Mozarts »La finta giardiniera« im Theater an der Wien – (Kammeroper)

Theater an der Wien/La finta giardiniera/Foto © Herwig Prammer

2023 ist ein glückliches Jahr für dieses „Dramma giocoso“ in drei Akten, KV 196, des achtzehnjährigen Wolfgang Amadeus Mozart. Bereits am Mozarts 267. Geburtstag, dem 27. Jänner 2023, habe ich eine Aufführung von »La finta giardiniera« im Landestheater in Salzburg gesehen. Als langjähriger Bewunderer dieser Oper habe ich mich gefreut, sie am 20. Dezember 2023 erneut in der Wiener Kammeroper, der zweiten Spielstätte des Theaters an der Wien, erleben zu dürfen. (Rezensierte Vorstellung v. 20.12.2023)

 

In diesem dreiaktigen Dramma giocoso mit einem Libretto, das wahrscheinlich von Giovanni Petrosellini stammt, sind die Situationen (beispielsweise ist jede Figur in einer anderen verliebt, die die Liebe nicht erwidert) komisch, aber die Gefühle, die jeder ausdrückt, sind echt. Dafür ist es ein spannendes, fesselndes Schauspiel, das Amüsement und Sympathie zugleich hervorruft. Dank der komischen Elemente und der erwarteten glücklichen Auflösung kann Marchesa Violante Onesti (verkleidet als Sandrina, die Gärtnerin) ihrem Geliebten Contino Belfiore verzeihen, dass er sie in einem Eifersuchtsanfall schwer verletzt und verlassen hat. In späteren Generationen wurden Komödie und Tragödie stärker voneinander getrennt. In »Pagliacci« (1892) von Ruggero Leoncavallo und »Carmen« (1875) von Georges Bizet führen solche Wutanfälle unmittelbar zur Tragödie.

Die Inszenierung von Anika Rutkofsky (Bühne und Kostüm: Adrian Stapf) lässt die Handlung in einem Fernsehstudio spielen, in dem einige der wichtigsten Ereignisse der Handlung übertragen werden. Die Sängerbesetzung spielt vor allem die Rezitative und einige Arien und Ensembles in verschiedenen Fernsehsendungen, darunter Nachrichtensendungen. Die Aufführung von Opern in Filmstudios bringt die Handlung näher an die Art und Weise heran, wie das jeweilige Publikum von bestimmten Ereignissen erfährt. Ich habe zwei Inszenierungen von Rolando Villazón rezensiert, die einem ähnlichen Konzept folgen: »Il barbiere di Siviglia« und »L’elisir d’amore«. Die Mitwirkenden sind passend zu den Ereignissen in der Geschichte als Richter und Anwalt, als Fernsehreporter oder als Fitnesstrainers gekleidet. Wenn fehlende Wortgenauigkeit nicht stört (die Rezitative wurden verändert und einige Arien weggelassen), dann kann man diese Interpretation als unterhaltsam bezeichnen.

Theater an der Wien/La finta giardiniera/Foto © Herwig Prammer

Als Don Anchise, Podestà, war der Tenor Paul Schweinester sowohl visuell als auch stimmlich energisch. Schweinester stellte den Podestà als eine lächerliche Figur dar, was er wohl auch ist. Seine hoch liegende Tenorstimme deutet auf einen Charakter von Rang hin, der auf persönlicher Ebene schwach und unentschlossen ist. Obwohl der Podestà zärtliche Gefühle für Sandrina (eigentlich die Marchesa Violante Onesti verkleidet) hegt, wird aus seinen Interaktionen mit ihr deutlich, dass sie nicht heiraten werden. Gleichzeitig unterstreicht Schweinester die Blindheit des Podestà gegenüber dem Interesse, das Serpetta, seine Kammerzofe, für ihn zeigt, so dass er am Ende der Geschichte ledig bleibt. Die lyrische Sopranistin Carina Schmieger interpretierte Violante (Sandrina) als entschlossen, die Liebe ihres Lebens zurückzugewinnen, trotz des eifersüchtigen Zorns, in dem der Graf Belfiore sie fast getötet hätte, und gleichzeitig als verletzlich und ein wenig neurotisch. Stimmlich umschmeichelte Schmieger die elaborierten Koloratur auf sanfte Weise, so dass selbst die höchsten Töne nie schrill, sondern zart und hell klangen. Selbst in Momenten der Verzweiflung und in einem Szenario (verkleidet als Gärtnermädchen in Diensten des Podestà), in dem es nicht gelingen dürfte, den Grafen zu finden und zurückzugewinnen, unterstreicht ihr Gesang, dass sie die Hoffnung nie aufgibt.

