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Kritik - "Dora" an der Oper Stuttgart Ein lautstarkes Mittel gegen Langweile!

Was tun gegen ein langweiliges Leben? Die junge Dora sehnt sich nach radikal Neuem und schließt einen Pakt mit dem Teufel. Bernhard Langs Oper "Dora" wurde am 3. März in Stuttgart uraufgeführt - und gefeiert wie ein Rockkonzert.

Szene aus "Dora", Oper von Bernhard Lang | Bildquelle: Martin Sigmund

Bildquelle: Martin Sigmund

Seit einiger Zeit sieht man in Stuttgart Plakate, aus denen man nicht recht schlau wird. Von einer Dora ist da die Rede - und wer das wohl sei. Aufklärung sollte es am Sonntag in der Staatsoper geben, wo der in Linz geborene Komponist Bernard Lang sein neuestes Stück vorstellte, eben "Dora". Das Libretto stammt vom Schriftsteller und Musiker Frank Witzel. Nach eindreiviertel Stunden ist man nicht viel schlauer, was die Titelfigur betrifft (oder vielmehr ihr Schicksal, ihre Zukunft), dafür wird man beschenkt mit überaus üppigen Tönen, Texten, Ideen, Bildern.

"Dora" in Stuttgart: Ein musikalisches wie szenisches Spektakel

Der Beginn und das Finale sind hart. Aus der Mittelloge und den Seitenlogen im Rang knallt, knattert, kracht es gewaltig. Ein mächtiger Schlagwerkapparat ist dort positioniert und macht gehörig Eindruck. Dazwischen folgt ein musikalisches wie szenisches Spektakel, das schon ob seiner Reichhaltigkeit beeindruckt. Dora ist Mitte 20, lebt in öden Verhältnissen mit eher langweiligen Eltern und Geschwistern in trister Gegend. Ihr ist fad. Philosophisch nennt man so etwas Ennui. Was aber macht man in dieser Situation? Eh klar, man geht einen Pakt mit dem Teufel ein! Selbiger (wir zollen Marcel Beekman für seine vokale wie szenische Glanzleistung höchsten Respekt, haben aber - ehrlicherweise - auch ein bisschen Angst vor ihm) erweist sich als korrupter Beamter. Und dann gibt es noch Berthold (schön traurig: Elliott Carlton Hines), der unglücklich in Dora verliebt ist und sich darob im Teich ertränken will, was ihm nicht gelingt. Körperlich, geistig und seelisch instabil sitzt er schlussendlich neben der Angebeteten, die ihm unklare Blicke zuwirft. Vorhang!

Zwei Synthesizer erweitern das Stuttgarter Staatsorchester

Szene aus "Dora", Oper von Bernhard Lang | Bildquelle: Martin Sigmund Uraufführung in Stuttgart: Librettist Frank Witzel erschafft in "Dora" eine fluffige, anti-moralische Sprachwelt. | Bildquelle: Martin Sigmund Dies alles ist so blödsinnig wie sprachsinnlich, so durcheinander wie punktgenau poetisch auf die Musik geschrieben, dass alle Einwände beiseite fallen. Frank Witzel erschafft hier eine locker fluffige, anti-moralische aber dabei gänzlich unzynische Sprachwelt, die Bernhard Lang kongenial mit seinen bekannten Mitteln, wie einer ausgefeilten Loopgrammatik und seiner Liebe zu Vierteltönen, vertont. Es gibt ein Feuerwerk aus Wiederholungen, Schleifen, Veränderungen, dann wieder plötzlichen Brüchen. Zwei Synthesizer erweitern das recht groß besetzte Stuttgarter Staatsorchester. Man hört Pink Floyd, Wagner, den verzerrt übermalten Beginn von "Elektra" und manches andere. Der Knackpunkt: Wo man bei anderen müde abwinkt und eher genervt von allzu direkten Zitaten ist, stimmen bei Lang sämtliche Zutaten. Genau dann, wenn man denkt, oh, jetzt wird es aber doch banal, dreht uns Lang die Kompositionsnase und nimmt eine unerwartete Pirouette. Muss man können, kann aber momentan wohl niemand so wie Bernhard Lang.

