„Wie schwer es doch ist, glücklich zu sein” hat Regisseurin Tatjana Gürbaca als ihr Motto für Puccinis Triptychon an der Wiener Staatsoper gewählt, und den Bühnenhintergrund für das erste Stück Il tabarro (in dem Giorgetta eben die Worte „Come è difficile esser felici” spricht) mit Neonschriftzügen von Henrik Ahr gestalten lassen. Von diesem Hintergrund bleibt in Suor Angelica nur das „Sein” übrig, und in Gianni Schicchi „Glück”, auch wenn die Abwesenheit von letzterem (oder die Sehnsucht danach) der rote Faden in diesem Werk ist. Besser hat man es da schon als Staatsopernpublikum, denn es blieben an diesem Abend kaum Wünsche offen.

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Il tabarro
© Stephan Brückler

Il tabarro spielt im Pariser Hafenmilieu, konkret rund um den Lastkahn von Michele, zu dessen Besatzung auch seine Ehefrau Giorgetta und Arbeiter gehören. Puccini lässt die Arbeiter ihr hartes Leben besingen, zeigt sie aber auch bei der Gestaltung ihrer spärlichen Freizeit. Allerdings ist von Hafenschmutz und -arbeit nichts zu sehen, erinnert nur die Musik mit ihren kurzen Bohème-Zitaten an die wenig glamourösen Seiten der Seine-Metropole. 

Das Arbeitermilieu wird durch ein Kostüm mit neongelber Warnweste ebenfalls bloß angedeutet, der Rest der Kostüme (Silke Willrett) verströmt eher amerikanisches Campus-Flair. So kommt etwa Giorgettas Liebhaber Luigi wie frisch gebügelt von der Verlade-Arbeit und macht in diesem Aufzug nicht nur auf seine Geliebte mächtig Eindruck. Mit dem Tenor Joshua Guerrero hat man die Idealbesetzung für diese Partie gefunden, denn sein schön timbriertes Instrument hält in den leidenschaftlichen Szenen mit Elena Stikhinas stimmstarker Giorgetta und den Orchesterwogen mit. Leidenschaft und Eifersucht (immerhin denkt er sich eine Kette aus Blutstropfen für Giorgetta aus) nimmt man ihm ebenso ab wie den Arbeiter, obwohl er Pastellfarben wie aus Miami Vice tragen muss.

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Il tabarro: Joshua Guerrero (Luigi) und Elena Stikhina (Giorgetta)
© Stephan Brückler

Ein kostümtechnisch härteres Los fällt den Damen zu, denn ein unvorteilhaft hochflatterndes Röckchen zu Baseball-Blouson und toupierter Perücke ist eine Zumutung, gegen die Monika Bohinec als Katzenfreundin Frugola jedoch mehr als nur tapfer ansang. Auch Elena Stikhina ließ mit ihrer Darbietung ein pinkfarbenes Kleiderdesaster mit weißem Gürtel vergessen, gestaltete die Zerrissenheit zwischen Lebenshunger und Pflichtgefühl gegenüber ihrem Mann glaubhaft. Carlos Álvarez gestaltete Michele als grundsätzlich großzügigen Menschen, der sich jedoch vom Schicksal nach dem Tod des gemeinsamen Kindes nicht auch noch die Frau entreißen lassen will, und sich in dieser Inszenierung lieber selbst richtet. Der Rest der Hafenbevölkerung (ein Liebespaar, ein Liederverkäufer, Statisten) kommentiert das Geschehen überwiegend aus dem Hintergrund, womit die Nöte der Protagonisten in den Vordergrund rücken. Deren großartige und mitreißende Leistungen erweckten das Stück zum Leben.

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Suor Angelica: Florina Ilie (Schwester Genovieffa) und Elena Stikhina (Schwester Angelica)
© Stephan Brückler

Geht es in Il tabarro noch um geplatzte Lebensträume und Hoffnungen auf ein besseres Leben, so ist das Klosterleben, in dem sogar das Wünschen untersagt ist, Endstation für Suor Angelica, da sie mit einem unehelichen Kind Schande über ihre adlige Familie gebracht hat. Anlässlich des Besuchs ihrer fürstlichen Tante, die ihr nach sieben Jahren Funkstille die Unterschrift zur Aufteilung des Familienvermögens abringt, erfährt Angelica, dass ihr Kind bereits zwei Jahre tot ist, und nimmt sich das Leben (in Gürbacas Inszenierung durch das Verschlucken von Spiegelscherben).

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Suor Angelica: Michaela Schuster (Die Fürstin) und Elena Stikhina (Schwester Angelica)
© Stephan Brückler

Im Regelfall hat die Figur der Angelica trotz der überwältigenden Verklärungsmusik, die Puccini für ihre Sterbeszene komponiert hat, das Nachsehen, dominiert die glamouröse Fürstin inmitten der Habit-Trägerinnen die Szene (von den durchwegs grandiosen Leistungen der letzteren seien Monika Bohinec als Äbtissin, Juliette Mars und Szilvia Vörös stellvertretend für ihre Mitschwestern hervorgehoben). Am besprochenen Abend gab jedoch Elena Stikhina als Angelica eine stimmlich extrem berührende Vorstellung und konnte neben der Strahl- und Sangeskraft von Michaela Schusters Fürstin bestehen. In dieser Inszenierung taucht letztere mit Angelicas Kind in deren Sterbeszene auf, was für etliche Tränen im Publikum sorgt. Ob dieser Auftritt als Vision der Sterbenden oder als reale Verdopplung der Tragödie gesehen wird, ist bei dem überwältigenden Effekt letztlich egal.

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Gianni Schicchi: Florina Ilie (Lauretta) und Bogdan Volkov (Rinuccio)
© Stephan Brückler

Nach den ersten beiden Teilen war man emotional etwas angeschlagen und vielleicht nicht ganz bereit für Gianni Schicchi, ansonsten der wohl beliebteste Teil des Trittico. Zwar überzeugt Florina Ilie als Lauretta ihren „babbino caro“ Gianni Schicchi (Carlos Álvarez) mit der sattsam bekannten Gassenhauer-Arie (und in dieser Inszenierung zusätzlich mit einem positiven Schwangerschaftstest), Rinuccio (Bogdan Volkov) aus der Erbschleicher-Partie der Donati heiraten zu dürfen, doch wollte diesmal die Komödie trotz der starken Gesangsleistungen und punktgenau treffenden Pointen nicht so recht zünden. Das mag auch daran liegen, dass eine tolle Besetzung aller Nebenrollen (angeführt von Michaela Schuster als Zita) nicht ganz wettmacht, dass Álvarez eher klug berechnend als gerissen und kriminell wirkt, auch wenn er seine Stimme zum Diktat des gefälschten Testaments ebenso köstlich verstellt wie Silke Willrett die erwähnten Tabarro-Scheußlichkeiten mit phantasievollen Faschingskostümen wettmacht.

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Gianni Schicchi
© Stephan Brückler

Philippe Jordan deklinierte am Pult sämtliche Leiden(schaften) der Partituren durch und entlockte dem Staatsopernorchester alles, was Puccinis Musik zwischen Vorhölle und Himmel an Farben und Kontrasten zu bieten hat.

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