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WIEN / Volksoper: LA RONDINE

Eine nachhaltige Rehabilitierung des Stücks ist nicht gelungen

13.04.2024 | Oper in Österreich

 

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Matilda Srerby (Magda), Leonardo Capalbo (Ruggero), Timothy Fallon (Prunier) und Rebecca Nelsen (Lisette). Alle Fotos; Volksoper Wien / Barbara Pálffy

WIEN / Volksoper: LA RONDINE

2. Vorstellung in dieser Inszenierung

12. April 2024

Von Manfred A. Schmid

Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Dennoch findet sich Puccinis letzte Oper, 2017, mitten im 1. Weltkrieg in Monte Carlo uraufgeführt, immer häufiger auf den Spielplänen großer Häuser. Eben erst hat Jonathan Tetelman, eine der ganz großen Tenorhoffnungen der Gegenwart, an der New Yorker MET als Ruggero sein Hausdebüt an der Seite von Angel Blue absolviert, an der Oper Zürich, wo La Rondine mit gut 100 Jahren Verspätung zur schweizerischen Erstaufführung gekommen ist, war schon im Herbst Benjamin Bernheim in dieser Rolle zu bewundern. Auch an der Mailänder Scala gibt es derzeit eine Aufführungsserie dieser Oper unter der musikalischen Leitung von Riccardo Chailly zu sehen, die noch bis 20. April läuft. In Österreich wurde Puccinis zu Unrecht oft unter Operettenverdacht stehende „Lyrische Komödie“ zuletzt 2017 in Graz aufgeführt, mit beachtlichem Erfolg.

Die Inszenierung der Hausherrin Lotte de Beer an der Volksoper, wo Puccinis Spätwerk 1920 als österreichischen Erstaufführung herausgebracht wurde, ist in den beiden ersten Akten, in denen vor allem – im Stil von Richard Strauss‘ Rosenkavalier, wie es Puccini angestrebt hat – parliert wird, ziemlich konventionell in der Zeit des fin de siècle angelegt. Zunächst im Salon der des luxuriösen Lebens schon etwas überdrüssig gewordenen Kurtisane Magda, dann übersiedelt die Gesellschaft der Reichen und Schönen in ein Tanzlokal, wo sich alle Gesellschaftsschichten ein Stelldichein geben. Magda verliebt sich Hals über Kopf in Ruggero, eine Art männliche Unschuld vom Lande, der zum ersten Mal in Paris ist und prompt ihrem Zauber erliegt. Regielich neu und Aufmerksamkeit erregend ist einzig und allein der Umstand, dass in der Mitte der beiden Schauplätze (Bühne Christof Hetzer) auf einer Projektionsfläche in der Mitte die jeweils geführten Gespräche wie auch die Regieanweisungen und Anmerkungen des Dichters Prunier zu lesen sind. Die Idee dahínter: Der Dichter ist einerseits Teil der Gesellschaft, die er genau beobachtet. Andererseits aber ist er auch ein schöpferischer Geist, der das, was er sieht, gleich zum Thema eines neuen Theaterstücks macht und dessen Entwicklung man so Schritt für Schritt mitverfolgen kann. Besonders witzig wird es immer dann, wenn ihm seine Geliebte Lisette, die Dienerin Magdas, ins dichterische Handwerk pfuscht und ihre eigenen Ideen zum Fortgang der Handlung zu Papier bringt. Was zusätzlich für Komik sorgen könnte, ist der Umstand, dass Magda und Lisette ihre Rolle getauscht haben. Lisette tritt in mondänen Kleidern ihrer Herrin auf.  Magda als Dienstmädchen verkleidet (alle Kostüme wurden von Jorine van Beck kostensparend dem Fundus entnommen): Anklänge an Die Fledermaus, die im Menschengewimmel aber nicht gerade überzeugend ausgespielt werden.

Origineller wird die Regie Lotte de Beers im dritten Akt, der an der Cote d’Azur spielt, wo sich das Liebespaar zurückgezogen hat. Magda will einen Neuanfang. Als Ruggero von einem beschaulichen Leben auf dem Lande, mit Haus, Garten und Kindern träumt und ihr einen Heiratsantrag macht, möchte sie seine Idyllischen Vorstellungen einer heilen Welt nicht durch ihre problematische Vergangenheit belasten und zieht sich zurück. Der tragische, in seiner moralischen Begründung nicht sehr überzeugende Schluss, der noch dazu stark an Verdis La Traviata erinnert, hat schon Puccini Sorgen bereitet und zu insgesamt drei Überarbeitungen geführt. Lotte de Beer bietet – mit musikalischer Unterstützung von Alexander Joel, der die hierzu erforderlichen Puccini-Klänge bereitstellt – vier Lösungen für den Ausgang an: einen heroischen Abgang à la Tosca, einen in der verzweifelten Manier der Madama Butterfly, eine verröchelndes Sterben wie bei der todkranken Mimi sowie einen von aller männlichen Bevormundung und Schuldhaftigkeit befreiten Schritt in ein selbstbestimmtes Leben. Das kommt tatschlich gut an, genügt aber nicht, um die eher träge sic dahinschleppenden beiden ersten Akte vergessen zu machen.

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Matilda Sterby (Magda), Leinardo Capalbo (Ruggero)

Puccinis Lyrische Komödie, ein Versuch des Komponisten, mitten im Krieg eine Art musikalische Versöhnung zwischen mediterraner Italianita und alpenländischer Walzerseligkeit herbeizuführen, braucht, um überzeugen zu können, hervorragende Stimmen. Diese Bedingung wird an der Volksoper nur zum Teil erfüllt. Matilda Sterby ist mit ihrem in der Mittellage fein klingenden Sopran eine auch darstellerisch tadellose Magda. Wenn es um Spitzentöne geht, wird ihre Stimme allerdings etwas scharf. Leonardo Capalbo hinwiederum fehlt es an Höhe, um als heiß in Liebe entflammter Ruggero voll punkten zu können.

Einen insgesamt überzeugenderen Eindruck hinterlässt das Buffo-Paar. Timothy Fallon, der schon im Barbiere mit seinem komischen Talent und seinem wendigen Tenor begeistern konnte, glänzt als sympathisch-skurriler Poet Prunier, Rebecca Nelsen ist eine entzückend quirlige, naseweise Lisette.

Ganz passabel Andrei Bondarenko als Bankier, Magdas Gönner, und spielfreudig und stimmlich gut aufeinander abgestimmt zeigen sich Julia Koci, Johanna Arrouas und Stephanie Maitland als Salondamen Yvette, Bianca, Suzy.

Alexander Joel ist der musikalische Leiter einer schwungvollen Aufführung, die die wienerischen Elemente der Musik – Puccini war ein großer Verehrer von Franz Lehár (und vice versa) – fein herausarbeitet und auch die schwelgerisch-saftigen Pucciniklänge ohne Scheu auskostet. Was er schuldig bleibt, sind die vom Komponisten ebenfalls adaptierend übernommenen Rosenkavalier-Parlandi, „nur unterhaltsamer und organischer“, die den Zuckerguss etwas weniger süßlich gemacht hätten.

Das Publikum scheint mit dem Dargebotenen durchaus zufrieden zu sein. Der Eindruck aber, dass dieses Werk unbedingt gesehen und gehört werden muss, hat sich wohl nicht ergeben. Dazu hätte es einer entschlosseneren Regie und einer besseren Besetzung in einigen Hauptrollen bedurft. Die angestrebte nachhaltige Rehabilitierung des Stücks lässt im Wien weiter auf sich warten.

 

 

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