„Der Liebestrank“ von Donizetti als Strandvergnügen in der Oper Köln

Oper Köln/DER LIEBESTRANK/Insik Choi, Kathrin Zukowski, Chor der Oper Köln/Foto © Matthias Jung

Diese Inszenierung wurde bereits in Valencia, Brüssel, Graz und Madrid gezeigt. Der Regieeinfall, die Handlung von einem Landgut aus der italienischen Provinz an einen Strand mit einer Strandbar „Adina“ zu verlegen bietet zahlreiche Gags und viel nackte Haut. Die Koordinierung des seitlich platzierten Orchesters mit dem Ensemble und dem Chor war nicht unproblematisch, da wünscht man sich endlich das Haus am Offenbachplatz zurück. – Kathrin Zukowski mit ihrem jugendlich-strahlenden lyrischen Sopran überzeugte auf der ganzen Linie als Adina. Sie machte die Entwicklung der hemmungslosen Flirterin zur wahrhaft Liebenden trotz des Klamauks der Inszenierung glaubhaft. (Rezension der Premiere am 5. November 2023)

 

 

L’elisir d’amore“ (dt.“Der Liebestrank“)- „Melodramma giocoso“, Oper von Gaetano Donizetti , am 12. Mai 1832 im Teatro della Conobbiana in Mailand uraufgeführt – ist wohl Donizettis erfolgreichstes Bühnenwerk, das zu den zwölf meistgespielten Opern überhaupt gehört. Inszenierungen dieser Oper halten sich erstaunlich lange auf dem Spielplan der großen Häuser und werden immer wieder mit neuer Starbesetzung aufgelegt. Es ist mehr als eine Komödie, es ist eine Parabel über die Liebe. Die Wiener Staatsoper und die Bastille-Oper Paris lassen den „Liebestrank“ zur Entstehungszeit bzw. in den 50-er Jahren im ländlichen Italien in einem kleinen Dorf spielen, wobei die Bevölkerung zuerst von durchreisenden Truppen und dann auch noch von einem Quacksalber aufgemischt wird. Adina ist die reiche junge Grundbesitzerin, Nemorino (übersetzt: kleiner Niemand) ein armer Schlucker, der noch nicht einmal lesen und schreiben kann.

Oper Köln/DER LIEBESTRANK/Chor der Oper Köln, Kathrin Zukowski/Foto © Matthias Jung

Regisseur Damiano Michieletto holt die Handlung kurzerhand in die Gegenwart an einen Strand am Meer und macht aus der vermögenden Gutspächterin die Besitzerin des Strandkiosks „Adina“. Nemorino ist der Hilfsbademeister, der die Mülleimer leeren muss. Vergeblich betet er Adina an und schwärmt von ihren Reizen, aber sie nimmt ihn einfach nicht wahr. Die Geschichte von Tristan und Isolde, die Adina den Anwesenden vorliest, inspiriert ihn zu seinem Wunsch nach einem Liebestrank. Da kommt Dulcamara mit seiner Entourage von vier knackigen Assistentinnen mit bauchfreien Tops gerade recht. Die Anpreisungen des Quacksalbers fallen direkt auf fruchtbaren Boden, auch und nicht nur beim Strand-Publikum. Die Kostüme von Silvia Ayomino sind denkbar einfach: Strandkleidung – jeder zeigt so viel Haut wie vorteilhaft – und im zweiten Akt schrille Partykleidung mit viel Glitzer und kurzen Röckchen. Die von Paolo Fantin konzipierte Bühne wird beherrscht von einem Strandpavillon links, rechts im zweiten Akt einer riesigen Hochzeitstorte, die symbolisiert, dass Adina den Reizen des forschen Offiziers Belcore unverzüglich erlegen ist und ihn heiraten will.

Nemorino, der Adina vergeblich anbetet, sucht in seiner Verzweiflung den Rat des durchreisenden Quacksalbers Dulcamara, der den Badegästen Mittelchen aller Art gegen Ungeziefer, Unfruchtbarkeit, Falten, Zipperlein und Impotenz verkauft. Als Nemorino nach einem Liebestrank fragt, verkauft Dulcamara ihm eine Flasche Bordeaux, behauptet aber, das sei ein Liebestrank, der erst in 24 Stunden wirkt. Belcore bekommt per Telefon den Befehl, am nächsten Morgen schon weiterzuziehen, denn er wird versetzt. Daher wird die Hochzeit für denselben Abend angesetzt. In seiner Verzweiflung lässt sich Nemorino von Belcore als Soldat anwerben, um einen sofort wirkenden Liebestrank bezahlen zu können. Seine Liebe ist ihm so wichtig, dass er sein Leben dafür einsetzt. Das Duett Nemorino-Dulcamara ist unbezahlbar!

