Klagenfurt: Puccinis „Manon Lescaut“ - Lieben und Leiden zwischen Schiffscontainern

Xl_manon_lescaut-klagenfurt-11-23-5 © Karlheinz Fessl

„Non voglio morir! – Ich will nicht sterben!“: Zwischen großen, schrägen oder schwebenden Containern im Nirgendwo von Amerika schreit die völlig erschöpfte, beinahe schon verdurstete Manon diese Worte knapp vor ihrem Tod, begleitet von einem großen dramatischen orchestralen Ausbruch unter Mobilisierung ihrer letzten Kräfte hinaus. Da bleibt kein Zuhörer im Stadttheater Klagenfurt unberührt, denn Heather Engebretson vermag der Titelrolle von Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“ viele Emotionen zu verleihen. Als Kindsfrau ausstaffiert, trotzig und aufsässig spielend klingt sie jugendlich unverbraucht. Viele Schattierungen der Partie wie Leichtfertigkeit, Koketterie werden mit Ausdrucksstärke wiedergegeben. Den ganzen zweiten Akt muss sie allerdings sehr unvorteilhaft angezogen in Unterwäsche agieren.

Mit strahlender Höhe, einem ungemein weich und baritonal klingenden Tenor und ohne Ermüdungserscheinungen der kräfteraubenden Partie kann Giorgi Sturua als Renato Des Grieux beeindrucken.  Leider wirkt sein Spiel insgesamt etwas hölzern. Kraftvoll und klangschön singt Gustavo Castillo ihren Bruder Lescaut, der auch den meisten Applaus zum Schluss bekam. Aalglatt und eiskalt agiert und singt Marian Pop den Geronte de Ravoir. Luca Bernard hört man als Studenten Edmondo mit schönem Tenor. Auch die kleineren Partien sind tadellos besetzt. Der Chor und Extrachor des Stadttheaters Klagenfurt (Einstudierung: Günter Wallner) singt großteils gut aber nicht immer homogen.

Der Dirigent Stefan Neubert hat eine recht nüchterne, ja zu akademische Lesart und teils eigenwillige Tempi der genialen Partitur von Puccini. Er schafft es zwar, am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters feine Stimmungsmalereien und viele Farben zu erzeugen. Den gewünschten, emotional packenden Hochdruck vermag er jedoch nicht auszureizen.

Schiffscontainer und Kisten stapeln sich, soweit das Auge reicht: Nicht auf einer Postkutschenstation, sondern in einem schäbigen Hafen und auch sonst in einem modernen aber überwiegend unästhetischen, überfrachteten Ambiente (Bühne: Manuel Kolip) lässt Regisseur Igor Pison Puccinis frühe Oper spielen. Vollgestopft ist die Bühne mit einem Mischmasch an Mobiliar und leeren Bierkisten als Sitzgelegenheiten im ersten Akt. Völlig überzogen sind die Kostüme (Nicola Reichert) und die Frisuren beim Chor und den Statisten. Lediglich der zweite Akt mit dem Bühnenrahmen und einem kitschigen Brunnen atmet etwas mehr Ästhetik. Allerdings müssen hier Mädchen ständig in Unterwäsche auftreten und sich tänzerisch bewegen. Fast peinlich und unfreiwillig komisch wirken die singenden und tanzenden Choristinnen mit Häschenohren. Entgegen dem Libretto gibt es zudem seltsame, schwer nachvollziehbare Einfälle des Regisseurs: So wird einzig Manon und keine andere Frau nach Amerika deportiert. So schneidet Geronte dem Des Grieux bevor er auch an Bord gehen darf, noch einen Finger ab. Lescaut wird erschossen. Manon wird im letzten Akt gedoubelt und stirbt allein in großer Distanz zu ihrem Geliebten, der währenddessen teilnahmslos seine Spielkarten betrachtet, während sich die Drehbühne ständig dreht.

So wird die Geschichte der kleinen Manon, nach der meisterhaften Erzählung des Abbé Prevost, die auch Jules Massenet zu einer Opernvertonung inspirierte, viel zu wenig emotional, gezeigt.

Viel Applaus gab es nur für die Sänger!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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