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STUTTGART/ Staatsoper: TOSCA – mit gleichwertigem Protagonisten-Terzett

15.04.2024 | Oper international

Staatsoper Stuttgart: „TOSCA“ 14.4.2024 (nm.) – mit gleichwertigem Protagonisten-Terzett

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Ewa Vesin, Atalla Ayan. Foto: Martin Sigmund

Giacomo Puccini ist immer en vogue. Bei ihm bedarf es nicht eines Jubiläums wie dem im November bevorstehenden 100. Todestag, um sein Werk mehr ins Bewusstsein zu rücken, auch wenn es durchaus wünschenswert ist, dass in diesem Zuge auch seine beiden raren Frühwerke wieder zur Diskussion gestellt werden.

Die 1900 uraufgeführte Tosca nach dem Drama von Victorien Sardou gehört zu den wenigen Selbstläufern der Opernbühne, wie die inzwischen 133. Aufführung der Inszenierung von Willy Decker in den stimmungsvoll spartanischen Bühnenräumen und epochegerechten Kostümen von Wolfgang Gussmann wieder einmal nachdrücklich bewiesen hat: drei versierte, gleichwertig starke und überzeugende Hauptrollen-Interpreten benötigen außer den wenigen speziellen Anweisungen der Inszenierung keinen Regisseur und gestalten die dankbar angelegten Partien aus eigenem Antrieb.

In dieser Aufführungsserie war erstmals Ewa Vesin in der Titelrolle angesetzt. Die Polin erwies sich vom ersten Auftritt an als Vollblut-Künstlerin in allen Belangen. Ihr Sopran deckt von zarten Lyrismen über griffige Artikulation in der Mittellage bis zum gleißenden Spitzenregister mit das Orchester vehement, aber nie scharf durchschneidenden Attacken rundum alle Anforderungen ideal ab. Mittels einer natürlich fülligen und flexibel eingesetzten Tiefe macht sie unmissverständlich klar, dass ihre Tosca außer einer gleichfalls überzeugend verkörperten Liebenden und Diva auch eine Frau mit Krallen ist. Solchermaßen bildet sie eine Herausforderung für den hier auch erstmals präsentierten Scarpia des Gerardo Bullón. Der Spanier schmeichelt und kontert ihr mit seinem dunklen, metallischen und gelegentlich auch etwas rauhe Züge annehmenden Bariton. Sein kraftvoller und mit vielen Untertönen dynamisch gespickter Vortrag korrespondiert auf Augenhöhe mit seiner stattlich männlichen Erscheinung und seiner gleichsam attraktiven wie bedrohlichen Präsenz.

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Ewa Vesin, Gerardo Bullón. Foto: Martin Sigmund

In der Publikumsgunst vor den beiden rangierte indes Atalla Ayan als leidenschaftlicher Cavaradossi. Wenn dieser so betörend klangschön phrasiert und mit strahlend fülligen Höhen gekrönt wird wie durch den dem Haus immer noch eng verbundenen Brasilianer, tragen Tenöre in ihrer immer wieder faszinierenden Stimmlage den Sieg davon. Zumal der eher klein gewachsene Sänger hinter dem Lover auch den Aufständischen hör- und sichtbar macht.

Inzwischen bewährt sind der trocken humorige und vollstimmige Mesner des Andrew Bogard und der wirklich glaubhaft gehetzt in die Kirche geflüchtete Angelotti des Jasper Leever mit festem Bass. Auch vor der nahenden Pension noch eine sichere Stütze des Ensembles: Heinz Göhrig mit seinem unverkennbar timbrierten hellen Tenor als gefährlich unterwürfiger Spoletta. Sebastian Bollacher (Sciarrone), Ulrich Frisch (Schließer) und der von Alissa Kruglyakova aus dem Off rein und sauber intonierte und zu Recht auch vor den Vorhang geholte Hirtenknabe komplettierten ebenso wie der im Te Deum allemal wieder in die Sitze bannende Staatsopernchor und Kinderchor (Einstudierung: Bernhard Moncado).

Neu am Pult stand Markus Poschner (Chefdirigent des Brucknerorchesters Linz) und gab die Visitenkarte eines erfahrenen Sachverständigen ab, der spürbar mit dem Opern-Repertoire-Ablauf vertraut ist und neben einer deutliche und klare Akzente setzenden Partitur-Auffassung sich als flexibel einfühlsamer Unterstützer und Begleiter der Sänger behauptet. So entstand mit dem reibungslos mitziehenden Staatsorchester Stuttgart eine spannende Vorstellung im Wechselbad reichhaltiger Emotionen.

Das Publikumsecho fiel entsprechend mitgerissen begeistert aus.

Udo Klebes

 

 

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