Der Graf Belfiore wurde vom Tenor Adrian Autard gesungen, dessen kraftvolle Stimme die Stärke der Figur verdeutlichte, selbst wenn er fassungslos ist, als er Violante in Verkleidung entdeckte. Belfiore muss sich zwischen seiner wahren Liebe Violante und Arminda, der Frau, mit der er verlobt ist, entscheiden. Obwohl ich nicht weiß, ob es Absicht war, harmonierte Autards Stimme am ehesten mit der von Schmieger (Violante), was akustisch beweist, dass diese Figuren ein Paar sein sollten. Arminda, die Nichte von Don Anchise (Podestà), die mit Belfiore verlobt und früher in Ramiro verliebt war, wurde von der Sopranistin Michaella Cipriani gesungen. Besonders wirkungsvoll war Cipriani in der wütenden Arie zu Beginn des zweiten Aktes „Vorrei punirti indegno“, in der Arminda Belfiores gebrochenes Versprechen und seine angebliche Untreue beklagte. Cipriani projizierte so viel Groll und Zorn in diese Arie, dass Belfiores Entscheidung, seine wahre Liebe Violante zu heiraten, besonders gerechtfertigt erscheint. Der Text der Arie zeigt, dass Arminda sich über ein gebrochenes Versprechen beleidigt fühlt, aber es gibt kaum einen Hinweis auf Liebe.

Theater an der Wien/La finta giardiniera/Foto © Herwig Prammer

Der Kavalier Ramiro, Armindas abgewiesener Liebhaber, wurde von der Mezzosopranistin Valerie Eickhoff mit großer Leidenschaft verkörpert. Eickhoffs Interpretation von Ramiros Arie im dritten Akt „Va pure ad altri in braccio“, die fast eine Parallele zu Armidas Frust zu Beginn des zweiten Aktes ist, war eine Spitzenleistung. Der Unterschied besteht darin, dass Ramiro Arminda aufrichtig zu lieben scheint und nicht am sozialen Stand interessiert ist. Eine echte Entdeckung des Abends war die besonders kecke Serpetta, gesungen von der Sopranistin Elisabeth Freyhoff. In jeder Situation war Freyhoff besonders engagiert und lebhaft, mit einer hellen Sopranstimme, die ideal für die Koloraturen und die Gerissenheit und Klugheit dieser Kammerzofe geeignet ist, die ihren sozialen Rang durch die Heirat mit ihrem Arbeitgeber, dem Podestà, erhöhen möchte. Der Bass Anton Beliaev war ein besonders lustiger Roberto (Nardo), der als Gärtner verkleidete Diener von Violante, der die aufrichtigen Gefühle der Figur für Serpetta nie aus den Augen verlor. Beliaev beherrschte die Mischung aus Buffo und Ernsthaftigkeit dieser Figur. In seiner Arie im zweiten Akt „Con un vezzo all’Italiana“ gelang es ihm beispielsweise, Serpetta in einem Satz stimmlich und visuell zu necken und im nächsten Satz Sehnsucht nach ihr auszudrücken.

Unter der Leitung von Clemens Flick spielt das La Folia Barockorchester mit großer Inbrunst auf zeitgenössischen Instrumenten. Obwohl Flick gelegentlich langsamer wurde und in bestimmten Arien strategische Pausen einlegte, um einen dramatischen Effekt zu erzielen, ließ die Spannung nie nach. Die kleine Besetzung war ideal für die Akustik der Kammeroper und dürfte der Größe und Dimension nahe gekommen sein, für die Mozart dieses Werk konzipiert hatte.

Abschließend möchte ich die Bemerkung des Regisseurs ergänzen, dass die Geschichte von »La finta giardiniera« endet, ohne dass klar ist, wie die Beziehungen der Figuren weitergehen werden, was für viele andere Geschichten gilt, einschließlich Mozarts eigener späterer Opern. Wie es mit den Ehen von Figaro und Susanna und dem Grafen und der Gräfin Almaviva weitergeht, wenn der Vorhang am Ende von »Le nozze di Figaro« fällt, ist ungewiss. Diese Ungewissheit bietet natürlich viele Interpretationsmöglichkeiten.

 

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