Wer kennt den wahren Rossini?

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Symbolbild(c) AP (Ann Heisenfelt)
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Leo Hussain, der junge Generalmusikdirektor Salzburgs, debütiert im Theater an der Wien mit einem selten gespielten Meisterwerk: „La donna del lago“.

Am Freitag hat im Theater an der Wien mit „La donna del lago“ ein großes „Melodramma“ von Gioacchino Rossini Premiere, Christof Loy inszeniert. Am Dirigentenpult steht mit Leo Hussain einer der Geheimtipps der jungen Musikerszene. Das Stichdatum fiel ins Jahr 2009. Damals dirigierte der gerade 31-jährige Brite Ligetis „Grand Macabre“ in Brüssel. Die Reaktionen waren enthusiastisch.

Leo Hussain nutzte seine Chance. Aber auf andere Weise, als die Kommentatoren prophezeit hatten. Er nahm die vielen Angebote großer Häuser, die der Brüsseler Erfolg nach sich zog, nicht an, sondern akzeptierte den Ruf nach Salzburg. Seinen Vertrag als Musikchef des Landestheaters hat er soeben verlängert. Leo Hussain will konsequent am Aufbau seines Repertoires arbeiten.

Deshalb geht er demnächst auch wieder als Assistent nach Berlin, zu Daniel Barenboim. „Ich kann noch so viel lernen“, sagt Hussain im Gespräch mit der „Presse“. „Mit einem Künstler wie Barenboim zu arbeiten, bringt mehr als jedes attraktive Engagement bei einem großen Orchester.“ Bedeutende Aufgaben freuen ihn, aber er will sich ihnen bestens vorbereitet widmen.

In Salzburg warten heikle Aufgaben auf den Generalmusikdirektor: „Mit der ,Fledermaus‘ dirigiere ich meine erste Operette“, sagt er, und es klingt nicht weniger respektvoll als das folgende Aviso: „Später im Jahr machen wir dann ,Tristan und Isolde‘, das ist mein erster Wagner!“

Vorab einen Mann wie Barenboim bei der Arbeit am „Ring des Nibelungen“ beobachten zu können, wird Hussain Sicherheit geben: „Bei Wagner“, sagt er, „steht der Dirigent ja unter einem immensen Druck.“

Der Komödiant Rossini als großer Tragiker

Bei Rossini, dem sich Hussain in den vergangenen Wochen intensiv zu widmen hatte, ist das zumindest physisch nicht so schlimm. Und doch: „La donna del lago“ ist für den jungen Maestro ein bedeutendes Werk der Operngeschichte, das viel zu selten ins Programm genommen wird: „Ich habe“, erzählt er, „die berühmtesten Rossini-Komödien schon des Öfteren dirigiert, den ,Barbier von Sevilla‘ und die ,Cenerentola‘. Aber ich glaube doch, dass unser Blick auf das Werk dieses Komponisten zu einseitig ist, wenn wir es auf die komödiantische Seite reduzieren. Natürlich sind ihm einzigartige Buffo-Opern gelungen, aber seine tragischen Stücke sind nicht minder gut gelungen, und irgendwie scheinen sie mir doch die Hauptwerke zu sein!“

„Je länger ich an einem Meisterwerk wie unserer ,Frau vom See‘ arbeite, desto mehr beschleicht mich das Gefühl, dass er seine komischen Opern doch vor allem zum Geldverdienen geschrieben hat.“ Stilistisch wird, so meint der Maestro, „jeder Opernfreund sofort erkennen, dass es sich hier um Rossini handelt. Aber er war eben nicht nur ein Genie voll Witz und guter Laune, sondern auch eines der tragischen Größe.“

„In unserm Stück finden sich Ensembles, die mit atemberaubender Perfektion gearbeitet sind, zum Beispiel ein Terzett, in dem zwei Tenöre um die Gunst eines Mädchens buhlen. Beide geizen nicht mit Spitzentönen – wie bei einem jener notorischen Opern-Galakonzerte.“

Da findet Hussain sogar so etwas wie ein Paradoxon der Italianità: „Viele Kenner werfen der italienischen Oper doch vor, es ginge nur um die hohen Töne der Tenöre. Hier geht es um die hohen Töne der Tenöre, und gleichzeitig geht es um viel mehr: um die psychologische Durchdringung einer dramatischen Situation.“

Die Elena, die hier so umschwärmt wird, singt im Theater an der Wien Malena Ernman. Ihr zur Seite Luciano Botelho, Gregory Kunde, Varduhi Abrahamyan und Maurizio Muraro.

La donna del lago: 10., 12., 14., 17. und 19. August. www.theater-wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2012)

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