1. Startseite
  2. Kultur
  3. Theater

„Die Frau ohne Schatten“ an der Staatsoper Stuttgart – Alien 7

KommentareDrucken

Amme (Evelyn Herlitzius) und Kaiserin (Simone Schneider, r.) in kühl eleganter Umgebung.
Amme (Evelyn Herlitzius) und Kaiserin (Simone Schneider, r.) in kühl eleganter Umgebung. Foto: Matthias Baus © Matthias Baus

„Die Frau ohne Schatten“ in Stuttgart ist musikalisch sensationell, szenisch allerdings banaler, als es die Oper verdient hat.

Musikalisch ist Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“ an der Staatsoper Stuttgart ein Wurf. Drei ganz große dramatische Strauss- und Wagner-Protagonistinnen machen aus der Premierenserie eine Reihe von Galavorstellungen, der zentrale Tenor ist göttlich, das baritonale Pendant herzerwärmend, und zu den fünf herausfordernd anstrengenden Hauptpartien kommt auch sonst nur Gutes, zum Beispiel Michael Nagl als fundierter Geisterbote. Cornelius Meister dirigiert einen unpathetischen, aber satten Strauss, die tiefen Bläsersätze sind elektra- (also orest-)hafter denn je und maßstabbildend präzise. Man hört, dass Strauss ein ziviler Wagner ist, aber beim Komponieren wagnerdurchrauscht. Das hätte man jetzt gerne sofort auf CD.

Das noble kaiserliche Paar sind Simone Schneider und Benjamin Bruns, sie mit scheuer Undine-Miene und makellosem, dunkel timbriertem Sieglinde-Sopran, er in lichten Höhen so sicher, dass Zeit und Raum für Schönheiten bleiben, auf die hier selten zu hoffen ist. Das bodenständige Färberpaar sind Iréne Theorin und Martin Gantner, sie macht das etwas Keifende der Partie wett durch kultivierte Stimmkraft, er rundet seine Freundlichkeit mit Wärme und Volumen ab.

Mag sein, dass das Bühnenbild den Stimmen hilft, aber das ist trotzdem bewundernswert, zumal Evelyn Herlitzius die fünfte ist, als Amme stimmlich perfekt in ihrer Expressivität (wie sie einen gerade jenseits der Brünnhilde immer wieder überwältigt hat), als Schauspielerin eine Bank: eine alerte Diva an der Seite der Kaiserin, kein Blick vergeudet, eine kühle, nicht einmal besonders boshafte Konzentration auf die eigenen Geschäfte. Superb dabei die Idee, wie entspannt und freundschaftlich die Amme ist, sobald sie mit der Kaiserin alleine bleibt – dann zieht sie den Gouvernantenmantel aus und ist darunter eine elegante Erscheinung in fließendem Schwarz. Dass die beiden Frauen eine Vergangenheit in einer anderen Sphäre haben, zeigt sich zwanglos und glühend interessant. Der Unterschied zwischen Behauptungen der Regie und Sichtbarmachung wird hier deutlich, zu Ungunsten der Behauptungen, von denen es ebenfalls eine Menge gibt.

David Hermann führt Regie und macht jedenfalls erkennbar, dass er nicht gewillt ist. Strauss’ und Hugo von Hofmannsthals betulicher und ungebrochener Mutterschaftshuldigung in dieser XXL-Zauberflöte zu folgen. Er setzt nun freilich eine etwas banale Sci-Fi-Variante dagegen. Die Kostüme von Claudia Irro und Bettina Werner halten für die Kaisers einen leicht lachhaften Raumschiff-Chic bereit, das „niedere“ Paar bekommt allerlei Halbgefärbtes und wirklich markant Unkleidsames. Für die Geisterwelt Keikobads – des nicht auftretenden, aber gehörig unheimlichen Vaters der Kaiserin, die einen Schatten braucht (eine echte Frau und Mutter werden muss), wenn ihr Mann nicht versteinern soll – wird es ein bisschen außerirdisch. Der Geisterbote und der „Hüter der Schwelle des Tempels“ (Josefin Feiler) sind ein aufwendiger Mix aus Geheimdienstmitarbeitern und unechten Wesen. Sie zucken zuweilen, und mit den Haaren und den, äh, Füßen stimmt doch auch etwas nicht.

Jo Schramm hält für die kaiserliche Sphäre kühle Räume bereit, darunter fährt – solche Verwandlungen sieht man heute auf offener Bühne nicht mehr sehr oft – ein mysteriöser hölzerner runder Kellerbau hoch, in dem das Färberpaar lebt. Zusammen mit einem Ding zwischen Wurm und Rückgrat, wohl nicht ganz fertig geworden, aber groß.

Was zu sehen ist, schwächt die Handlung zu irgendetwas anderem ab, aber was dieses andere sein soll, bleibt doch ungewiss. Zunächst muss das nicht so sehr stören – wobei nicht zu stören, bei einer Inszenierung schon ziemlich übel ist –, weil das alles relativ statisch wirkt (jenseits der grandiosen Herlitzius zumindest). Nach der Pause wird es dann kraus und eklig, wenn der Färber und seine missratenen Brüder den Wurm/das Rückgrat anbohren und abscheuliche, aber anscheinend nahrhafte Dinge herausziehen.

Die Liebe ist hin, das Thema Mutterschaft wird am Ende erst ad absurdum geführt, dann mit einem sinnfreien Schlussgag versehen. Der Einfall, dass außer der Kaiserin nun praktisch alle schwanger sind, hat seinen Reiz und könnte eine Utopie anbieten: Wenn es das Größte auf der Welt sein soll, ein Kind zu empfangen, so sei es doch jedermann gegönnt. Ohne Spott gesagt, wirklich.

Hermann bleibt aber misstrauisch und endet darum mit folgenden Clou: Der Geisterbote schneidet den Bauch des Färbers auf und entnimmt einen kleinen Rückgrat-Wurm. Zu den himmlischen Schlussklängen sind wir bei „Alien 7“ angekommen und während es rücksichtsvoll dunkel wird, nähert sich der Geisterbote auch dem ängstlich zurückweichenden Kaiser. So dumm, das zu verdienen, ist der Text dann aber auch wieder nicht

Staatsoper Stuttgart: 26. November, 2. Dezember. www.staatsoper-stuttgart.de

Auch interessant

Kommentare