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Simon Neal (Nekrotzar) und Ensemble. Foto: Barbara Aumüller.

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Profilneurose entlarvt Unverständnis – „Blackfacing“-Attacke gegen die Frankfurter Opernpremiere

Vorspann / Teaser

Theater enthält in vielen seiner besten Momente eine Attacke: es führt Missstände vor; es bildet einen Spiegel für das davor sitzende Publikum und womöglich die ganze Gesellschaft; es entlarvt Fehlverhalten; es reißt Mächtigen wie Verblendeten die Maske herunter - oder setzt ihnen eine Maske bis hin zur Narrenkappe auf. Jede und jeder Theaterfreund:in musste darüber schon nachdenken und hat es hoffentlich erlebt und dann durchdacht. Leider gibt es nun in Frankfurts Opernszene einen eklatanten Missgriff – ausgerechnet von einer farbigen Frau im Aufsichtsrat der Oper, die gleichzeitig Vorsitzende des Kulturausschusses der Stadt ist.

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Die betreffende Politikerin ist auch Referentin für Diversitätsentwicklung, Autorin, Theatermacherin und politische Aktivistin für Intersektionalen Feminismus. Sie hat die Premiere von György Ligetis „Le Grand Macabre“ – nmz online vom 06.11.2023 – nicht besucht und erhebt nun den Vorwurf des „Blackfacing“: das bezieht sich auf eine Figur in der wüst ausschweifenden Endzeit-Weltuntergangsparty in einem „Casino Royal“; alle sind in der intellektuell glasklaren Inszenierung von Vasily Barkhatov rausch-süchtig mehr oder minder wild verkleidet – von der bunten Witzfigur über Rokoko bis hin zu Napoleon und zurück zu einer schwarzgeschminkten ägyptischen Figur, erhaben-protzig wie ein Pharao – es kann aber auch der altägyptische Totengott Anubis sein, der sich mit schwarzem Hund- oder Schakalkopf dargestellt findet. Das führt ein Mitglied des Ensembles albern und schräg vor… ein Aspekt im grässlich ausartenden Exzess auf der Bühne.

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Daran kann nur Anstoß nehmen, wer „Theater“ fundamental nicht verstanden hat: da steigt jemand auf eine Kiste, ein Podium oder eine hochentwickelte Bühne, wirft sich eventuell etwas über und schmiert sich Farbe ins Gesicht – damit verwandelt er sich grundlegend! Das ist dann mitnichten eine reale Person, ein reales Gesellschaftsmitglied oder Angehöriger einer diskreditierten Minderheit – und muss erst recht nicht von einer sich als „Retter“ missverstehenden Politik „in Schutz genommen werden“. Folglich können Verbrecher dort oben stehen, von bluttriefenden Herrschern über Hitler, Stalin hin zu Pol Pot oder Pinochet oder Sadam Hussein oder Idi Amin – bühnengerecht geschminkt – dann auch als goldiges Engelchen oder blutüberströmt-entstellte, aber „Heil versprechende“ Märtyrer:in… Wer will da wegen Lug und Trug und Diskriminierung nach Richter und Polizei rufen? Wer immer da eine Anwandlung zum – irregeleiteten – Moralapostel verspürt, erst recht aber eine verantwortungsvoll denkende und hoffentlich dann erst handelnde oder sich öffentlich äußernde Politiker:in: ihnen allen ist als Pflichtlektüre Kurt Tucholskys unsterblicher Text von 1919 „Was darf die Satire?“ als Pflichtlektüre aufgegeben: lesen – verstehen – und dann Tucholskys späten Satz beherzigen: „Und daher: Werde ich erst amal das Maul halten.“

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