Im Theater an der Wien weht der Geist Homers

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Christophe Rousset leitet die neue Einstudierung von Monteverdis Oper „Il ritorno d'Ulisse“ in der Regie Claus Guths. Das Werk gilt als besonders kompliziert einzustudieren. Premiere ist am Freitag.

„Die Rückkehr des Odysseus“, ein Spätwerk Claudio Monteverdis, gilt als besonders kompliziert einzustudieren, bedarf es doch behutsamer Eingriffe durch die Interpreten. Erhaltenes Quellenmaterial lässt nur ahnen, wie diese Oper anlässlich ihrer Uraufführung, 1641, geklungen haben könnte. Die wichtigste Quelle liegt in diesem Fall sogar in Österreich: „Es gibt ja tatsächlich nur das eine Manuskript, das in Wien aufbewahrt wird“, erzählt Rousset.

„Diese Partitur ist natürlich auch die Basis unserer Aufführung, wobei Regisseur Claus Guth einige Kürzungen vornehmen möchte, vor allem bei den Götterszenen und bei Auftritten von Nebenfiguren. Alles andere spielen wir aber so, wie es die Partitur uns zeigt.“

Und das meint Rousset wörtlich. Er will sich an den Notentext halten, auch wenn dieser weniger reichhaltige Möglichkeiten suggeriert als etwa die bekannten Versionen von „Orfeo“ oder der „Krönung der Poppea“. „Es stimmt“, sagt er, „die Partitur sieht karg aus, wie eine Skizze. Dennoch füge ich nicht viel hinzu.“ Zwei, drei Tanzsätze, die man in Wien zu hören bekommen wird, stammen nicht aus Monteverdis Feder: „Wir haben ein paar Ritornelli von Cavalli eingefügt, weil die Szene in den entsprechenden Momenten Musik braucht. Aber sonst ist alles so originalgetreu wie möglich.“

Auch, was den vergleichsweise reduzierten Klang betrifft, der sich aus der strikten Befolgung des Notentextes ergibt. So könnte diese Aufführung ein Gegenstück zur letzten großen österreichischen Einstudierung des Werks werden, das die Salzburger Festspiele Mitte der Achtzigerjahre boten. Damals hat Hans Werner Henze eine üppig orchestrierte Spielfassung mit tausendfach schillernden und schimmernden Klangvaleurs für das ORF-Orchester erstellt. Diesmal tritt Rousset mit wenigen Musikern seiner Les Talens Lyriques an.

„Das Wichtigste“, erläutert Rousset auch im Hinblick auf Henzes Versuch, „ist für den Interpreten tatsächlich: Welche Klangfarben bringen wir ein? Monteverdi schreibt nie, welche Instrumente spielen sollen. Anders als im Falle des „Orfeo“, für den Monteverdi eine lange Liste von Instrumenten angibt – auch wenn er dort ebenso wenig klarstellt, in welchem Moment wer was zu spielen hat – wissen wir, dass für den „Ulisse“ in Venedig wenige koloristische Möglichkeiten zur Verfügung standen. So beschränken wir uns auch im Theater an der Wien, haben aber, wie damals üblich, Continuo-Instrumente wie Regal, Harfe, Cembalo, verschieden Lauten.“

Trompeten für Jupiter

Diesbezügliche Entscheidungen muss ein Dirigent, der sich mit Monteverdis Opern auseinandersetzt, selbst treffen. Nicht zuletzt, wenn es darum geht, durch Farbeffekte handelnde Personen vor den anderen „auszuzeichnen“: „Ich habe hie und da Blockflöten und Zinken hinzugefügt, und vor allem zwei Cornette als ganz spezielle Farbe für die Musik des Jupiter. Im Übrigen lassen wir dem Text seinen ganz eigenen Ausdruck. Das macht Monteverdi ja so stark: Seine Musik ist so schön, nicht weil sie so enorm elaboriert wäre, sondern weil sie sich vergleichsweise sparsam und sehr konzentriert am Text orientiert.“

Das versucht Rousset während der Einstudierung seinem Ensemble zu vermitteln: „So arbeiten wir auch mit den Sängern: Wir wünschen uns, dass sie den Text so expressiv wie möglich erzählen, um die Geschichte klar verständlich zu machen.“

Zur Vorbereitung hat Rousset die Odyssee noch einmal gelesen, „Es ist berührend, wie Monteverdi all den Geist Homers in Musik transferieren konnte. In dieser Hinsicht lässt sich die Sache auf moderne, psychologische Weise betrachten, deshalb ist auch Claus Guths Konzept sehr klug: Er zeigt uns Odysseus, der schon heimgekehrt ist – aber nur körperlich, im Kopf ist er noch auf Reisen!“
Premiere: Freitag, 7. September

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2012)

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