Christian Thielemann zelebriert Wagner in einer scheußlichen Regie

Richard Wagner, Lohengrin  Wiener Staatsoper, 2. Mai 2024

David Butt Philip (Lohengrin) und Malin Byström (Elsa). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

RICHARD WAGNER

LOHENGRIN
Romantische Oper in drei Akten

mit Georg Zeppenfeld, David Butt Philip, Malin Byström, Martin Gantner, Anja Kampe und anderen

Regie: Jossi Wieler/Sergio Morabito

Wiener Staatsopernchor
Orchester der Wiener Staatsoper (vulgo Wiener Philharmoniker)
Dirigent: Christian Thielemann

Wiener Staatsoper, 2. Mai 2024


von Herbert Hiess

Erinnerungen an Salzburg 2022 werden wieder wach; als man die letzte Vorstellung des „Lohengrin“ bei den Osterfestspielen besuchte (Richard Wagner, Lohengrin, Osterfestspiele Salzburg 2022, Großes Festspielhaus, 18. April 2022 – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)).

Es hat sich nichts geändert; die Regie ist genauso dümmlich und unlogisch wie zu Ostern; nur dass man die Szenerie von der Salzburger 30 m-Breite in die Bühne der Wiener Staatsoper gepresst hatte. Was man damals vielleicht relativieren konnte, fällt mittlerweile in die Kategorie des fast schon Schimpfwort-gleichen „Regietheater“ rein.

Auch wenn es ein gemeinsames Projekt mit der Wiener Oper war; man kann der Wiener Intendanz nicht den Vorwurf ersparen, nicht die Notbremse zu ziehen und diesen Unsinn den Wienern auf viele Jahre zuzumuten. So hat das Wiener Publikum nach vielen kaputten „Parsifal“-Produktionen nun auch diesen Unsinn am Hals.

Viel mehr Worte sollte man über dieses Machwerk nicht verlieren; bis auf den mehr als vertrottelten Schluss, wo Elsa ihren Bruder aus dem Kanal zieht – dieser quasi wie eine Wasserleiche sich erhebt – die Schlussworte singt und dann Elsa ersticht.

Man erspare sich weitere Details zu dieser Inszenierung und gehe endlich auf die musikalische Seite der Aufführung.

Thielemann und die Wiener Philharmoniker machen aus der Aufführung ein unvergleichliches Klangfest; wobei es stellenweise in Salzburg mit der Staatskapelle Dresden manchmal noch eindrucksvoller war. In Wien klang es manchmal in den Fortestellen zu scharf und unrund – und manchmal leicht unpräzise, vor allem bei den Holzbläsern.

Trotzdem zauberte der Kapellmeister Thielemann vor allem in den lyrischen Passagen einen Klangteppich, der seinesgleichen sucht.

Unvergleichlich die Streicherkantilene nach dem Duett Elsa-Ortrud im zweiten Akt, wo beide langsam die Bühne nach hinten verlassen. Und immer hörte man sinnvollerweise die Nebenstimmen. Auch bemerkenswert die Bratschenstelle einer Ortrud-Szene im zweiten Akt, die ihren Hass und Wahnsinn akustisch hinterlegten.

Gesanglich war es gemischt. Leider enttäuschend Georg Zeppenfeld als Heinrich; da hätte man sich eine imposantere Stimme gewünscht. Manchmal hat er geklungen wie ein Kavaliersbariton. Martin Gantner schon wie 2022 in Salzburg interessant; trotzdem wenig beeindruckend. Auch dem Heerrufer Attila Mokus hätte man ein markigeres Auftreten gewünscht.

Die Damen Byström und Kampe waren ganz hervorragend. Anja Kampe ist ja eine „g’standende“ Wagner-Heroine, die auch schon hervorragend Sieglinde und andere Rollen gesungen hatte. Hier brillierte sie als die bösartige Dämonin mit ihrer wuchtigen Stimme, wobei sie nie auf die Interpretation vergaß.

Die Überraschung war die Schwedin Malin Byström, die mit ihrem manchmal kehligen und wunderschönen Timbre ganz hervorragend die Rolle der leidenden Elsa darstellte. Besonders eindrucksvoll die Traumerzählung im ersten Akt und im zweiten das „Euch Lüften, die mein Klagen“ (hier hätte man sich die Holzbläser präziser gewünscht) und auch das schon erwähnte Duett mit Ortrud im zweiten Akt war ein „Reißer“ von ihr.

Die große Überraschung war der mit dem etwas außergewöhnlichen Namen von David Butt Philip dargestellte Titelheld. Der britische Tenor konnte im ersten Akt noch nicht so ganz überzeugen; vielleicht weil seine Stimme stellenweise „zu“ lyrisch ist. Aber im dritten Akt hat er sich zu einem der besten Lohengrins geriert, den man sich nur wünschen kann.

Von der unsagbaren Regie als eher „Loser“ dargestellt, zeigte er schon im Duett mit Elsa, was ein Piano ist, was ein Forte ist und er vergaß niemals auf die Wortdeutlichkeit. Letztlich seine Gralserzählung hatte einen „Taschentucheffekt“. Philip machte aus dieser Stelle ein hochintensives Erlebnis. Wie gesagt, wortdeutlich vom gehauchten Pianissimo bis zum strahlenden Forte – und letztlich seine Mimik und Gestik dazu. Da konnte man kaum die Tränen zurückhalten.

Mit einer klugen konstruktiven Regie und einer anderen Besetzung bei den tiefen Stimmen hätte aus diesem „Lohengrin“ eine Sternstunde werden können; so konnte man sich nur auf das akustische Erlebnis zurückziehen.

Christian Thielemann ist als Weltklassedirigent in einer Position, wo er diesen Umtrieben Einhalt gebieten hätte können. Nach dem Motto „Wer, wenn nicht er“ hätte er da die Notbremse ziehen können und müssen. Man kann sich schwer vorstellen, dass er voll Freude alle diese Sachen mitträgt.

Herbert Hiess, 4. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Lohengrin Wiener Staatsoper, 29. April 2024 PREMIERE

Pathys Stehplatz (48) – Vorspiel zur Wiener „Lohengrin“-Premiere: Thielemann flimmert nur von der Leinwand klassik-begeistert.de, 27. April 2024

Richard Wagner, Lohengrin Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 21. April 2024

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