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„Pique Dame“ an der Bayerischen Staatsoper: Asmik Grigorian und Boris Pinkhasovich. Foto: Wilfried Hösl

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Regie-Leerstellen: Tschaikowskys „Pique Dame“ an der Bayerischen Staatsoper

Vorspann / Teaser

Im Münchner Gasteig läuft derzeit eine Schau (Ausstellung wäre zu hoch gegriffen) rund um ein Originalgemälde Dalís für die Traumsequenz aus Hitchcocks „Spellbound“. Etwas von dieser surrealistischen, pseudo-tiefenpsychologischen Bildfantasie hätte man sich auch für die Neuinszenierung von Tschaikowskys „Pique Dame“ an der Bayerischen Staatsoper gewünscht.

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Stattdessen herrscht schwarz vernebelte Ödnis auf der Bühne des Nationaltheaters. Vage im Russland kurz nach der Wende angesiedelt, taumelt Schmerzensmann Hermann durch eine Szenerie zwischen schlecht beleuchtetem Spielkeller, Parkplatz, Stripclub und Autobahnbrücke. Den für das Stück entscheidenden Standesunterschied zwischen ihm und der höheren Gesellschaft, in die er – sei es über die Beziehung mit Lisa oder das Kartenspiel – vorzudringen versucht, blendet Regisseur Benedict Andrews aus und will stattdessen das Psychogramm eines Todgeweihten zeichnen. Das misslingt, weil er dem bemitleidenswerten Brandon Jovanovich nicht mehr als eine Pistole zum drohenden oder suizidalen Herumfuchteln und ein, zwei Verzweiflungsgesten an die Hand gibt. Gesanglich macht der Tenor das (bei der Vorstellung am 7.2.) bis auf den missglückten Spitzenton am Ende der ersten Szene durchaus ordentlich, die Regie-Leerstelle vermag er aber vokal nicht aufzufüllen.

Einzig im zweiten Akt kommt etwas szenische Belebung in den Abend. Den Maskenball illustriert Andrews als Open-Air-Event, auf dessen Zuschauertribüne wir blicken. Die Obsession für die „drei Karten“, die Hermann ergreift, und der Triumph ob des von Lisa erhaltenen Schlüssels, wird schlüssig bebildert. Die anschließende Begegnung mit der Gräfin wird durch kahlköpfige jüngere Doubles zum Albtraum, einer von ihnen versucht Hermann mittels Waterboarding das Kartengeheimnis zu entlocken, um sie schließlich zu ertränken. Violeta Urmana strahlt als gar nicht mal so alte Gräfin vokale Autorität aus, ist dann aber leider bei ihrer Wiederkehr als Geist schlicht zu leise.

Die größte Aufmerksamkeit galt natürlich der Lisa Asmik Grigorians. Die Sopranistin stürzte sich mit technisch gut kontrollierter Intensität in die Partie, konnte aber in dieser eher passiven Rolle nicht die Art szenisch-vokaler Entäußerung liefern, mit der sie in den vergangenen Jahren Furore gemacht hat. Dies in Umbaupausen durch riesige, optisch gediegene Schwarz-Weiß-Projektionen ihres Gesichts auf den Zwischenvorhang zu kompensieren, funktionierte nicht wirklich.

Ausgezeichnet waren die Nebenrollen besetzt, allen voran Boris Pinkhasovich, der sich als Fürst Jelezki für seine balsamisch zelebrierte Arie den größten Zwischenapplaus verdiente, und Victoria Karkacheva als Polina mit einer wunderbaren Romanze. Bestens ausbalanciert waren die Ensembles in der ersten und letzten – bei der Spielentscheidung leider komplett verschenkten – Szene, wozu auch Roman Burdenko (Tomski) und Kevin Conners (Tschekalinski) ihren Teil beitrugen; der von Christoph Heil einstudierte Chor zeigte gewohnt höchstes Niveau.

Dirigent Aziz Shokhakimov entfaltete mit dem Bayerischen Staatsorchester einen fein austarierten, von tiefen Holzbläserfarben dominierten Klang und versuchte das Drama von innen heraus zu befeuern. Doch auch hier musste man sich Tschaikowskys Furor eher vor dem inneren Auge und Ohr imaginieren, als dass man ihn tatsächlich realisiert gesehen und gehört hätte.

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