Christian Thielemann fasziniert als moderner Märchenerzähler in Dresden

Xl_adf924a2-0f1b-4a15-8752-950f2e545cc5 © Ludwig Olah

Richard Strauss Die Frau ohne Schatten Neuinszenierung Semperoper Dresden 27.3.2024

Christian Thielemann fasziniert als moderner Märchenerzähler in Dresden

Hugo von Hoffmannsthal und Richard Strauss sind als Künstlergespann in ihren gemeinsamen fünf Opern für die Musikwelt unsterblich geworden. Ihnen sind die diesjährigen Richard Strauss Festtage an der Semperoper Dresden gewidmet. Inspiriert von orientalischen Märchen nimmt die 1919 erstandene Oper Die Frau ohne Schatten als episches monumentales Klangwerk eine Sonderstellung ein. Nach den Schrecken des ersten Weltkrieges und dem Entstehen der Psychoanalyse geht es um die Frage der Liebe und Humanität, symbolisiert im Schatten als Zeichen der Fruchtbarkeit. Die dramatische Handlung ist im Märchen von der Menschwerdung der Feentochter zur Kaiserin verpackt, die als Gazelle vom Kaiser erjagt und durch Liebe zur Frau wurde, jedoch ohne Schatten. Auf der Suche nach diesem erkennt sie, dass nur mit dem Unglück anderer dieser erlangt werden kann. In Einsicht verzichtet Sie auf ihr Glück. Ihre Güte und Liebe wird mit einem glücklichen Ende im Jubel belohnt.

Patrick Bannwart schafft in seinem Bühnenbild Raum für zwei Ebenen, die graue Realität der Menschen mit dem Färber- Ehepaar mit Waschmaschine, Bottichen, Schlauch und Bett und die mystische Irrealität der Geister mit wehenden langen weißen durchschimmernden Vorhängen. Ein Fahrstuhl verbindet die beiden Welten. Effektvoll zeigen auf die Vorhänge projizierte Bilder die Hintergrundgeschichte. Ein überdimensionaler Falke mit 12 m Breite überspannt mitunter das Geschehen und trägt in seinen Fängen den versteinerten Kaiser oder den besagten Lift. Die Bilder sind einprägsam und ästhetisch gehalten. Eine rosa Barbiewelt bildet die Träume der Färberin ab.

David Bösch integriert die handelnden Charaktere mit viel Einfühlungsvermögen in diese Bilder und lässt das Märchen nahezu filmreif erscheinen. Die Personenregie bleibt klar am Libretto ohne Überfrachtung. Der Betrachter folgt gebannt mit dem Auge und wird im Ohr mit perfektem Klang aus dem Graben und Seitenlogen umspült.

Es ist seine letzte Premiere am Pult der Semperoper und Christian Thielemann beschenkt das Publikum mit einer ungeheuer differenzierten sensibel ausgeführten Interpretation. Er fächert in einer transparenten Klangwelt die feinen Details der Partitur auf. Die Musiker der sächsischen Staatskapelle zeigen ihre Stärken und Können in einem präzisen und bestens eingespielten Zusammenspiel. Die Abstimmung mit der Bühne gelingt Christian Thielemann mit Bedacht, sodass die Sänger bestens verständlich sind und andererseits symphonische Ergüsse zur elektrisierenden Entladung kommen.

Die Beleuchtung der Rolle der Frau in der Gesellschaft ist ebenso Thema der Oper und drei gegensätzliche Frauen tragen die Handlung. Camilla Nylund ist die verwandelte Feentochter, die erstmals auf Liebe und Menschen trifft. Sie drückt gekonnt die edle Abstammung, naive Neugier aber auch sinnliche Beobachtung aus. Ihr Sopran hat sich in Farbe und Fülle weiterentwickelt. Ihre Spannkraft und der Umfang in der Stimme ermöglichen ihr die Anforderungen der Partie leicht und locker zu meistern. Evelyn Herlitzius ist die mysteriöse Amme, die die Begegnung mit den Menschen spinnt und dirigiert. Ihre stimmliche Schärfe und metallene Färbung hat sie als Stilmittel bestens im Griff, ihr Mezzo kann nuanciert gestalterisch erscheinen. Die Finnin Mina-Lisa Värelä ergänzt das Trio als die Gattin des Färbers. Unschlüssig in ihren Gefühlen fühlt sie sich unwohl in ihrer Umgebung und lässt diese ihre Unzufriedenheit spüren. Sie zeigt sich umso williger den Angeboten der Amme gegenüber. Souverän schlüpft Värela in die Rolle, trägt rosa Pantoffeln und Schlafmantel, schäkert mit den schönen Jünglingen, entzieht sich den Gefülen ihres Gatten und vertreibt dessen Brüder. Stimmlich bewältigt sie die erratischen Sprünge mitunter mit Druck aber kann ihrem Gesang viel Ausdruck geben. Ihren Gatten Barak gibt Oleksandr Pushniak einen gemütlichen gutmütigen Charakter, der es gerne zu Hause bequem und harmonisch hätte. Seine Bariton gewinnt an Sicherheit und Glanz über den Abend und mit Schmelz fließt seine Arie "Mir anvertraut". Eric Cutler zeigt sich als Kaiser wortdeutlich und mit großen Kraftreserven. Schön führt seine Tenorstimme die Melodien, intoniert sicher in der Höhe. Sein Kaiser überzeugt und werter die Rolle auf. Alle Nebenrollen sind exquisit besetzt.

Der Abend ist ein Highlight für alle Anhänger der Musik von Richard Strauss, der mehrere Jahre an der Semperoper gewirkt hat und an dessen Sternstunden Christian Thielemann anknüpft. Frenetischer langanhaltender Beifall für alle Mitwirkenden.

Dr. Helmut Pitsch

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