Bis hierhin ist es deftige Commedia dell´arte: Adina als Colombine, Nemorino als Harlekin, Belcore als Capitano und Dulcamara als Dottore. Aber Donizetti ergänzt die Komödie im 2. Akt mit echten Gefühlen. Folgerichtig singt Nemorino seine Arie: „Una furtiva Lagrima“ unter einem Spot auf dem Dach des Pavillons, und auch Adina tritt beim Duett: „Prendi, per me sei libero“ aus der Theatersituation heraus. Hier wird es seriös. Adina hat von Anfang an mehr Tiefgang, weil sie zunächst fast als Blaustrumpf erscheint und die Sage von „Tristan und Isolde“ vorliest und erläutert. Sie glaubt nicht an Liebestränke. Nach der Pause sind die Frauen wie ausgewechselt: Giannetta erzählt, Nemorinos reicher Onkel sei gestorben und habe ihm ein unermessliches Vermögen hinterlassen. Plötzlich wird der hübsche Junge zum begehrten Junggesellen, dem alle Mädchen schöne Augen machen. Auch Adina, die vom Erbe noch nichts weiß, merkt auf einmal, dass sie nur eine unter vielen ist. Dulcamara gießt Öl ins Feuer – er will auch ihr einen Liebestrank verkaufen – aber Adina ist sich sicher, dass sie Nemorinos Herz allein mit ihren Verführungskünsten für sich gewinnen kann. Sie durchschaut als einzige Dulcamaras Spiel.

Oper Köln/DER LIEBESTRANK/Chor der Oper Köln, Omar Montanari © Matthias Jung

Dmitry Ivanchey als Nemorino, Omar Montanari als Dulcamara und Maya Gour als Giannetta bleiben ihren Partien nichts schuldig, nur Insik Choi als Belcore wird um einen fulminanten Auftritt gebracht, denn er tritt ohne Entourage als gestrandeter Matrose auf. Sein Auftrittsmarsch als Sergeant, normalerweise in Köln die Gelegenheit, ein paar Karnevalssoldaten aufmarschieren zu lassen, versinkt im Strandchaos. Der Nimbus des Uniformträgers und Befehlshabers fehlt. Aber Choi beeindruckt mit seinem trainierten Oberkörper und vor allem mit seinem prachtvollen, gut geführten Bass-Bariton und enormer Spielfreude.

Omar Montanari überzeugte als Quacksalber Dulcamara mit seinem beweglichen Bassbuffo auf der ganzen Linie. Er karikierte als Marketingexperte Heilsversprechungen von Lifestylemittelchen aller Art und verordnete Nemorino als Liebestrank Bordeaux-Wein. Dass er allerdings neben dem Alkohol auch etliche Tütchen mit Kokain dealte, überschritt definitiv das Libretto, zumal am Schluss Belcore auch noch als Drogenbesitzer verhaftet wurde. Der nahm sein Scheitern als Bräutigam gelassen im Vertrauen auf seinen unwiderstehlichen Sex-Appeal.

Dmitry Ivanchey gestaltete als Nemorino die Schwärmerei des Verliebten, die Verzweiflung des Enttäuschten und den Jubel des Erhörten höchst eindrucksvoll. Sein perfekt geschulter lyrischer Tenor mit bombensicheren Höhen prädestiniert ihn für die Rolle des Nemorino ebenso wie seine naive Ausstrahlung. Nicht nur seine Arien rissen das Publikum zu Beifallsstürmen hin, sondern auch sein komödiantisches Talent. Der Allzeit-Hit: „Una furtiva lagrima“ ist der Wendepunkt der Handlung, in dem Nemorinos Bereitschaft, für einen Moment der Zuwendung Adinas sein Leben zu lassen, mit der Hoffnung, dass sie ihn tatsächlich jetzt liebt, zusammentrifft. Hier ereignete sich Magie.

Oper Köln/DER LIEBESTRANK/Kathrin Zukowski, Dmitry Ivanchey/Foto © Matthias Jung

Eindeutiger Star des Abends war Kathrin Zukowski in ihrem Rollendebut als Adina. Als Susanna, Konstanze und Pamina an Mozart gereift, als Händels Cleopatra gefeiert, zeigte sie hier, dass sie eine Erzkomödiantin mit Tiefgang ist. Ihr lyrischer Sopran ist in allen Lagen wunderschön rund und von einer ungeheuren Ausdrucksstärke. Als sie erkennt, dass Nemorino sein Leben wegwirft, indem er sich bei Belcore als Soldat verpflichtet hat, weil er nicht bei ihr landen kann, ist ihr Herz erobert. Sie ahnt, dass Nemorino eine Art von Liebe empfindet, die sie nicht kannte, die aber Gottfried von Straßburg bereits Tristan und Isolde zugeschrieben hat. Sie kauft Belcore den Werbevertrag Nemorinos zur Armee, quasi einen Selbstmordvertrag, ab, und ihre Arie „Prendi, per me sei libero“ kann als Schlüsselstelle des Werks gesehen werden. Das äußert sie in überbordenden Koloraturen, die sich im Duett mit Nemorino noch steigern. Mit den beiden perfekt harmonierenden Stimmen offenbarte sich der Höhenflug einer glücklichen Liebe, es entstand Opernglück. So deutet Donizetti hier den Mythos der bedingungslosen Liebe an, den Wagner später in „Tristan und Isolde“ unsterblich machen sollte.

Der von Rustam Samedov und Luca Marcossi perfekt einstudierte Chor konnte, ergänzt durch einige attraktive Statisten, als Badegäste und Hochzeitsgäste glänzen, und Matteo Beltrami, der 2022 schon „La Cenerentola“ dirigierte, leitete das mit professioneller Italianitá aufspielende Gürzenichorchester. Das Premierenpublikum bedachte die quirlige Komödie mit stehenden Ovationen.

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Köln / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Köln/DER LIEBESTRANK/Kathrin Zukowski, Dmitry Ivanchey © Matthias Jung
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