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MULHOUSE / OPÉRA DU RHIN / LOHENGRIN / 7. April 2024. Kurzkritik: ein hinreissendes Dirigat krönt eine wohltuend-schöne Aufführung ohne Regieentgleisungen

08.04.2024 | Oper international

MULHOUSE / OPÉRA DU RHIN / LOHENGRIN / 7 APRIL 2024

Kurzkritik: ein hinreissendes Dirigat krönt eine wohltuend-schöne Aufführung ohne Regieentgleisungen

Richard Wagner’s Lohengrin gehört zum eisernen Repertoire renommierter Opernhäuser: es hiesse Eulen nach Athen tragen, den Merker-Leser mit einer Inhaltsangabe zu langweilen. 

An erster Stelle sei der usbekische Dirigent Aziz Shokhakimov genannt, der das Orchestre philharmonique de Strasbourg, das des musikalischen Leiters Intentionen wunderbar umsetzte, zu einer Leistung beflügelte, die schlicht hinreissend zu bezeichnen ist. Von diesem erstklassigen Dirigat profitierte auch der Chor der Opéra national du Rhin, verstärkt durch den Chor der Opéra d’Angers/Nantes, die durch Präzision und Homogenität zu beeindrucken wussten.

Was die Regie von Florent Siaud und das Bühnenbild von Romain Fabre angeht, verweise ich auf die treffliche Kritik von Gerhard Hoffmann, der die zweite Vorstellung in Strassburg vom 13.März 2024 rezensierte.

Zusätzlich erwähnenswert scheint mir die regieliche Lösung des Schwans, die in den Akten 1 und 3 das Sternbild Schwan (Cygnus) auf die Bühne projizierte.

Wie dankbar ist dieser Tage der Besucher einer Opernaufführung, der nicht mit entstellenden, Mätzchen und Umdeutungen des Inhalts eines Meisterwerks verärgert wird.

Zu den Sängern: Michael Spyres, debütierte in dieser Neuinszenierung in der Titelrolle. Der 45-jährige Amerikaner beglückt mit edlem, männlichem Timbre und herrlicher Legato-Kultur. Er meistert die lange Partie nicht nur ohne Ermüdung, sondern beeindruckt zusätzlich durch ein ausgezeichnetes Deutsch ohne Vokalverfärbungen, bravo. Auf sein Bayreuther Debut als Siegmund im kommenden Sommer darf man gespannt sein.

An seiner Seite  weiss die in Südafrika geborene Johanni van Oostrum als Elsa mit einem vornehmlich jugendlich-lyrischen Sopran und einer sympathischen Darstellung der erst verliebten, später zweifelnden Frau für sich einzunehmen. Im Brautgemach und dem Finale des dritten Akts dreht sie auf, verblüfft den Zuhörer mit reinen, dramatischen Höhen. Da auch Frau van Oostrum über ein strömendes Legato verfügt, passte sie stimmlich ideal zu Michael Spyres.

Die zwei Protagonisten beglückten das ausverkaufte Haus und rissen es zu Ovationen hin.

Das zweite Paar, Ortrud und Telramund, Martina Serafin und Josef Wagner, war keineswegs schlecht, konnte jedoch nicht auf demselben Niveau mithalten, aus verschiedenen Gründen: beide Partien haben ihre Tücken. Die Ortrud muss im ersten Akt 50 Minuten lang durch körperliche Präsenz Bosheit mimen und danach im heiklen a-capella Quintett den vier anderen Solisten als Füllstimme den Teppich legen. Dann folgt in Akt zwei die Szene, in der sie ihren geächteten Mann wieder aufrichten muss, danach das Duett mit Elsa und obendrein ihr dramatischer Auftritt vor dem Münstergang.

Dann hat sie eine lange Pause, die Stimme kühlt ab, bevor sie im Finale nochmals für rund 2 Minuten mit hochdramatischer Anforderung eingreifen muss. 

Frau Serafin kam in Akt 1 von der Regie weniger böse als üblich daher, war aber durchaus präsent. Die Szene mit ihrem Mann fand in „zu dunkler Nacht“ statt, mimischer Ausdruck war kaum auszumachen, was die Auseinandersetzung beeinträchtigte. Zudem fehlte der Sopranistin an wenigen Stellen die Tiefe, die sie mit Sprechgesang kaschierte. Dann folgten tadellose „Entweihte Götter“, mit gleissenden Höhen, der Höhepunkt ihrer Leistung, die sie auch im Akt Finale 2 halten konnte. Der kurze, jedoch fordernde Auftritt in Akt 3 war leider nur noch schrill, malträtierte des Zuhörer Ohren, schade.

Der Telramund ist eine gefürchtete „Brüllpartie“: Herr Wagner konnte in Akt 1 stimmlich und darstellerisch durchaus gefallen, im nächtlichen Teil 2 ging er gegen das notierte Fortissimo im Orchester teilweise regelrecht unter, es mangelte an Volumen und prägnanter Diktion. Das einerseits unterwürfige, aber auch das aufbegehrende Verhalten gegenüber der dominanten Gattin kam zu kurz.

Ich denke, die Regie war in dieser Szene zu wenig prägnant herausgearbeitet, liess das zweite Paar wenig vorteilhaft erscheinen … bin mir aber nicht sicher, ob ich mit dieser Beurteilung richtig liege?

Der König des Finnen Timo Riihonen ist kein schwarzer Bass, imponiert andererseits mit sauber gesetzten, mühelosen Höhen und war darstellerische präsent.

Edwin Fardini aus Martinique überraschte mit tadellos fokussiertem Bariton als Heerrufer: ein schlanker, junger Künstler mit schönem Material und Ausstrahlung.

Fazit: eine schöne, mit grossem Beifall aufgenommenen Aufführung, trotz ein paar offen gebliebenen Wünschen.

Alex Eisinger

 

 

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