LE NOZZE DI FIGARO

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Staatsoper
6. November 2023



Musikalische Leitung: Adam Fischer


Conte di Almaviva - Michael Nagy
Contessa di Almaviva - Golda Schultz
Susanna - Katharina Konradi
Figaro - Riccardo Fassi
Cherubino - Patricia Nolz
Don Bartolo - Stefan Cerny
Don Basilio - Nobert Ernst
Don Curzio - Andrea Giovannini
Barbarina - Miriam Kutrowatz
Marcellina - Stephanie Houtzeel
Antonio - Attila Mokus


„Gräfin mit Stimmgold

(Dominik Troger)

Nach einem mordenden Tenor und einem verdurstenden Sopran bietet Mozarts „Le nozze di Figaro“ im Staatsopernrepertoire dem Publikum jetzt einen amüsanten „Gegenpol“. Die Neuproduktion von letzter Saison wurde in teils veränderter Besetzung wieder auf den Spielplan gesetzt. Anbei Anmerkungen zur zweiten Aufführung der aktuellen Serie.

Am auffallendsten war natürlich: Adam Fischer steht wieder am Pult und befördert ein beredtes Musizieren, das zwischen Humor und erotischer Gefühlsaufwallung ausgewogenes Maß und Tempo findet. Fischer hat seinen ersten Staatsopern-„Figaro“ vor zwei Jahrzehnten dirigiert und knapp über dreißig Aufführungen sind es laut dem Staatsopernarchiv seither geworden.

Adam Fischers Mozart besitzt weder die „apologetische“ Schroffheit eines Nikolaus Harnoncourt, noch die ausgeprägte Exzentrik eines Teodor Currentzis oder die breitwandigere „Retro-Romantik“ eines Philippe Jordan (dem Dirigenten der Premiere dieser Produktion im März), sondern sorgt für eine austarierte „Wiener Klassik“, die akzentuiert, aber nicht historisch überinterpretierend, schlank, aber nicht karg, die schwungvoll, aber nicht überhitzt, zu Werke geht. Bei Fischer schmunzelt Mozart schalkhaft aus dem Orchestergraben, und den Sängerinnen und Sängern auf der Bühne bleibt genug Raum, um wirklich „Komödie“ zu spielen.

Zwanglosem Humor steht die Neuinszenierung von Barrie Kosky zum Glück nicht im Wege, obwohl sie in einigen Punkten zu stark übertreibt, etwa wenn Susanna den Grafen im dritten Akt sexuell „anmacht“, um die Intrige zu schüren, oder im Gewaltausbruch des Grafen im zweiten Akt gegenüber seiner Gemahlin. Koski dreht Mozart nach dem eventhungrigen Zeitgeist, während Adam Fischer am Pult mit zeitloser Seriosität dagegenhält – und beide beherrschen ihr Metier, der eine mit, der andere ohne „Show“. Jedenfalls ist Kosky mit seinem Bühnenbildner Rufus Didwiszus und der Ausstatterin Victoria Behr eine Inszenierung gelungen, die das Ensemble im Spiel mehr stützt als behindert.

Wechselnde Besetzungen fügen außerdem neue Facetten hinzu. Die Gräfin der Golda Schultz hat das dottergelbe Kleid im zweiten Akt mit fraulicher Koketterie getragen – und sich in keine Opferrolle drängen lassen. Ihr Sopran fand zu schön geformter Innigkeit, im „Porgi, armor“ noch mit – für meinen Geschmack – zu viel Vibrato, mit ausgewogen gerundetem Sopran später im „Dove sono“. Schultz besitzt eine ausgesprochen schöne Sopranstimme, ein lyrischer Goldton, der die Mittellage umhegt, der Höhe zu etwas abnimmt. Im Spiel ist sie aktiv, besitzt Humor und hat immer spüren lassen, dass sie die Gräfin ist.

Die Susanna der Katharina Konradi setzte sich von dieser Gräfin mit ihrem heller timbrierten, lyrischen Sopran gut ab. Sie gab mit dieser Aufführungsserie ihr Hausdebüt, lieh Susanna eine gewitzte „Coolnes“, die gut zu dieser Inszenierung passt. Ihre „Gesangesrosen“, um auf Susannas berühmte Arie zu verweisen, färbten sich mehr silbern als rot, eine Blüte aus biegsamer Metallfolie geformt, ohne Schärfe und ohne dabei zu „pathetisch“ zu werden.

Michael Nagy war mehr Haustyrann als Graf, Koskis Almaviva-„Exegese“ fast schon zu wörtlich nehmend. Die Noblesse seines Standes hat er in seinem Bariton nicht entdeckt. Nagy zeigte Präsenz, kehrte die Schattenseiten des Charakters deutlich hervor. Im Juni hat er an der Staatsoper als Alberich reüssiert, sein Graf hat sich in Spiel und Gesang etwas Polterndes, „Dunkelalberisches“ bewahrt.

Riccardo Fassi war als Figaro für Peter Kellner eingesprungen. Er ließ wieder mit seiner schönen, beweglichen Basstimme aufhorchen. Fassi kennt diese Produktion bereits, war wieder eloquent und quirlig auf der Staatsopernbühne unterwegs. Patricia Nolz gelang ein inniges „Voi che sapete“, wirkte gesanglich auf mich insgesamt viel gelöster als in der Premiere, darstellerisch sprüht sie ohnehin voller Spielwitz. Stephanie Houtzeel und Stefan Cerny haben bereits in der Premiere als Marcellina und Bartolo die Handlung aufgemischt, Norbert Ernst gesellte sich als Pointen liefernder, gar nicht so charaktertenoraler Basilio hinzu. Miriam Kutrowatz war eine mehr selbstbewusste als sinnliche Barbarina, Andrea Giovannini ein köstlicher Don Curzio und Attila Mokus ein für meinen Geschmack zu wenig buffonesker Antonio; wandlungsfähig wieder der Chor, der im verordneten „Kostümreigen“ das „eventhafte“ Element der Inszenierung betonte.

Im zweiten Akt gab es ein kleines „Hoppala“ – wie bestellt für die 13. Aufführung in dieser Inszenierung: Im zweiten Akt ließ sich die Türe im Bühnenhintergrund, die zum Zimmer der Gräfin führt, von außen nicht öffnen, und der Graf musste von der Seite durch das türartige Fenster auftreten, wo kurz zuvor noch Cherubino schwungvoll seinen Abgang genommen hatte. Er ging dann über die Bühne, öffnete die Türe, um die Gräfin hereinzulassen. Danach behielt Susanna die Türe im Auge, weil der Graf sie wieder geschlossen hatte, und öffnete sie einen Spalt, um die weiteren Auftritte zu ermöglichen.

Der starke Schlussapplaus war mit sechs Minuten Länge für die Qualität der Aufführung etwas knapp bemessen. Der Galeriestehplatz war schlecht besucht, nach der Pause gab es auch einige Lücken in den Sitzplatzreihen.