1. Startseite
  2. Kultur
  3. Theater

Die Mozart-Oper „Ascanio in Alba“ in Frankfurt: Die Liebe ist eine Zitrone

KommentareDrucken

Und die Barbies sind auch dabei. Die Oper Frankfurt präsentiert im Bockenheimer Depot „Ascanio in Alba“, ein Werk des 15-jährigen Mozart.

Während die Großproduktionen von „Aida“ und Rimski-Korsakows „Die Nacht vor Weihnachten“ alle Abteilungen der Oper Frankfurt auf Trab halten dürften, war offenbar noch Zeit, im Bockenheimer Depot einen kleinen Spaß vorzubereiten. Ein Spaß über Pflichterfüllung immerhin. Wie rar, schön und gut ist es, wenn Pflicht und Neigung in eine Übereinkunft kommen, zumal wenn es um die Ehe und die Liebe geht.

„Ascanio in Alba“ ist eine „Festa teatrale“, eine besonders festlich gedachte, in der Aktzahl und überhaupt überschaubare Oper, hier beauftragt und vom 15-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart hurtig und gekonnt komponiert für die Hochzeit von Erzherzog Ferdinand von Österreich und Maria Beatrice d’Este 1771 in Mailand. Der Bräutigam ist auch bloß anderthalb Jahre älter als der Komponist, außerdem vier Jahre älter als die Braut. Beide, liest man, applaudierten nicht nur ausführlichst, ihre Ehe galt auch tatsächlich als glücklich.

Ascanio in Rosa, auf der Galerie seine Mutter Venus: Cecelia Hall und Kateryna Kasper im Zitronenraumschiff im Bockenheimer Depot. Foto: Monika Rittershaus
Ascanio in Rosa, auf der Galerie seine Mutter Venus: Cecelia Hall und Kateryna Kasper im Zitronenraumschiff im Bockenheimer Depot. Foto: Monika Rittershaus © Monika Rittershaus

Wenngleich kein lebender Mensch so glücklich sein kann wie Ascanio und seine Silvia. Venus selbst, Ascanios Mutter, arrangiert in diesem Fall die Verbindung. Der holden Silvia ist der junge Mann schon seit Jahren im Traum erschienen – für eine Göttin keine Schwierigkeit, auch Ferdinand und Maria Beatrice waren zwar von Kindesbeinen an verlobt, aber unter nicht ganz so atemberaubender Protektion. Dafür weiß Silvia nicht, dass sie im Traum ihren Zukünftigen sieht. Sie soll sich sozusagen frisch und frei verlieben, so will es die Göttin, und der Plan geht natürlich auf. Ascanio seinerseits traut der Mutter ohnehin die richtige Wahl zu (wie sollte er auch nicht, als Spross der Liebesgöttin).

Damit es nicht zu einfach wird – an sich ist es supereinfach –, stellt Venus Jung-Silvia auf die Probe. Der Priester Aceste hat ihr verkündet, dass sie einen gewissen Herrn Ascanio heiraten soll. Als sie ihrem Traummann begegnet, weist sie ihn also tapfer zurück, um dem göttlichen Willen zu gehorchen. Was für ein totales Happyend, als sie die Zusammenhänge begreift. Sie ist nicht etwa stocksauer, sondern überglücklich.

Bei der Frankfurter Erstaufführung kann man unter dem feinsinnigen Dirigat von Alden Gatt (der auch einer der beiden Cembalisten ist) erleben, dass diese Rarität zu Recht eine ist, aber sich auch einmal hübsch anhören lässt. Der Komponist, der hier noch ganz unter der Fuchtel des Vaters an einer Karriere basteln soll, nutzt die Chance (große Hochzeit, Multiplikatoren zuhauf). Er präsentiert sich nicht als verknöcherter Formvollender, sondern schreibt eine Musik, bei der man sich noch heute ein bisschen vorstellen kann, wie modern und, ja, frei sie den Brautleuten erscheinen musste. Arien mit Klage und Sentiment, aber auch mit Witz, elegante Ensembles, feiertägliche Choreinlagen (hier zugespielt).

Ort der Handlung ist eine große Zitrone. Oder ein zitronengelbes Raumschiff. Christoph Fischer hat es bis unters Depotdach eingepasst. Es gibt innerhalb der Raumschiffzitrone eine Galerie mit Vorhang, dahinter wird durch milchiges Glas windige Vegetation vage sichtbar. Ascanio bekommt von seiner Mutter nicht nur den Auftrag, Silvia zu heiraten, sondern auch in Alba, wo die Zitrone gelandet ist, eine Stadt zu gründen.

Bei Mozart und dem Librettisten Giuseppe Parini ist das eine bukolische Gegend. Bei Fischer und der Regisseurin Nina Brazier weiß man nicht so recht, etwas Endzeitliches liegt im staubig goldenen Licht, das von außen eindringt, wenn jemand die Vorhänge aufzieht. Aber sie legen sich klugerweise nicht fest. Auch nicht, wenn zwischendurch immer wieder angetippt wird, dass es sich in der erfreulichen Geschichte zwischen Ascanio und Silvia auch um einen geschäftlichen Vorgang handelt. Helferchen schauen auf die Armbanduhr, Protokolle werden eingehalten, am Ende wechseln Geldscheine Besitzerin und Besitzer. Brazier blickt kühl auf all die noblen Belehrenden und Belehrten, aber sie lässt dem frohen Ausgang seinen Raum. Was kümmert die Liebenden der Kaufpreis ihres Glücks?

So ist Braziers Venus eine selbstbeherrschte Politikerin der Zukunft. Ihr Reich ist – anders als Wagnerische Anarchie es imaginierte – friedlich, aber stramm organisiert. Gelbe Fahnen mit blauem außerirdischem Schriftzug (die Farben also: ukrainisch), ein Rednerpult für die Göttin, die Haar und Seidenkleid (Kostüme: Henriette Hübschmann) zwischen Madeleine Albright, Maria Theresia und einer Raumschiffkommandantin trägt. Ein unheimlich charmanter Kontrast zur goldenen, melancholisch süßen Stimme von Kateryna Kasper.

Jenseits von Andrew Kim als formidablem Aceste und Tenor (aus dem Opernstudio, man kann nur staunen) ist das ein Frauenabend. Ascanio ist Cecelia Hall mit Bärtchen, höchst beweglichem Mezzo und wohlerzogen. Wie und warum sollte man sich auch gegen Venus als Mutter zur Wehr setzen? Karolina Bengtsson (2023 aus dem Opernstudio ins Ensemble gewechselt) ist die kecke Silvia. Ihre besten Freundinnen sind zwei nette, stille Barbies (auch sonst: viel Rosa) und sie selbst verfügt über einen gut fundierten Sopran, im Wärmegrad zwischen Kasper und der ganz fabelhaften Anna Nekhames als elegisch zwitscherndem Fauno.

Kein wichtiger Abend, verpassen Sie ihn auf gar keinen Fall.

Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot: 21., 26., 28., 30. Dezember, 1., 3. Januar. www.oper-frankfurt.de

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!