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„Ariadne auf Naxos“ in Mannheim: Wie schafft sie die Verwandlung?

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Die Nymphen bei der Teestunde (und den Ariadne-Faden können sie auch noch nutzen).
Die Nymphen bei der Teestunde (und den Ariadne-Faden können sie auch noch nutzen). © Christian Kleiner

Und die Liebe ist doch das Größte auf der Welt: „Ariadne auf Naxos“ glückt am Nationaltheater Mannheim ganz außerordentlich.

Eine besonders gelungene „Ariadne auf Naxos“ zeigt das Nationaltheater Mannheim in seinem Sanierungsausweichquartier in der Alten Schildkrötfabrik. Diesmal wurde ein steiles Tribünenhalbrund eingebaut, darunter in der Mitte das Orchester, davor eine Spielfläche. Durch die hohen Fenster ist draußen noch mehr zu sehen, unter anderem antike Säulen und eine naturalistisch nachgebaute Bushaltestelle, an der zunächst noch die Nymphen herumlungern.

Detailreich aus dem Hier und Heute entwickelt Regisseurin Yona Kim zusammen mit Jan Freese (Bühne) und Falk Bauer (Kostüme) die geniale Theater-im-Theater-Handlung von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, der man in der 1916 uraufgeführten Fassung das zähe Ringen bei der Entstehung nicht mehr anmerkt. Das Hier und Heute versteht sich fast von selbst. So krass die Zumutungen sind, denen sich die Opern- und die Singspieltruppe in diesem Werk ausgesetzt sehen, so krass sind die Zumutungen gegen Bühnenkünstler und -künstlerinnen seit jeher und bis heute. Hofmannsthal und Strauss kennen das Geschäft, kennen auch die Eitelkeiten, Empfindlichkeiten, und der Prolog birst davon.

So haarscharf passen textliche und musikalische Nuancen, dass äußerste Präzision auch bei der Inszenierung gefragt sind, selbst Kim befriedigt das in ihrer lebendigen Lesart nicht in jeder Nuance. Etwas unklar bleiben auch der junge Beau (der reichste Mann von Wien?) und die spröde Haushofmeisterin. Wie Barbara Bernt aber nachher selbst der Oper zuhört, ist enorm anrührend und rechtfertigt auch den Video-Aufwand.

Ein fließender Übergang

Nicht nur weil die Eltern des Dirigenten noch zu ihrem Platz gebracht werden mussten und ein bestimmtes Kabel fehlte, gelang der Übergang von der pragmatischen Hier-Welt ins Zauberreich der Musik fließend. „Wie schaffst du die Verwandlung?“, diese Frage Ariadnes, die da noch davon ausgeht, ihrem Tod entgegenzublicken (und wahrlich, blicken nicht wir alle immer unserem Tod entgegen), plakatiert Yona Kim draußen neben der Bushaltestelle als Motto des Abends. Und löst das dann auch absolut ein.

Ja, es gibt eine Verwandlung und in Mannheim schaffen sie das, indem sie sich auf das Finale der Oper voll einlassen. Auch die Kostüme verwandeln sich, vom Jahr 2024 ins Rokoko, aber es wird klar, dass das schön, aber bloß Dekor ist. Kein Dekor ist die Liebe, die Ariadne und Bacchus jetzt voll erwischt. Das ist in dieser Ironiefreiheit eine Seltenheit. Schon vorher hat sich Kim auf die Seite der großen Liebe gestellt, selten hat die von Zerbinetta besungene freche kleine Liebe (die, ja, ja, natürlich auch immer eine Größe hat) so Unrecht bekommen wie hier. Man erlebt Zerbinetta in Mannheim von vornherein gereizt und auch betroffen, das Leben, das sie führt, geht nicht spurlos an ihr vorüber. Die Primadonna und der Tenor sind im Vorspiel wie immer wenig helle. Aber sie werden nun verwandelt, und die Regie schlägt sich auf ihre Seite, wie sich auch Strauss’ Musik auf ihre Seite schlägt. Ohne Peinlichkeit und Pathos, aber auch ohne Einschränkung obsiegen sie.

Musikalisch verläuft das akustisch ein wenig aufregend, aber insgesamt überzeugend. Janis Liepinš und das Orchester vermitteln einen transparenten Strauss-Klang, es wird gut gesungen, Amelia Scicolone ist eine feine Zerbinetta, Jelena Kordic eine leidenschaftliche Komponistin (hier keine Hosenrolle, interessant!), Thomas Jesatko und Christopher Diffey präsentieren markante Musik- und Tanzlehrer. Ein ausgesuchtes Trio die Nymphen: Estelle Kruger, Maria Polanska und Nataliia Shumska. Andreas Hermann und Julia Faylenbogen als auch wunderbar spielendes Liebespaar haben Kraft und Höhe für einen richtig guten Schlussrausch.

Dies ist eine ausdrückliche Empfehlung, sich nach Mannheim-Neckarau durchzuschlagen.

Nationaltheater Mannheim in der Alten Schildkrötfabrik: 4., 7., 10., 12. Mai. www.nationaltheater-mannheim.de

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