Großartig: Dirigentin Elena Schwarz

Dafür braucht es naturgemäß jemanden am Pult, der die Dinge beherrscht, gut zählen kann und trotzdem Rhythmus im Blut und Taktstock hat. Dieser jemand heißt Elena Schwarz und die junge Dirigentin ist schlicht großartig! Josefin Feiler performt Dora mit einer perfekten Mischung aus Jungmädchencharme, aufsässigem Nervenbündel und singt dazu hinreissend gut und intensiv. Neben den durchweg tollen weiteren Solistinnen und Solisten gibt es noch einen "Antiken Chor", verkörpert von den Neuen Vocalsolisten nebst ein paar Gästen. Dieses Spitzenensemble der Neuen Musik darf kommentieren, kurz mal ins Geschehen eingreifen, vor allem jedoch in ständig neuen Kostümen erscheinen.

Bernhard Langs Oper "Dora" in Stuttgart

"Dora" von Bernhard Lang
Oper in fünf Akten
Libretto von Frank Witzel
Auftragskomposition der Staatsoper Stuttgart
in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Weitere Infos und Aufführungstermine

Valentin Köhler schöpft aus einem schier endlosen, vorwiegend bunten Fundus, er hat auch das Bühnenbild gestaltet, eine eher abstrakte Angelegenheit mit vielen Streben und recht geometrisch. Es ist indes vielseitig wandelbar und Regisseurin Elisabeth Stöppler nutzt es auch vielfältig. Ein kleiner Kritikpunkt ist allerdings der bisweilen arg stiefmütterliche Umgang mit den Vocalsolisten, die auch mal als große Ohren herum tappen, da hätte man sich mehr szenische Interaktion gewünscht (auch wenn es eben ein Chor aus der Antike ist...).

Wie ein Rockkonzert: Publikum feiert Uraufführung von "Dora"

Als Dramaturg dieses vom Publikum wie ein Rockkonzert gefeierten Abends zeichnet Miron Hakenbeck verantwortlich, der nicht nur in Stuttgart, sondern auch etwa in Bern und vor allem in München viele kluge, oft eher aufs Gemüt schlagende Produktionen (kein Einwand, im Gegenteil!) begleitet hat. Nun zeigt er sein Händchen für die große Sause, die nur scheinbar oberflächliche Unterhaltung ist. Tatsächlich schaffen Lang, Witzel, Stöppler, Hakenbeck und ihre Mitstreiter ein schillerndes Meisterstück post- und popmodernen Musiktheaters, das vor allem auf der musikalischen wie textlichen Ebene mit einem Füllhorn von Verweisen und Konnotationen arbeitet. Was man analysieren kann, aber nicht muss. So ist dieser Abend etwas für Showfans und Zitatenjäger, ebenso wie für Erholungssüchtige oder Professoren. Chapeau!

Sendung: "Leporello" am 4. März 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Mittwoch, 06.März, 06:52 Uhr

Trappe

Erbärmlich

Sowohl die Oper möchte man aufgrund der Ausführung nicht sehen, als auch so einen Artikel doch nicht lesen:
1. Die Oper besteht vielen Komponenten: Orchester, Opernchor, Solisten, Dirigent, Regie,…
Es wird lediglich das Orchester erwähnt, dass dieses ‚groß‘ war und ‚mit Synthesizern‘ zu arbeiten hatte. - Art und Qualität des Spiels? Oder gab die Komposition nichts her, um darüber etwas sagen zu können?
Es wurde wohl viel geredet, nicht nur im Artikel, sondern auch auf der Bühne.
Der Artikel hat für mich die Quintessenz, in so einen modernen Kram nicht hineinzugehen.

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