall, und das freut mich sehr. Und ich finde, dieses Stück hat sich sein Publikum wirklich verdient." (Stefan Ender, DER STANDARD, 17.4.2013)